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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Bertha von Büttner

!it ihrem neuesten foliantenhciften Buches beweist die bedeutende
Frau die uneigennützige Ehrlichkeit ihres Strebens. Es ist
nämlich, vom Standpunkte der buchhündlerischen Spekulation
betrachtet, verfehlt, weil es in die Biographie die aus Kongreß-
Berichten und unzähligen Briefen bestehende aktemnäßige Dar¬
stellung ihrer Friedensagitation verwebt. Daß eine solche Darstellung beim
Publikum wenig Anklang finden wird, vermutet sie selbst nach der Erfahrung,
die sie mit ihrem auf der ersten Haager Konferenz geführten Tagebuche ge¬
macht hat, und daß dieses Monstrum von Buch eigentlich keine Biographie
mehr ist, gesteht sie ausdrücklich zu, aber diese Agitation sei nun einmal der
wichtigste Inhalt ihres Lebens. Mit dem im engern Sinne biographischen
würde sie bei ihrem Weltruf einen großartigen Erfolg gehabt haben, denn
es ist im höchsten Grade interessant; das Buch würde ja auch nur etwa ein
Viertel seines jetzigen Umfangs erreicht haben und dementsprechend wohlfeiler
sein. Die Akten der Friedensgesellschaft konnten für die Interessenten ge¬
sondert herausgegeben werden. Bertha ist die posthume Tochter eines wenig
begüterten Grafen Kinsky. Ihre Mutter und deren Schwester suchten ihr
Einkommen -- natürlich vergebens -- durch vorsichtiges, "wissenschaftliches"
Hasardieren zu erhöhen und nahmen Bertha mit in die Bäder, die sie zu
diesem Zweck aufsuchten. Da sie dadurch ihre Lage verschlimmerten, sollte sich
Bertha, der von vielen Seiten beteuert wurde, sie werde die Malibran und
die Sonntag übertreffen, der Opernbühne widmen; allein Frau Viardot er¬
klärte nach einer Probe: "Sie können gar nichts"; Stimme sei ja da, doch
es sei zu spät (Bertha war damals zwanzig Jahre), ganz von vorn anzufangen.
Duprez in Paris war weniger schroff, aber in dem Kursus, den sie bei ihm
durchmachte, überzeugte sie sich, daß die Viardot recht gehabt hatte. Auf diesen
Reisen hat sie viele interessante Bekanntschaften und mit ihrer Schönheit auch
Eroberungen gemacht; die großartigste war -- Kaiser Wilhelm, dem sie im
Herbst 1868 in Baden-Baden gegenüberwohnte. Er promenierte öfter mit
ihr, und als sie ihn um seine Photographie bat, forderte er die ihre. Mit



') Memoiren von Bertha von Suttner. Mit drei Bildnissen der Verfasserin. Stuttgart
und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt, 1909.


Bertha von Büttner

!it ihrem neuesten foliantenhciften Buches beweist die bedeutende
Frau die uneigennützige Ehrlichkeit ihres Strebens. Es ist
nämlich, vom Standpunkte der buchhündlerischen Spekulation
betrachtet, verfehlt, weil es in die Biographie die aus Kongreß-
Berichten und unzähligen Briefen bestehende aktemnäßige Dar¬
stellung ihrer Friedensagitation verwebt. Daß eine solche Darstellung beim
Publikum wenig Anklang finden wird, vermutet sie selbst nach der Erfahrung,
die sie mit ihrem auf der ersten Haager Konferenz geführten Tagebuche ge¬
macht hat, und daß dieses Monstrum von Buch eigentlich keine Biographie
mehr ist, gesteht sie ausdrücklich zu, aber diese Agitation sei nun einmal der
wichtigste Inhalt ihres Lebens. Mit dem im engern Sinne biographischen
würde sie bei ihrem Weltruf einen großartigen Erfolg gehabt haben, denn
es ist im höchsten Grade interessant; das Buch würde ja auch nur etwa ein
Viertel seines jetzigen Umfangs erreicht haben und dementsprechend wohlfeiler
sein. Die Akten der Friedensgesellschaft konnten für die Interessenten ge¬
sondert herausgegeben werden. Bertha ist die posthume Tochter eines wenig
begüterten Grafen Kinsky. Ihre Mutter und deren Schwester suchten ihr
Einkommen — natürlich vergebens — durch vorsichtiges, „wissenschaftliches"
Hasardieren zu erhöhen und nahmen Bertha mit in die Bäder, die sie zu
diesem Zweck aufsuchten. Da sie dadurch ihre Lage verschlimmerten, sollte sich
Bertha, der von vielen Seiten beteuert wurde, sie werde die Malibran und
die Sonntag übertreffen, der Opernbühne widmen; allein Frau Viardot er¬
klärte nach einer Probe: „Sie können gar nichts"; Stimme sei ja da, doch
es sei zu spät (Bertha war damals zwanzig Jahre), ganz von vorn anzufangen.
Duprez in Paris war weniger schroff, aber in dem Kursus, den sie bei ihm
durchmachte, überzeugte sie sich, daß die Viardot recht gehabt hatte. Auf diesen
Reisen hat sie viele interessante Bekanntschaften und mit ihrer Schönheit auch
Eroberungen gemacht; die großartigste war — Kaiser Wilhelm, dem sie im
Herbst 1868 in Baden-Baden gegenüberwohnte. Er promenierte öfter mit
ihr, und als sie ihn um seine Photographie bat, forderte er die ihre. Mit



