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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Marquis von Larabas

sondern um gewisse Übertreibungen richtigzustellen. Hält um, sich von diesen
fern, und vergißt man nicht, daß diese sehr dekorative, ans Schlösser und ge¬
räumige lentis berechnete Malerei unserm deutscheu, intimere Wirkungen bevor-
zugeudeu Empfinden nicht ganz entsprechend ist, so wird man mit Dankbarkeit
einer Veranstaltung gedenken, die nur dem ungewöhnlichen Entgegenkommen der
großen britischen amerikanischen und deutschen Knustsammler zu danken war,


Dr, Walter Loben


Der Marquis von (Larabas
palle Rosenkrantz Roman von
Fünftes Rapitel

(worin Kalt, um dem Beispiel seines Herrn zu folgen, ebenfalls ernstlich freien geht, und in
dem berichtet wird, wie diese Freiung -- sehr geeignet zum Vergleich -- vor sich ging)

> mes Morgens im Mai stand Kult in Fräulein Helga Anthons Zimmer.
Seine ernsthafte Stimmung ließ darauf schließen, daß er im Begriff
war, etwas bedeutendes zu vollbringen. Helga war trübselig ge¬
stimmt; seit Jörgens Abreise war sie immer leidend und bekümmert
gewesen. Die Hoffnung hatte sie nicht aufgegeben, es war ja doch
! möglich, daß er . . . sie hatten doch so viel miteinander gemeinsam.
Schließlich befand sie sich auch in einem wirklich körperlichen Unwohlsein, dessen
Ursache Kalt schon durchschaut hatte; es war etwas, das sie beide berührte und
beider Verhältnisse ändern mußte.

Kalt, der Jörgens Telegramm erhalten hatte, wußte, was es jetzt für ihn
galt. Durch den Brief hatte er den ersten Schlag getan, nun galt es, das Ende
herbeizuführen. Niemals zuvor hatte ihn Helga so finster gesehen; er war bleich,
hatte dunkle Ringe um die Angen und sah ganz gealtert aus. Sie vergaß darüber
ihr eignes Unglück und fragte ihn, was ihm fehle.

Nichts, erwiderte Kalt. Wir wollen jetzt auch nicht von mir, sondern von
Ihnen reden. Nun ist die Zeit gekommen, da Sie erfahren müssen, daß sie Pflichten
haben, Pflichten gegen Ihren Vater und Ihre Mutter, gegen . . . gegen Ihr Kind
und zuerst gegen sich selbst. Wollen Sie versprechen, mir zuzuhören?

Helga sank matt in einen Stuhl und hörte. Kalt sprach mit gedämpfter, aber
eindringlicher Stimme: Ich will nicht von Glück und Unglück reden, sagte er, aber
ich bitte Sie, mir zu glauben, daß Sie in diesem Augenblick ein sehr unglückliches,
kleines Menschenkind sind, so unglücklich, wie man nur irgend werden kann ... Es
ist vorbei . . .

Er hat. . .?

Ja, sagte Kalt, er hat Sie verlassen, er vermählt sich jetzt mit der Komtesse Mark-
dcmner; in zwei Tagen werden Sie darüber in sämtlichen Blättern lesen können.

Aber er schrieb mir doch. . .

Ich schrieb, verbesserte Kalt, und wenn ich es schrieb, so war es eben eine
Lüge. Es war schon alles im voraus bestimmt. Aber, fügte er schnell hinzu, wenn
sich Jörgen nun auch wirklich mit jener vermählt, so ist er deswegen noch lange
nicht für Sie verloren. Hören Sie, was ich jetzt sage, denn alles hängt davon


Der Marquis von Larabas

sondern um gewisse Übertreibungen richtigzustellen. Hält um, sich von diesen
fern, und vergißt man nicht, daß diese sehr dekorative, ans Schlösser und ge¬
räumige lentis berechnete Malerei unserm deutscheu, intimere Wirkungen bevor-
zugeudeu Empfinden nicht ganz entsprechend ist, so wird man mit Dankbarkeit
einer Veranstaltung gedenken, die nur dem ungewöhnlichen Entgegenkommen der
großen britischen amerikanischen und deutschen Knustsammler zu danken war,


Dr, Walter Loben


Der Marquis von (Larabas
palle Rosenkrantz Roman von
Fünftes Rapitel

(worin Kalt, um dem Beispiel seines Herrn zu folgen, ebenfalls ernstlich freien geht, und in
dem berichtet wird, wie diese Freiung — sehr geeignet zum Vergleich — vor sich ging)

> mes Morgens im Mai stand Kult in Fräulein Helga Anthons Zimmer.
Seine ernsthafte Stimmung ließ darauf schließen, daß er im Begriff
war, etwas bedeutendes zu vollbringen. Helga war trübselig ge¬
stimmt; seit Jörgens Abreise war sie immer leidend und bekümmert
gewesen. Die Hoffnung hatte sie nicht aufgegeben, es war ja doch
! möglich, daß er . . . sie hatten doch so viel miteinander gemeinsam.
Schließlich befand sie sich auch in einem wirklich körperlichen Unwohlsein, dessen
Ursache Kalt schon durchschaut hatte; es war etwas, das sie beide berührte und
beider Verhältnisse ändern mußte.

