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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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U)as können wir von Japan lernen?

Schließlich bleibt die Befürchtung, daß der Arbeiter beim Fallen der Kurse
auch einmal Verluste erleiden könnte. Aber sorgen wir dafür, daß wir in Zu¬
kunft nie mehr Anleihen auf den Markt bringen, als darauf zu normalen Preisen
untergebracht werden können, so ist die Gefahr eine ganz geringfügige. Sollten
einmal infolge eines Krieges unsre Anleihen einen vorübergehenden Kurssturz
erfahren, nun so hegen wir alle die Zuversicht, daß das mächtige Deutsche Reich
die schweren Zeiten auch überstehn wird. Je besser wir aber in Friedenszeiten
für unsre Finanzen gesorgt haben werden, um so weniger werden unsre öffent¬
lichen Anleihen durch die Kriegswirren in Mitleidenschaft gezogen werden.




lvas können wir von Japan lernen?
Hauptmann rv. Scheibert von

MMem Kriege zwischen Rußland und Japan haben alle modernen
Armeen die größte Aufmerksamkeit geschenkt, die fähigsten Offiziere
wurden entsandt und haben mit der größten Aufmerksamkeit
Soldaten und Kriegführung beobachtet und geschildert. Es boten
sich Studien unter ganz neuen Verhältnissen: ein vom gewohnten
gänzlich verschiedner Kriegsschauplatz, dessen Gelände nach Materie, Form,
Bebauung und Bevölkerung völlig vom bisher üblichen abwich; ein Klima mit
unerhört springenden Temperaturwechsel, dazu das eine Heer mit der Basis
angewiesen auf einen schmalen eben vollendeten Schienenstrang, der Wochen¬
reisen lang durch die Steppen und über den zugefrornen Baikalsee führte, das
andre Heer lediglich auf seine noch unerprobte Flotte. Alles dieses waren
Sachen, die den Reiz des völlig Neuen boten. Aber nichts hat in dem Feldzuge
den Kriegshistoriker so interessieren können als die hervorragende Tüchtig¬
keit des japanischen Soldaten. Nur er hat den Feldzug für Japan
gewonnen. Nicht die japanische Taktik, wenn sie sich auch gewandt den örtlichen
Verhältnissen anpaßte, denn in den größern Verhältnissen hat sie auch grobe
Fehler zu verzeichnen; nicht die Strategie, denn sie erhebt sich nirgends über
das Mittelmäßige und zeigt nirgends auch nur einen Anflug von Kühnheit
oder Genialität. Lediglich der japanische Soldat ist es, dessen Leistung
sowohl in geistiger wie auch in körperlicher, vor allem aber in moralischer
Beziehung imponiert. Das Zünglein der Siegeswage stand oft lange in der
Schwebe, und nur die todesverachtende Aufopferung, die der japanische Soldat
beim entscheidenden Augenblick in die Wagschale zu werfen vermochte, ließ diese
zu Japans Gunsten niedersinken.

Ist es nun die Erziehung und die Ausbildung des japanischen Offiziers,
die solche Früchte trug, oder sind andre Ursachen vorhanden, die zu diesen


U)as können wir von Japan lernen?

Schließlich bleibt die Befürchtung, daß der Arbeiter beim Fallen der Kurse
auch einmal Verluste erleiden könnte. Aber sorgen wir dafür, daß wir in Zu¬
kunft nie mehr Anleihen auf den Markt bringen, als darauf zu normalen Preisen
untergebracht werden können, so ist die Gefahr eine ganz geringfügige. Sollten
einmal infolge eines Krieges unsre Anleihen einen vorübergehenden Kurssturz
erfahren, nun so hegen wir alle die Zuversicht, daß das mächtige Deutsche Reich
die schweren Zeiten auch überstehn wird. Je besser wir aber in Friedenszeiten
für unsre Finanzen gesorgt haben werden, um so weniger werden unsre öffent¬
lichen Anleihen durch die Kriegswirren in Mitleidenschaft gezogen werden.




