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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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die Rede sein und mußte gefragt werden, ob nicht da gefährliche Mängel vor¬
handen seien. Nur wenn sie in dem Systeme arbeiten, die Einheitlichkeit ihres
Unterrichts nicht aus dem Auge verliere", werden die höhern Lehranstalten
etwas andres sein als Fachschulen mit vielen Fächern, werden sie die Bildung,
die wir meinen, zu geben vermögen. Dieser Einheitlichkeit muß sich vor allem
mich der biologische Unterricht einfügen; er soll nicht etwa tendenziös im Sinne
einer engen Bibelgläubigkeit erteilt werden, aber er soll auch ethisch sein, soll
Hand in Hand gehn mit dem Religionsunterrichte. Insbesondre soll dem
Schüler, der dem Gottesleugner so gern horcht, weil er die Furcht vor dem
ewigen Richter loswerden möchte, auch die strenge Moral dargelegt werden, die
sich aus der Entwicklungslehre ergibt, und die erbarmungslose Gerechtigkeit,
der gegenüber keine Reue und Buße, keine Berufung auf menschliche Schwach¬
heit Verzeihung schafft, die als Naturnotwendigkeit bis ins dritte und vierte
Glied jeden trifft, der das Streben nach höhern Stufen der Entwicklung, nach
edleren Dasein stört.

Alles in allem: wir begrüßen die Neuerung mit großer Freude, wünschen
aber dringend eine Prüfung der bestehenden Einrichtungen nach der Richtung,
ob sie zur Erfüllung der skizzierten Aufgaben geeignet sind, und eine stetige große
Sorgfalt und Aufmerksamkeit bei Durchführung der Maßregel.




Kirche und Htaat in Frankreich
Carl Ientsch von

!le Oompagniv neu Laut LiUZi'innere feste sich auch, wie schon bemerkt
wurde, die Ausrottung aller Ketzereien zur Aufgabe. Nicht den
Jesuiten, sondern ihr gebührt nach Desdevises der zweifelhafte
Ruhm, mit ihren Intrigen die Verdammung des Jcmsenismns
erreicht zu haben. Am eifrigsten wurde natürlich an der Bekehrung
der Hugenotten gearbeitet. Man veranstaltete Disputationen, zog sich aber dabei
nur Niederlagen zu, denn die Protestanten standen nicht minder fest in ihrem
Glaube" wie die Katholiken, und sie waren weder auf den Kopf noch auf den
Mund gefallen. Man suchte sie durch Bestechung zu gewinnen, richtete aber
auch damit nicht viel aus. Da verlegte man sich auf den Kinderkauf und Kinder
diebstahl und gründete Erziehuugshäuser für Hugeuottenkinder. Ob die Eltern
sie auf dem Prozeßwegc wiederbekamen, das hing im allgemeinen davon ab,
wie der Wind vom Hofe wehte. Freilich kehrten sich Intendanten, Parlamente
und Unterbehörden oft gar nicht um diesen Wind, wenn er den Hugenotten
günstig war; ans eigne Faust plagte" sie diese mit hunderterlei Vexationen,


Rirchl> und Staat in Frankreich

die Rede sein und mußte gefragt werden, ob nicht da gefährliche Mängel vor¬
handen seien. Nur wenn sie in dem Systeme arbeiten, die Einheitlichkeit ihres
Unterrichts nicht aus dem Auge verliere», werden die höhern Lehranstalten
etwas andres sein als Fachschulen mit vielen Fächern, werden sie die Bildung,
die wir meinen, zu geben vermögen. Dieser Einheitlichkeit muß sich vor allem
mich der biologische Unterricht einfügen; er soll nicht etwa tendenziös im Sinne
einer engen Bibelgläubigkeit erteilt werden, aber er soll auch ethisch sein, soll
Hand in Hand gehn mit dem Religionsunterrichte. Insbesondre soll dem
Schüler, der dem Gottesleugner so gern horcht, weil er die Furcht vor dem
ewigen Richter loswerden möchte, auch die strenge Moral dargelegt werden, die
sich aus der Entwicklungslehre ergibt, und die erbarmungslose Gerechtigkeit,
der gegenüber keine Reue und Buße, keine Berufung auf menschliche Schwach¬
heit Verzeihung schafft, die als Naturnotwendigkeit bis ins dritte und vierte
Glied jeden trifft, der das Streben nach höhern Stufen der Entwicklung, nach
edleren Dasein stört.

Alles in allem: wir begrüßen die Neuerung mit großer Freude, wünschen
aber dringend eine Prüfung der bestehenden Einrichtungen nach der Richtung,
ob sie zur Erfüllung der skizzierten Aufgaben geeignet sind, und eine stetige große
Sorgfalt und Aufmerksamkeit bei Durchführung der Maßregel.




