Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lili deutsches Reichsblatt

und Praktiken der alten Metternichschen Schule". So suchte er auch jetzt noch
der Entscheidung auszuweichen, sie hinzuhalten, indem er sich den Anschein gab,
als halte er alle bestehenden Differenzen nur für bedauerliche Mißverständnisse,
die sich bei den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen beider Fürstenhäuser
zweifellos und unschwer beseitigen ließen -- sofern man nur nicht drängte. "Der
König, gab er zur Antwort, hege keine feindlichen Absichten gegen Preußen;
aber er müsse und wolle durchaus Herr seiner freien, souveränen Entschließungen
bleiben und daher auch rüsten können, besonders wenn ein Bundesbeschluß ihn
etwa dazu verpflichten sollte."

Nach diesen durchsichtigen Erklärungen kam Prinz Dsenburg gemäß der ihm
erteilten Instruktion aus eigner Initiative nicht wieder darauf zurück. Aber statt
seiner erschien nun der Großherzog von Oldenburg am Hoflager zu Herren¬
hausen, um, ohne widerlegt werden zu können, seinem Königlichen Herrn
Schwager "aus den Kopf zuzusagen", wie wohl er wisse, was Osterreich ihm,
dem König, als Bündnispreis auf Oldenburgs Kosten versprochen habe; "nud
Du hast zugesagt, das hätte ich von Dir nicht erwartet."

Und in weitern Widerspruch mit seinen abgegebnen beruhigenden Erklärungen
setzte sich das hannoversche Kabinett. Denn als Österreich schon am 24. Mai
den Krieg für unvermeidlich erklärte und der französische Gesandte beim Bundes¬
tage ausführte, daß Napoleon, einverstanden mit Österreichs Beschützung der
deutschen Mittelstaaten, die Zeit für diese gekommen erachtete, zu zeigen, daß sie
ihres Daseins würdig seien -- da versicherte Hannover ausdrücklich seine un¬
bedingte Bundestreue. Damit hatte sich der Welfenstaat an Österreichs Seite
gestellt. So nahte der 14. Juni, der beim Bundestage in Frankfurt die endgiltige
Entscheidung bringen sollte. Eine ungeheure Spannung lastete in diesen gewitter¬
schwüler Tagen auf ganz Deutschland, es lag wie schwerer Alpdruck auf allen
Gemütern. War auch das eine gewiß, daß ein ungeheurer Kampf bevorstand,
wie aber würde sich die Parteinahme, davon abhängig der Ausfall des Krieges
und dann vor allem das Schicksal Deutschlands gestalten?




Gin deutsches Reichsblatt
von Staatsanwalt lNartell Spatz

in den letzten.Monaten hat, an Umfang und Inhalt sichtlich zu¬
nehmend, eine Bewegung begonnen, die für die innerpolitischen
Verhältnisse des Deutschen Reiches von großer Bedeutung zu
werden verspricht. Zahlreiche Männer von angesehener Stellung
kund politischer Erfahrung erheben und vertreten die Forderung
nach Einführung der "deutschen Bürgerkunde" in Seminaren, Fachschulen, Fort¬
bildungsschulen, Hochschulen. Schon die Jugend soll Kenntnis erhalten von den


Lili deutsches Reichsblatt

und Praktiken der alten Metternichschen Schule". So suchte er auch jetzt noch
der Entscheidung auszuweichen, sie hinzuhalten, indem er sich den Anschein gab,
als halte er alle bestehenden Differenzen nur für bedauerliche Mißverständnisse,
die sich bei den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen beider Fürstenhäuser
zweifellos und unschwer beseitigen ließen — sofern man nur nicht drängte. „Der
König, gab er zur Antwort, hege keine feindlichen Absichten gegen Preußen;
aber er müsse und wolle durchaus Herr seiner freien, souveränen Entschließungen
bleiben und daher auch rüsten können, besonders wenn ein Bundesbeschluß ihn
etwa dazu verpflichten sollte."

Nach diesen durchsichtigen Erklärungen kam Prinz Dsenburg gemäß der ihm
erteilten Instruktion aus eigner Initiative nicht wieder darauf zurück. Aber statt
seiner erschien nun der Großherzog von Oldenburg am Hoflager zu Herren¬
hausen, um, ohne widerlegt werden zu können, seinem Königlichen Herrn
Schwager „aus den Kopf zuzusagen", wie wohl er wisse, was Osterreich ihm,
dem König, als Bündnispreis auf Oldenburgs Kosten versprochen habe; „nud
Du hast zugesagt, das hätte ich von Dir nicht erwartet."