Kalt, der Jörgens Telegramm erhalten hatte, wußte, was es jetzt für ihn
galt. Durch den Brief hatte er den ersten Schlag getan, nun galt es, das Ende
herbeizuführen. Niemals zuvor hatte ihn Helga so finster gesehen; er war bleich,
hatte dunkle Ringe um die Angen und sah ganz gealtert aus. Sie vergaß darüber
ihr eignes Unglück und fragte ihn, was ihm fehle.

Nichts, erwiderte Kalt. Wir wollen jetzt auch nicht von mir, sondern von
Ihnen reden. Nun ist die Zeit gekommen, da Sie erfahren müssen, daß sie Pflichten
haben, Pflichten gegen Ihren Vater und Ihre Mutter, gegen . . . gegen Ihr Kind
und zuerst gegen sich selbst. Wollen Sie versprechen, mir zuzuhören?

Helga sank matt in einen Stuhl und hörte. Kalt sprach mit gedämpfter, aber
eindringlicher Stimme: Ich will nicht von Glück und Unglück reden, sagte er, aber
ich bitte Sie, mir zu glauben, daß Sie in diesem Augenblick ein sehr unglückliches,
kleines Menschenkind sind, so unglücklich, wie man nur irgend werden kann ... Es
ist vorbei . . .

Er hat. . .?

Ja, sagte Kalt, er hat Sie verlassen, er vermählt sich jetzt mit der Komtesse Mark-
dcmner; in zwei Tagen werden Sie darüber in sämtlichen Blättern lesen können.

Aber er schrieb mir doch. . .

Ich schrieb, verbesserte Kalt, und wenn ich es schrieb, so war es eben eine
Lüge. Es war schon alles im voraus bestimmt. Aber, fügte er schnell hinzu, wenn
sich Jörgen nun auch wirklich mit jener vermählt, so ist er deswegen noch lange
nicht für Sie verloren. Hören Sie, was ich jetzt sage, denn alles hängt davon


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[0540] Der Marquis von Larabas sondern um gewisse Übertreibungen richtigzustellen. Hält um, sich von diesen fern, und vergißt man nicht, daß diese sehr dekorative, ans Schlösser und ge¬ räumige lentis berechnete Malerei unserm deutscheu, intimere Wirkungen bevor- zugeudeu Empfinden nicht ganz entsprechend ist, so wird man mit Dankbarkeit einer Veranstaltung gedenken, die nur dem ungewöhnlichen Entgegenkommen der großen britischen amerikanischen und deutschen Knustsammler zu danken war, Dr, Walter Loben Der Marquis von (Larabas palle Rosenkrantz Roman von Fünftes Rapitel (worin Kalt, um dem Beispiel seines Herrn zu folgen, ebenfalls ernstlich freien geht, und in dem berichtet wird, wie diese Freiung — sehr geeignet zum Vergleich — vor sich ging) > mes Morgens im Mai stand Kult in Fräulein Helga Anthons Zimmer. Seine ernsthafte Stimmung ließ darauf schließen, daß er im Begriff war, etwas bedeutendes zu vollbringen. Helga war trübselig ge¬ stimmt; seit Jörgens Abreise war sie immer leidend und bekümmert gewesen. Die Hoffnung hatte sie nicht aufgegeben, es war ja doch ! möglich, daß er . . . sie hatten doch so viel miteinander gemeinsam. Schließlich befand sie sich auch in einem wirklich körperlichen Unwohlsein, dessen Ursache Kalt schon durchschaut hatte; es war etwas, das sie beide berührte und beider Verhältnisse ändern mußte. Kalt, der Jörgens Telegramm erhalten hatte, wußte, was es jetzt für ihn galt. Durch den Brief hatte er den ersten Schlag getan, nun galt es, das Ende herbeizuführen. Niemals zuvor hatte ihn Helga so finster gesehen; er war bleich, hatte dunkle Ringe um die Angen und sah ganz gealtert aus. Sie vergaß darüber ihr eignes Unglück und fragte ihn, was ihm fehle. Nichts, erwiderte Kalt. Wir wollen jetzt auch nicht von mir, sondern von Ihnen reden. Nun ist die Zeit gekommen, da Sie erfahren müssen, daß sie Pflichten haben, Pflichten gegen Ihren Vater und Ihre Mutter, gegen . . . gegen Ihr Kind und zuerst gegen sich selbst. Wollen Sie versprechen, mir zuzuhören? Helga sank matt in einen Stuhl und hörte. Kalt sprach mit gedämpfter, aber eindringlicher Stimme: Ich will nicht von Glück und Unglück reden, sagte er, aber ich bitte Sie, mir zu glauben, daß Sie in diesem Augenblick ein sehr unglückliches, kleines Menschenkind sind, so unglücklich, wie man nur irgend werden kann ... Es ist vorbei . . . Er hat. . .? Ja, sagte Kalt, er hat Sie verlassen, er vermählt sich jetzt mit der Komtesse Mark- dcmner; in zwei Tagen werden Sie darüber in sämtlichen Blättern lesen können. Aber er schrieb mir doch. . . Ich schrieb, verbesserte Kalt, und wenn ich es schrieb, so war es eben eine Lüge. Es war schon alles im voraus bestimmt. Aber, fügte er schnell hinzu, wenn sich Jörgen nun auch wirklich mit jener vermählt, so ist er deswegen noch lange nicht für Sie verloren. Hören Sie, was ich jetzt sage, denn alles hängt davon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/540>, abgerufen am 27.06.2024.