Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Der rote Hahn Ida Anders palle Rosenkrantz. von veutsch von lie ein schottisch gewürfelter Schal liegt das Land da, gelbgraue Es ist um den Herbst herum. Die Luft hängt schwer und wassergesättigt über Es rollt nämlich ein Wagen den lehmigen Weg entlang, ein Wagen, der in Und man hat ja auch keine Eile. Es ist nur der Referendar vom Amtsgericht, I Der rote Hahn Ida Anders palle Rosenkrantz. von veutsch von lie ein schottisch gewürfelter Schal liegt das Land da, gelbgraue Es ist um den Herbst herum. Die Luft hängt schwer und wassergesättigt über Es rollt nämlich ein Wagen den lehmigen Weg entlang, ein Wagen, der in Und man hat ja auch keine Eile. Es ist nur der Referendar vom Amtsgericht, I <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313895"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341889_313702/figures/grenzboten_341889_313702_313895_001.jpg"/><lb/> <p xml:id="ID_752"> Der rote Hahn<note type="byline"> Ida Anders</note><note type="byline"> palle Rosenkrantz. </note> von veutsch von<lb/> Erstes Kapitel. Myggefjed </p><lb/> <p xml:id="ID_753"> lie ein schottisch gewürfelter Schal liegt das Land da, gelbgraue<lb/> Chausseen zwischen breiten, schwarzen Gräben, gegen die Felder hin<lb/> abgegrenzt von gestochenen braunen Weidenhecken, die wie ein<lb/> natürlicher Zaun zwischen niedrigen, knorrigen Weiden stehen, deren<lb/> gespreizte mattgrüne Kronen sich tief zur Chaussee hinüberneigen.<lb/> > Quadrat bei Quadrat dieselben Weidenhecken und kleine abgezäunte<lb/> Felder, dieselben borstigen Weidenbäume zwischen den Feldern. Viereck bei Viereck<lb/> über dem weiten, flachen Lande. Und hier und da ein Hof und ein Haus mit moos-<lb/> bewachsnem, dunkelgrünem Strohdach und schiefen, niedrigen und weißen Scheunen.</p><lb/> <p xml:id="ID_754"> Es ist um den Herbst herum. Die Luft hängt schwer und wassergesättigt über<lb/> dem Lande. Ein leichtes Lüftchen trägt stoßweise die Meeresbrise von der Ostsee<lb/> her über die feuchten Felder und zaust flüchtig an den struppigen Weidenwipfeln.<lb/> Im übrigen ist alles miteinander so schwer und grau, so lehmig und naß. Es ist,<lb/> als drücke sich der Lehm des Chausseebodens um die Wagenräder zusammen, während<lb/> die Pferde schwitzen und dampfen, um das Gefährt dahin zu ziehen. Und die Kronen<lb/> der Weiden sträuben sich wie die Haare des „Struwwelpeters", des Knaben, der<lb/> sich nicht kämmen lassen will. Es geht zu wie in einem Zauberwalde, wo sich die<lb/> knorrigen Äste nach dem Wagen ausstrecken.</p><lb/> <p xml:id="ID_755"> Es rollt nämlich ein Wagen den lehmigen Weg entlang, ein Wagen, der in<lb/> Felgen und Kasten kracht, der mit seinen halbverrosteten Federn auf die verstreuten<lb/> zufälligen Meilensteine aufstößt, die in Lehm und Straßenschmutz zwischen Weiden<lb/> und Hecken liegen. Es geht so langsam vorwärts, und man merkt nicht, daß es<lb/> vorwärts geht, denn die Landschaft wechselt nicht; es bleiben dieselben Hecken, dieselben<lb/> Weiden, dieselben schlammigen Hofräume und dieselben schiefen Gebäude.</p><lb/> <p xml:id="ID_756" next="#ID_757"> Und man hat ja auch keine Eile. Es ist nur der Referendar vom Amtsgericht,<lb/> der auf dem Viehlande umherfährt, um Steuerpfändungen vorzunehmen. Von alters her<lb/> war es hier in der Gegend Sitte, daß die guten Leute nie ihre Steuern pünktlich<lb/> bezahlten. Der Amtsrichter war auf Prozente angewiesen, und die Pfändungsgebühr<lb/> ging in seine eigne Tasche. Es kamen nur ein paar Schillinge, höchstens eine Mark<lb/> auf jeden, aber die Gegend war gut bevölkert, und es summierte sich. Und die<lb/> Amtsrichter in den guten alten Zeiten verstanden es so gut wie die Priester, den<lb/> Scheffel zu füllen. Der