') Memoiren von Bertha von Suttner. Mit drei Bildnissen der Verfasserin. Stuttgart
und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt, 1909.
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[0147] [Abbildung] Bertha von Büttner !it ihrem neuesten foliantenhciften Buches beweist die bedeutende Frau die uneigennützige Ehrlichkeit ihres Strebens. Es ist nämlich, vom Standpunkte der buchhündlerischen Spekulation betrachtet, verfehlt, weil es in die Biographie die aus Kongreß- Berichten und unzähligen Briefen bestehende aktemnäßige Dar¬ stellung ihrer Friedensagitation verwebt. Daß eine solche Darstellung beim Publikum wenig Anklang finden wird, vermutet sie selbst nach der Erfahrung, die sie mit ihrem auf der ersten Haager Konferenz geführten Tagebuche ge¬ macht hat, und daß dieses Monstrum von Buch eigentlich keine Biographie mehr ist, gesteht sie ausdrücklich zu, aber diese Agitation sei nun einmal der wichtigste Inhalt ihres Lebens. Mit dem im engern Sinne biographischen würde sie bei ihrem Weltruf einen großartigen Erfolg gehabt haben, denn es ist im höchsten Grade interessant; das Buch würde ja auch nur etwa ein Viertel seines jetzigen Umfangs erreicht haben und dementsprechend wohlfeiler sein. Die Akten der Friedensgesellschaft konnten für die Interessenten ge¬ sondert herausgegeben werden. Bertha ist die posthume Tochter eines wenig begüterten Grafen Kinsky. Ihre Mutter und deren Schwester suchten ihr Einkommen — natürlich vergebens — durch vorsichtiges, „wissenschaftliches" Hasardieren zu erhöhen und nahmen Bertha mit in die Bäder, die sie zu diesem Zweck aufsuchten. Da sie dadurch ihre Lage verschlimmerten, sollte sich Bertha, der von vielen Seiten beteuert wurde, sie werde die Malibran und die Sonntag übertreffen, der Opernbühne widmen; allein Frau Viardot er¬ klärte nach einer Probe: „Sie können gar nichts"; Stimme sei ja da, doch es sei zu spät (Bertha war damals zwanzig Jahre), ganz von vorn anzufangen. Duprez in Paris war weniger schroff, aber in dem Kursus, den sie bei ihm durchmachte, überzeugte sie sich, daß die Viardot recht gehabt hatte. Auf diesen Reisen hat sie viele interessante Bekanntschaften und mit ihrer Schönheit auch Eroberungen gemacht; die großartigste war — Kaiser Wilhelm, dem sie im Herbst 1868 in Baden-Baden gegenüberwohnte. Er promenierte öfter mit ihr, und als sie ihn um seine Photographie bat, forderte er die ihre. Mit ') Memoiren von Bertha von Suttner. Mit drei Bildnissen der Verfasserin. Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt, 1909.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/147>, abgerufen am 22.07.2024.