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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Vie Fahrkartensteuer und ihre Reform

es klüger ist, sich mit ihm zu vereinigen, um mit ihm gemeinsam zu herrschen.
Aus diesem Bunde heraus wächst die englisch-holländische, die holländisch-englische
Afrikanernation mit deutschem Einschlag. Weder englisch noch holländisch noch
gar deutsch wird das junge Staatswesen sein, sondern eben afrikanisch. Aus dem
Bunde heraus ist der Einheitsgedanke gekommen, und der wird im Einheits¬
staat oder im Bundesstaat nach einem, längstens nach zwei Jahren praktische
Gestalt gewonnen haben.

Wir Deutschen freuen uns an allem Werdenden; wir, die wir so hart
um eine Wiedergeburt selbst gerungen haben, gönnen sie besonders den so sehr
von uns mißverstandnen Buren, für die wir ohne Rücksicht auf unsern poli¬
tischen Nutzen viel Empfindung verschwendet haben. Wir bewundern die fast
übermenschliche Realitätspolitik ihrer Juugmannschaften, weil ein so kühles,
kluges und verbissenes Niederkämpfen aller und jeder Sentimentalität nach
einem Kriege uns Träumern unmöglich wäre.

Doch solche törichte Träumer sind wir nicht, daß wir dächten, diese in
der Bildung begriffnen "Vereinigten Staaten" da unten würden uns Deutschen
freundlich sein. Um Engländer und Buren abzuschrecken, hat es nicht des
Kaisergesprächs bedurft, worin versichert wird, daß die Majorität des deutschen
Volkes England feindlich sei, und daß der Herrscher einen Kriegsplan gegen
die Buren selbst entworfen habe. Die praktischen Gründe für die Abneigung
gegen Deutschland sind weniger zufällig.

^trio" lor elle ^triog-riäers ist ein alter Schlachtruf. Ist der Einheits¬
staat erst gebildet, dann wird er Deutschland und Portugal stark in die
Ohren klingen. Weder die holländischen Afrikcmder noch die englischen Afrikaner
sahen Deutschland freudig in Südwestafrika erscheinen, und bevor die Eng¬
länder den Union Jack über den "Vereinigten Staaten von Südafrika" ein¬
holen lassen, werden sie nachhaltigst versuchen, dem neuen südafrikanischen
Patriotismus eine ihnen erfreuliche und "englische" Wendung zu geben Sie
.
Hans Grimm haben ganz recht, jeder hat von seinem Standpunkt recht.




Die Fahrkartensteuer und ihre Reform

!ur Neichsfinanzreform des neuen Herrn Staatssekretärs des
Reichsschatzamtes gehört auch die Abschaffung der Fahrkarten¬
steuer. Wennschon die Aufhebung einer bestehenden Steuer eine
ganz ungewöhnliche Maßnahme an und für sich ist, so wird sie
I fast unverständlich bei einer so ungünstigen Finanzlage, in der
sich das Reich und mit ihm die Bundesstaaten befinden, und bei dem Wider¬
willen der einzelnen Interessenten beim Vorschlag einer neuen Steuer. Es sei


Grenzboten I 1909 44
Vie Fahrkartensteuer und ihre Reform

es klüger ist, sich mit ihm zu vereinigen, um mit ihm gemeinsam zu herrschen.
Aus diesem Bunde heraus wächst die englisch-holländische, die holländisch-englische
Afrikanernation mit deutschem Einschlag. Weder englisch noch holländisch noch
gar deutsch wird das junge Staatswesen sein, sondern eben afrikanisch. Aus dem
Bunde heraus ist der Einheitsgedanke gekommen, und der wird im Einheits¬
staat oder im Bundesstaat nach einem, längstens nach zwei Jahren praktische
Gestalt gewonnen haben.

Wir Deutschen freuen uns an allem Werdenden; wir, die wir so hart
um eine Wiedergeburt selbst gerungen haben, gönnen sie besonders den so sehr
von uns mißverstandnen Buren, für die wir ohne Rücksicht auf unsern poli¬
tischen Nutzen viel Empfindung verschwendet haben. Wir bewundern die fast
übermenschliche Realitätspolitik ihrer Juugmannschaften, weil ein so kühles,
kluges und verbissenes Niederkämpfen aller und jeder Sentimentalität nach
einem Kriege uns Träumern unmöglich wäre.

Doch solche törichte Träumer sind wir nicht, daß wir dächten, diese in
der Bildung begriffnen „Vereinigten Staaten" da unten würden uns Deutschen
freundlich sein. Um Engländer und Buren abzuschrecken, hat es nicht des
Kaisergesprächs bedurft, worin versichert wird, daß die Majorität des deutschen
Volkes England feindlich sei, und daß der Herrscher einen Kriegsplan gegen
die Buren selbst entworfen habe. Die praktischen Gründe für die Abneigung
gegen Deutschland sind weniger zufällig.