alte Justizrat, der letzte auf Prozente angewiesne Beamte<lb/> jener Gegend, hatte die Angewohnheit, die Bewohner des Viehlandes nach Hause<lb/> zu jagen, wenn sie ins Amtszimmer kamen, um ihre Steuern zu bezahlen. Sie<lb/> sollten ihn nicht um seine gesetzlichen Einnahmen prellen, und sie mußten hübsch nach<lb/> Hause gehen, bis der Tag kam, wo der alte Wagen durch den Straßenschmutz auf<lb/> das Viehland gerollt kam, weil gepfändet werden sollte. Es kostete die vorgeschriebne<lb/> Mark, aber eine Hand wäscht die andre, und so drückte der Justizrat bei ihren</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> I</head><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
[Abbildung]
Der rote Hahn Ida Anders palle Rosenkrantz. von veutsch von
Erstes Kapitel. Myggefjed
lie ein schottisch gewürfelter Schal liegt das Land da, gelbgraue
Chausseen zwischen breiten, schwarzen Gräben, gegen die Felder hin
abgegrenzt von gestochenen braunen Weidenhecken, die wie ein
natürlicher Zaun zwischen niedrigen, knorrigen Weiden stehen, deren
gespreizte mattgrüne Kronen sich tief zur Chaussee hinüberneigen.
> Quadrat bei Quadrat dieselben Weidenhecken und kleine abgezäunte
Felder, dieselben borstigen Weidenbäume zwischen den Feldern. Viereck bei Viereck
über dem weiten, flachen Lande. Und hier und da ein Hof und ein Haus mit moos-
bewachsnem, dunkelgrünem Strohdach und schiefen, niedrigen und weißen Scheunen.
Es ist um den Herbst herum. Die Luft hängt schwer und wassergesättigt über
dem Lande. Ein leichtes Lüftchen trägt stoßweise die Meeresbrise von der Ostsee
her über die feuchten Felder und zaust flüchtig an den struppigen Weidenwipfeln.
Im übrigen ist alles miteinander so schwer und grau, so lehmig und naß. Es ist,
als drücke sich der Lehm des Chausseebodens um die Wagenräder zusammen, während
die Pferde schwitzen und dampfen, um das Gefährt dahin zu ziehen. Und die Kronen
der Weiden sträuben sich wie die Haare des „Struwwelpeters", des Knaben, der
sich nicht kämmen lassen will. Es geht zu wie in einem Zauberwalde, wo sich die
knorrigen Äste nach dem Wagen ausstrecken.
Es rollt nämlich ein Wagen den lehmigen Weg entlang, ein Wagen, der in
Felgen und Kasten kracht, der mit seinen halbverrosteten Federn auf die verstreuten
zufälligen Meilensteine aufstößt, die in Lehm und Straßenschmutz zwischen Weiden
und Hecken liegen. Es geht so langsam vorwärts, und man merkt nicht, daß es
vorwärts geht, denn die Landschaft wechselt nicht; es bleiben dieselben Hecken, dieselben
Weiden, dieselben schlammigen Hofräume und dieselben schiefen Gebäude.
Und man hat ja auch keine Eile. Es ist nur der Referendar vom Amtsgericht,
der auf dem Viehlande umherfährt, um Steuerpfändungen vorzunehmen. Von alters her
war es hier in der Gegend Sitte, daß die guten Leute nie ihre Steuern pünktlich
bezahlten. Der Amtsrichter war auf Prozente angewiesen, und die Pfändungsgebühr
ging in seine eigne Tasche. Es kamen nur ein paar Schillinge, höchstens eine Mark
auf jeden, aber die Gegend war gut bevölkert, und es summierte sich. Und die
Amtsrichter in den guten alten Zeiten verstanden es so gut wie die Priester, den
Scheffel zu füllen. Der alte Justizrat, der letzte auf Prozente angewiesne Beamte
jener Gegend, hatte die Angewohnheit, die Bewohner des Viehlandes nach Hause
zu jagen, wenn sie ins Amtszimmer kamen, um ihre Steuern zu bezahlen. Sie
sollten ihn nicht um seine gesetzlichen Einnahmen prellen, und sie mußten hübsch nach
Hause gehen, bis der Tag kam, wo der alte Wagen durch den Straßenschmutz auf
das Viehland gerollt kam, weil gepfändet werden sollte. Es kostete die vorgeschriebne
Mark, aber eine Hand wäscht die andre, und so drückte der Justizrat bei ihren
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