lvas können wir von Japan lernen?
Hauptmann rv. Scheibert von

MMem Kriege zwischen Rußland und Japan haben alle modernen
Armeen die größte Aufmerksamkeit geschenkt, die fähigsten Offiziere
wurden entsandt und haben mit der größten Aufmerksamkeit
Soldaten und Kriegführung beobachtet und geschildert. Es boten
sich Studien unter ganz neuen Verhältnissen: ein vom gewohnten
gänzlich verschiedner Kriegsschauplatz, dessen Gelände nach Materie, Form,
Bebauung und Bevölkerung völlig vom bisher üblichen abwich; ein Klima mit
unerhört springenden Temperaturwechsel, dazu das eine Heer mit der Basis
angewiesen auf einen schmalen eben vollendeten Schienenstrang, der Wochen¬
reisen lang durch die Steppen und über den zugefrornen Baikalsee führte, das
andre Heer lediglich auf seine noch unerprobte Flotte. Alles dieses waren
Sachen, die den Reiz des völlig Neuen boten. Aber nichts hat in dem Feldzuge
den Kriegshistoriker so interessieren können als die hervorragende Tüchtig¬
keit des japanischen Soldaten. Nur er hat den Feldzug für Japan
gewonnen. Nicht die japanische Taktik, wenn sie sich auch gewandt den örtlichen
Verhältnissen anpaßte, denn in den größern Verhältnissen hat sie auch grobe
Fehler zu verzeichnen; nicht die Strategie, denn sie erhebt sich nirgends über
das Mittelmäßige und zeigt nirgends auch nur einen Anflug von Kühnheit
oder Genialität. Lediglich der japanische Soldat ist es, dessen Leistung
sowohl in geistiger wie auch in körperlicher, vor allem aber in moralischer
Beziehung imponiert. Das Zünglein der Siegeswage stand oft lange in der
Schwebe, und nur die todesverachtende Aufopferung, die der japanische Soldat
beim entscheidenden Augenblick in die Wagschale zu werfen vermochte, ließ diese
zu Japans Gunsten niedersinken.

Ist es nun die Erziehung und die Ausbildung des japanischen Offiziers,
die solche Früchte trug, oder sind andre Ursachen vorhanden, die zu diesen


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[0029] U)as können wir von Japan lernen? Schließlich bleibt die Befürchtung, daß der Arbeiter beim Fallen der Kurse auch einmal Verluste erleiden könnte. Aber sorgen wir dafür, daß wir in Zu¬ kunft nie mehr Anleihen auf den Markt bringen, als darauf zu normalen Preisen untergebracht werden können, so ist die Gefahr eine ganz geringfügige. Sollten einmal infolge eines Krieges unsre Anleihen einen vorübergehenden Kurssturz erfahren, nun so hegen wir alle die Zuversicht, daß das mächtige Deutsche Reich die schweren Zeiten auch überstehn wird. Je besser wir aber in Friedenszeiten für unsre Finanzen gesorgt haben werden, um so weniger werden unsre öffent¬ lichen Anleihen durch die Kriegswirren in Mitleidenschaft gezogen werden. lvas können wir von Japan lernen? Hauptmann rv. Scheibert von MMem Kriege zwischen Rußland und Japan haben alle modernen Armeen die größte Aufmerksamkeit geschenkt, die fähigsten Offiziere wurden entsandt und haben mit der größten Aufmerksamkeit Soldaten und Kriegführung beobachtet und geschildert. Es boten sich Studien unter ganz neuen Verhältnissen: ein vom gewohnten gänzlich verschiedner Kriegsschauplatz, dessen Gelände nach Materie, Form, Bebauung und Bevölkerung völlig vom bisher üblichen abwich; ein Klima mit unerhört springenden Temperaturwechsel, dazu das eine Heer mit der Basis angewiesen auf einen schmalen eben vollendeten Schienenstrang, der Wochen¬ reisen lang durch die Steppen und über den zugefrornen Baikalsee führte, das andre Heer lediglich auf seine noch unerprobte Flotte. Alles dieses waren Sachen, die den Reiz des völlig Neuen boten. Aber nichts hat in dem Feldzuge den Kriegshistoriker so interessieren können als die hervorragende Tüchtig¬ keit des japanischen Soldaten. Nur er hat den Feldzug für Japan gewonnen. Nicht die japanische Taktik, wenn sie sich auch gewandt den örtlichen Verhältnissen anpaßte, denn in den größern Verhältnissen hat sie auch grobe Fehler zu verzeichnen; nicht die Strategie, denn sie erhebt sich nirgends über das Mittelmäßige und zeigt nirgends auch nur einen Anflug von Kühnheit oder Genialität. Lediglich der japanische Soldat ist es, dessen Leistung sowohl in geistiger wie auch in körperlicher, vor allem aber in moralischer Beziehung imponiert. Das Zünglein der Siegeswage stand oft lange in der Schwebe, und nur die todesverachtende Aufopferung, die der japanische Soldat beim entscheidenden Augenblick in die Wagschale zu werfen vermochte, ließ diese zu Japans Gunsten niedersinken. Ist es nun die Erziehung und die Ausbildung des japanischen Offiziers, die solche Früchte trug, oder sind andre Ursachen vorhanden, die zu diesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/29>, abgerufen am 22.07.2024.