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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Marquis von o^arabas

Innenraums bildet einen Rundbau, von hoher Kuppel überragt, mit köstlichen
Glcisgeinälden von Theodor de Holland" ausgestattet sowie dnrch plastische
Kunstwerte von Martin de Aranda, Gemälde von Bocanegra und Skulpturen
vou Alonso Cano geschmückt. Dieser vielseitige Künstler, ein Freund des
Velasqnez, Baumeister, Maler und Bildhauer zugleich, ist sechzehn Jahre im
Dienst der Kathedrale tätig gewesen. Er flüchtete nach einem abenteuerlichen
Leben in deren Frieden und schuf seiue Meisterwerke im "Obradvr", einer Zelle
im ersten Stock des Nordturms.

Die Sakristei birgt die Grabmonumente Ferdinands und Jsabellas sowie
die ihrer Tochter, Johannas der Wahnsinnigen und Philipps des Schönen, die
letzten von dem Spanier Ordonez. die ersten von dem Florentiner Fancelli, im
edelsten Renaissancestil ausgeführt. Inschriften auf den Sarkophagen bekunden
in pomphaften Worten das Verdienst des Herrscherpaares, die Ungläubigen in
ihrem eroberten Lande ausgerottet zu haben. Wir können es, indem wir die
edeln Gesichtszüge Jsabellas, dieser mit den glänzendsten Herrschereigenschaften
ausgestatteten Fürstin, betrachten, nicht fassen, daß unter dieser Stirn die
Gedanken an die Einsetzung der Inquisition, die Vertreibung der Juden, die
Verfolgung der Mauren und die damit verbundnen, in blindem religiösem
Wahn begangnen fluchwürdigen Handlungen reiften, die einen Ricsenschatten
über die Gestalt der Herrscherin breiten und sogar den Ruhm verdunkeln, den
sie an der Endeckung der Neuen Welt hatte, indem sie des Kolumbus Pläne
förderte.

Ein Denkmal zur Erinnerung daran, erst 1892 von Marianno Benliure
geschaffen, schmückt die Alameda, eine Promenade der eleganten Welt Granadas.
Hier und über dem angrenzenden Pasco del Salon und dem Pasco de la
Vomba am Ufer des Genil ist ein reiches Füllhorn granadischer Blütenpracht
ausgeschüttet; saftiger Rasen, der durch Fontänen und Brunnen getränkt wird,
zieht sich, von Alleen begleitet, bis zur hochgelegnen Brücke, die bei der
Okkupation der Franzosen von dem General Sebastiani genommen wurde.
Im Hintergrunde schaut die Sierra Nevada auf das bunte Treiben der Gegen¬
wart hinunter, wirft abends noch lange einen verklärenden Schein in die
Ebene und läßt bis zuletzt ihr Silberdiadem aufstrahlen, dessen Glanz noch
lange in der Seele dessen, der aus weiter Ferne kam, um ihn zu schauen, nach¬
leuchten wird.




Der Marquis von (Larabas
palle Rosenkrantz Roman von
(Fortsetzung)

> egen Abend kam Frau Petersen zu ihr herein. Die freundliche Dame
hatte gehört, daß sie krank sei, aber vor lauter Besorgungen im Haus
und auf dem Markt nicht eher Zeit gefunden, sie zu besuchen. Sie
brachte die Berlingsche Zeitung mit, in der etwas stand, was ihre
Pensionärin sehr interessieren mußte.

> Gott, Fräulein, sind Sie krank? rief sie aus, als sie eintrat.
Pips schüttelte den Kopf. Es herrschte Dämmerung im Zimmer, und das war
sehr gut, denn nicht um alles in der Welt durfte Frau Petersen ihr verweintes


Grenzlioien Z 1908 KZ
Der Marquis von o^arabas

Innenraums bildet einen Rundbau, von hoher Kuppel überragt, mit köstlichen
Glcisgeinälden von Theodor de Holland» ausgestattet sowie dnrch plastische
Kunstwerte von Martin de Aranda, Gemälde von Bocanegra und Skulpturen
vou Alonso Cano geschmückt. Dieser vielseitige Künstler, ein Freund des
Velasqnez, Baumeister, Maler und Bildhauer zugleich, ist sechzehn Jahre im
Dienst der Kathedrale tätig gewesen. Er flüchtete nach einem abenteuerlichen
Leben in deren Frieden und schuf seiue Meisterwerke im „Obradvr", einer Zelle
im ersten Stock des Nordturms.