Kirche und Htaat in Frankreich
Carl Ientsch von

!le Oompagniv neu Laut LiUZi'innere feste sich auch, wie schon bemerkt
wurde, die Ausrottung aller Ketzereien zur Aufgabe. Nicht den
Jesuiten, sondern ihr gebührt nach Desdevises der zweifelhafte
Ruhm, mit ihren Intrigen die Verdammung des Jcmsenismns
erreicht zu haben. Am eifrigsten wurde natürlich an der Bekehrung
der Hugenotten gearbeitet. Man veranstaltete Disputationen, zog sich aber dabei
nur Niederlagen zu, denn die Protestanten standen nicht minder fest in ihrem
Glaube» wie die Katholiken, und sie waren weder auf den Kopf noch auf den
Mund gefallen. Man suchte sie durch Bestechung zu gewinnen, richtete aber
auch damit nicht viel aus. Da verlegte man sich auf den Kinderkauf und Kinder
diebstahl und gründete Erziehuugshäuser für Hugeuottenkinder. Ob die Eltern
sie auf dem Prozeßwegc wiederbekamen, das hing im allgemeinen davon ab,
wie der Wind vom Hofe wehte. Freilich kehrten sich Intendanten, Parlamente
und Unterbehörden oft gar nicht um diesen Wind, wenn er den Hugenotten
günstig war; ans eigne Faust plagte» sie diese mit hunderterlei Vexationen,


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[0569] Rirchl> und Staat in Frankreich die Rede sein und mußte gefragt werden, ob nicht da gefährliche Mängel vor¬ handen seien. Nur wenn sie in dem Systeme arbeiten, die Einheitlichkeit ihres Unterrichts nicht aus dem Auge verliere», werden die höhern Lehranstalten etwas andres sein als Fachschulen mit vielen Fächern, werden sie die Bildung, die wir meinen, zu geben vermögen. Dieser Einheitlichkeit muß sich vor allem mich der biologische Unterricht einfügen; er soll nicht etwa tendenziös im Sinne einer engen Bibelgläubigkeit erteilt werden, aber er soll auch ethisch sein, soll Hand in Hand gehn mit dem Religionsunterrichte. Insbesondre soll dem Schüler, der dem Gottesleugner so gern horcht, weil er die Furcht vor dem ewigen Richter loswerden möchte, auch die strenge Moral dargelegt werden, die sich aus der Entwicklungslehre ergibt, und die erbarmungslose Gerechtigkeit, der gegenüber keine Reue und Buße, keine Berufung auf menschliche Schwach¬ heit Verzeihung schafft, die als Naturnotwendigkeit bis ins dritte und vierte Glied jeden trifft, der das Streben nach höhern Stufen der Entwicklung, nach edleren Dasein stört. Alles in allem: wir begrüßen die Neuerung mit großer Freude, wünschen aber dringend eine Prüfung der bestehenden Einrichtungen nach der Richtung, ob sie zur Erfüllung der skizzierten Aufgaben geeignet sind, und eine stetige große Sorgfalt und Aufmerksamkeit bei Durchführung der Maßregel. Kirche und Htaat in Frankreich Carl Ientsch von !le Oompagniv neu Laut LiUZi'innere feste sich auch, wie schon bemerkt wurde, die Ausrottung aller Ketzereien zur Aufgabe. Nicht den Jesuiten, sondern ihr gebührt nach Desdevises der zweifelhafte Ruhm, mit ihren Intrigen die Verdammung des Jcmsenismns erreicht zu haben. Am eifrigsten wurde natürlich an der Bekehrung der Hugenotten gearbeitet. Man veranstaltete Disputationen, zog sich aber dabei nur Niederlagen zu, denn die Protestanten standen nicht minder fest in ihrem Glaube» wie die Katholiken, und sie waren weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen. Man suchte sie durch Bestechung zu gewinnen, richtete aber auch damit nicht viel aus. Da verlegte man sich auf den Kinderkauf und Kinder diebstahl und gründete Erziehuugshäuser für Hugeuottenkinder. Ob die Eltern sie auf dem Prozeßwegc wiederbekamen, das hing im allgemeinen davon ab, wie der Wind vom Hofe wehte. Freilich kehrten sich Intendanten, Parlamente und Unterbehörden oft gar nicht um diesen Wind, wenn er den Hugenotten günstig war; ans eigne Faust plagte» sie diese mit hunderterlei Vexationen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/569>, abgerufen am 27.06.2024.