Und in weitern Widerspruch mit seinen abgegebnen beruhigenden Erklärungen
setzte sich das hannoversche Kabinett. Denn als Österreich schon am 24. Mai
den Krieg für unvermeidlich erklärte und der französische Gesandte beim Bundes¬
tage ausführte, daß Napoleon, einverstanden mit Österreichs Beschützung der
deutschen Mittelstaaten, die Zeit für diese gekommen erachtete, zu zeigen, daß sie
ihres Daseins würdig seien — da versicherte Hannover ausdrücklich seine un¬
bedingte Bundestreue. Damit hatte sich der Welfenstaat an Österreichs Seite
gestellt. So nahte der 14. Juni, der beim Bundestage in Frankfurt die endgiltige
Entscheidung bringen sollte. Eine ungeheure Spannung lastete in diesen gewitter¬
schwüler Tagen auf ganz Deutschland, es lag wie schwerer Alpdruck auf allen
Gemütern. War auch das eine gewiß, daß ein ungeheurer Kampf bevorstand,
wie aber würde sich die Parteinahme, davon abhängig der Ausfall des Krieges
und dann vor allem das Schicksal Deutschlands gestalten?




Gin deutsches Reichsblatt
von Staatsanwalt lNartell Spatz

in den letzten.Monaten hat, an Umfang und Inhalt sichtlich zu¬
nehmend, eine Bewegung begonnen, die für die innerpolitischen
Verhältnisse des Deutschen Reiches von großer Bedeutung zu
werden verspricht. Zahlreiche Männer von angesehener Stellung
kund politischer Erfahrung erheben und vertreten die Forderung
nach Einführung der „deutschen Bürgerkunde" in Seminaren, Fachschulen, Fort¬
bildungsschulen, Hochschulen. Schon die Jugend soll Kenntnis erhalten von den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313725"/>
          <fw type="header" place="top"> Lili deutsches Reichsblatt</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_46" prev="#ID_45"> und Praktiken der alten Metternichschen Schule". So suchte er auch jetzt noch<lb/>
der Entscheidung auszuweichen, sie hinzuhalten, indem er sich den Anschein gab,<lb/>
als halte er alle bestehenden Differenzen nur für bedauerliche Mißverständnisse,<lb/>
die sich bei den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen beider Fürstenhäuser<lb/>
zweifellos und unschwer beseitigen ließen &#x2014; sofern man nur nicht drängte. &#x201E;Der<lb/>
König, gab er zur Antwort, hege keine feindlichen Absichten gegen Preußen;<lb/>
aber er müsse und wolle durchaus Herr seiner freien, souveränen Entschließungen<lb/>
bleiben und daher auch rüsten können, besonders wenn ein Bundesbeschluß ihn<lb/>
etwa dazu verpflichten sollte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_47"> Nach diesen durchsichtigen Erklärungen kam Prinz Dsenburg gemäß der ihm<lb/>
erteilten Instruktion aus eigner Initiative nicht wieder darauf zurück. Aber statt<lb/>
seiner erschien nun der Großherzog von Oldenburg am Hoflager zu Herren¬<lb/>
hausen, um, ohne widerlegt werden zu können, seinem Königlichen Herrn<lb/>
Schwager &#x201E;aus den Kopf zuzusagen", wie wohl er wisse, was Osterreich ihm,<lb/>
dem König, als Bündnispreis auf Oldenburgs Kosten versprochen habe; &#x201E;nud<lb/>
Du hast zugesagt, das hätte ich von Dir nicht erwartet."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_48"> Und in weitern Widerspruch mit seinen abgegebnen beruhigenden Erklärungen<lb/>
setzte sich das hannoversche Kabinett. Denn als Österreich schon am 24. Mai<lb/>
den Krieg für unvermeidlich erklärte und der französische Gesandte beim Bundes¬<lb/>
tage ausführte, daß Napoleon, einverstanden mit Österreichs Beschützung der<lb/>
deutschen Mittelstaaten, die Zeit für diese gekommen erachtete, zu zeigen, daß sie<lb/>
ihres Daseins würdig seien &#x2014; da versicherte Hannover ausdrücklich seine un¬<lb/>
bedingte Bundestreue. Damit hatte sich der Welfenstaat an Österreichs Seite<lb/>
gestellt. So nahte der 14. Juni, der beim Bundestage in Frankfurt die endgiltige<lb/>
Entscheidung bringen sollte. Eine ungeheure Spannung lastete in diesen gewitter¬<lb/>