^trio» lor elle ^triog-riäers ist ein alter Schlachtruf. Ist der Einheits¬
staat erst gebildet, dann wird er Deutschland und Portugal stark in die
Ohren klingen. Weder die holländischen Afrikcmder noch die englischen Afrikaner
sahen Deutschland freudig in Südwestafrika erscheinen, und bevor die Eng¬
länder den Union Jack über den „Vereinigten Staaten von Südafrika" ein¬
holen lassen, werden sie nachhaltigst versuchen, dem neuen südafrikanischen
Patriotismus eine ihnen erfreuliche und „englische" Wendung zu geben Sie
.
Hans Grimm haben ganz recht, jeder hat von seinem Standpunkt recht.




Die Fahrkartensteuer und ihre Reform

!ur Neichsfinanzreform des neuen Herrn Staatssekretärs des
Reichsschatzamtes gehört auch die Abschaffung der Fahrkarten¬
steuer. Wennschon die Aufhebung einer bestehenden Steuer eine
ganz ungewöhnliche Maßnahme an und für sich ist, so wird sie
I fast unverständlich bei einer so ungünstigen Finanzlage, in der
sich das Reich und mit ihm die Bundesstaaten befinden, und bei dem Wider¬
willen der einzelnen Interessenten beim Vorschlag einer neuen Steuer. Es sei


Grenzboten I 1909 44
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[0341] Vie Fahrkartensteuer und ihre Reform es klüger ist, sich mit ihm zu vereinigen, um mit ihm gemeinsam zu herrschen. Aus diesem Bunde heraus wächst die englisch-holländische, die holländisch-englische Afrikanernation mit deutschem Einschlag. Weder englisch noch holländisch noch gar deutsch wird das junge Staatswesen sein, sondern eben afrikanisch. Aus dem Bunde heraus ist der Einheitsgedanke gekommen, und der wird im Einheits¬ staat oder im Bundesstaat nach einem, längstens nach zwei Jahren praktische Gestalt gewonnen haben. Wir Deutschen freuen uns an allem Werdenden; wir, die wir so hart um eine Wiedergeburt selbst gerungen haben, gönnen sie besonders den so sehr von uns mißverstandnen Buren, für die wir ohne Rücksicht auf unsern poli¬ tischen Nutzen viel Empfindung verschwendet haben. Wir bewundern die fast übermenschliche Realitätspolitik ihrer Juugmannschaften, weil ein so kühles, kluges und verbissenes Niederkämpfen aller und jeder Sentimentalität nach einem Kriege uns Träumern unmöglich wäre. Doch solche törichte Träumer sind wir nicht, daß wir dächten, diese in der Bildung begriffnen „Vereinigten Staaten" da unten würden uns Deutschen freundlich sein. Um Engländer und Buren abzuschrecken, hat es nicht des Kaisergesprächs bedurft, worin versichert wird, daß die Majorität des deutschen Volkes England feindlich sei, und daß der Herrscher einen Kriegsplan gegen die Buren selbst entworfen habe. Die praktischen Gründe für die Abneigung gegen Deutschland sind weniger zufällig. ^trio» lor elle ^triog-riäers ist ein alter Schlachtruf. Ist der Einheits¬ staat erst gebildet, dann wird er Deutschland und Portugal stark in die Ohren klingen. Weder die holländischen Afrikcmder noch die englischen Afrikaner sahen Deutschland freudig in Südwestafrika erscheinen, und bevor die Eng¬ länder den Union Jack über den „Vereinigten Staaten von Südafrika" ein¬ holen lassen, werden sie nachhaltigst versuchen, dem neuen südafrikanischen Patriotismus eine ihnen erfreuliche und „englische" Wendung zu geben Sie . Hans Grimm haben ganz recht, jeder hat von seinem Standpunkt recht. Die Fahrkartensteuer und ihre Reform !ur Neichsfinanzreform des neuen Herrn Staatssekretärs des Reichsschatzamtes gehört auch die Abschaffung der Fahrkarten¬ steuer. Wennschon die Aufhebung einer bestehenden Steuer eine ganz ungewöhnliche Maßnahme an und für sich ist, so wird sie I fast unverständlich bei einer so ungünstigen Finanzlage, in der sich das Reich und mit ihm die Bundesstaaten befinden, und bei dem Wider¬ willen der einzelnen Interessenten beim Vorschlag einer neuen Steuer. Es sei Grenzboten I 1909 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/341>, abgerufen am 22.07.2024.