schwüler Tagen auf ganz Deutschland, es lag wie schwerer Alpdruck auf allen<lb/>
Gemütern. War auch das eine gewiß, daß ein ungeheurer Kampf bevorstand,<lb/>
wie aber würde sich die Parteinahme, davon abhängig der Ausfall des Krieges<lb/>
und dann vor allem das Schicksal Deutschlands gestalten?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Gin deutsches Reichsblatt<lb/><note type="byline"> von Staatsanwalt lNartell Spatz </note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_49" next="#ID_50"> in den letzten.Monaten hat, an Umfang und Inhalt sichtlich zu¬<lb/>
nehmend, eine Bewegung begonnen, die für die innerpolitischen<lb/>
Verhältnisse des Deutschen Reiches von großer Bedeutung zu<lb/>
werden verspricht. Zahlreiche Männer von angesehener Stellung<lb/>
kund politischer Erfahrung erheben und vertreten die Forderung<lb/>
nach Einführung der &#x201E;deutschen Bürgerkunde" in Seminaren, Fachschulen, Fort¬<lb/>
bildungsschulen, Hochschulen. Schon die Jugend soll Kenntnis erhalten von den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] Lili deutsches Reichsblatt und Praktiken der alten Metternichschen Schule". So suchte er auch jetzt noch der Entscheidung auszuweichen, sie hinzuhalten, indem er sich den Anschein gab, als halte er alle bestehenden Differenzen nur für bedauerliche Mißverständnisse, die sich bei den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen beider Fürstenhäuser zweifellos und unschwer beseitigen ließen — sofern man nur nicht drängte. „Der König, gab er zur Antwort, hege keine feindlichen Absichten gegen Preußen; aber er müsse und wolle durchaus Herr seiner freien, souveränen Entschließungen bleiben und daher auch rüsten können, besonders wenn ein Bundesbeschluß ihn etwa dazu verpflichten sollte." Nach diesen durchsichtigen Erklärungen kam Prinz Dsenburg gemäß der ihm erteilten Instruktion aus eigner Initiative nicht wieder darauf zurück. Aber statt seiner erschien nun der Großherzog von Oldenburg am Hoflager zu Herren¬ hausen, um, ohne widerlegt werden zu können, seinem Königlichen Herrn Schwager „aus den Kopf zuzusagen", wie wohl er wisse, was Osterreich ihm, dem König, als Bündnispreis auf Oldenburgs Kosten versprochen habe; „nud Du hast zugesagt, das hätte ich von Dir nicht erwartet." Und in weitern Widerspruch mit seinen abgegebnen beruhigenden Erklärungen setzte sich das hannoversche Kabinett. Denn als Österreich schon am 24. Mai den Krieg für unvermeidlich erklärte und der französische Gesandte beim Bundes¬ tage ausführte, daß Napoleon, einverstanden mit Österreichs Beschützung der deutschen Mittelstaaten, die Zeit für diese gekommen erachtete, zu zeigen, daß sie ihres Daseins würdig seien — da versicherte Hannover ausdrücklich seine un¬ bedingte Bundestreue. Damit hatte sich der Welfenstaat an Österreichs Seite gestellt. So nahte der 14. Juni, der beim Bundestage in Frankfurt die endgiltige Entscheidung bringen sollte. Eine ungeheure Spannung lastete in diesen gewitter¬ schwüler Tagen auf ganz Deutschland, es lag wie schwerer Alpdruck auf allen Gemütern. War auch das eine gewiß, daß ein ungeheurer Kampf bevorstand, wie aber würde sich die Parteinahme, davon abhängig der Ausfall des Krieges und dann vor allem das Schicksal Deutschlands gestalten? Gin deutsches Reichsblatt von Staatsanwalt lNartell Spatz in den letzten.Monaten hat, an Umfang und Inhalt sichtlich zu¬ nehmend, eine Bewegung begonnen, die für die innerpolitischen Verhältnisse des Deutschen Reiches von großer Bedeutung zu werden verspricht. Zahlreiche Männer von angesehener Stellung kund politischer Erfahrung erheben und vertreten die Forderung nach Einführung der „deutschen Bürgerkunde" in Seminaren, Fachschulen, Fort¬ bildungsschulen, Hochschulen. Schon die Jugend soll Kenntnis erhalten von den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/22
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/22>, abgerufen am 30.12.2024.