Die Sakristei birgt die Grabmonumente Ferdinands und Jsabellas sowie
die ihrer Tochter, Johannas der Wahnsinnigen und Philipps des Schönen, die
letzten von dem Spanier Ordonez. die ersten von dem Florentiner Fancelli, im
edelsten Renaissancestil ausgeführt. Inschriften auf den Sarkophagen bekunden
in pomphaften Worten das Verdienst des Herrscherpaares, die Ungläubigen in
ihrem eroberten Lande ausgerottet zu haben. Wir können es, indem wir die
edeln Gesichtszüge Jsabellas, dieser mit den glänzendsten Herrschereigenschaften
ausgestatteten Fürstin, betrachten, nicht fassen, daß unter dieser Stirn die
Gedanken an die Einsetzung der Inquisition, die Vertreibung der Juden, die
Verfolgung der Mauren und die damit verbundnen, in blindem religiösem
Wahn begangnen fluchwürdigen Handlungen reiften, die einen Ricsenschatten
über die Gestalt der Herrscherin breiten und sogar den Ruhm verdunkeln, den
sie an der Endeckung der Neuen Welt hatte, indem sie des Kolumbus Pläne
förderte.

Ein Denkmal zur Erinnerung daran, erst 1892 von Marianno Benliure
geschaffen, schmückt die Alameda, eine Promenade der eleganten Welt Granadas.
Hier und über dem angrenzenden Pasco del Salon und dem Pasco de la
Vomba am Ufer des Genil ist ein reiches Füllhorn granadischer Blütenpracht
ausgeschüttet; saftiger Rasen, der durch Fontänen und Brunnen getränkt wird,
zieht sich, von Alleen begleitet, bis zur hochgelegnen Brücke, die bei der
Okkupation der Franzosen von dem General Sebastiani genommen wurde.
Im Hintergrunde schaut die Sierra Nevada auf das bunte Treiben der Gegen¬
wart hinunter, wirft abends noch lange einen verklärenden Schein in die
Ebene und läßt bis zuletzt ihr Silberdiadem aufstrahlen, dessen Glanz noch
lange in der Seele dessen, der aus weiter Ferne kam, um ihn zu schauen, nach¬
leuchten wird.




Der Marquis von (Larabas
palle Rosenkrantz Roman von
(Fortsetzung)

> egen Abend kam Frau Petersen zu ihr herein. Die freundliche Dame
hatte gehört, daß sie krank sei, aber vor lauter Besorgungen im Haus
und auf dem Markt nicht eher Zeit gefunden, sie zu besuchen. Sie
brachte die Berlingsche Zeitung mit, in der etwas stand, was ihre
Pensionärin sehr interessieren mußte.

> Gott, Fräulein, sind Sie krank? rief sie aus, als sie eintrat.
Pips schüttelte den Kopf. Es herrschte Dämmerung im Zimmer, und das war
sehr gut, denn nicht um alles in der Welt durfte Frau Petersen ihr verweintes


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[0493] Der Marquis von o^arabas Innenraums bildet einen Rundbau, von hoher Kuppel überragt, mit köstlichen Glcisgeinälden von Theodor de Holland» ausgestattet sowie dnrch plastische Kunstwerte von Martin de Aranda, Gemälde von Bocanegra und Skulpturen vou Alonso Cano geschmückt. Dieser vielseitige Künstler, ein Freund des Velasqnez, Baumeister, Maler und Bildhauer zugleich, ist sechzehn Jahre im Dienst der Kathedrale tätig gewesen. Er flüchtete nach einem abenteuerlichen Leben in deren Frieden und schuf seiue Meisterwerke im „Obradvr", einer Zelle im ersten Stock des Nordturms. Die Sakristei birgt die Grabmonumente Ferdinands und Jsabellas sowie die ihrer Tochter, Johannas der Wahnsinnigen und Philipps des Schönen, die letzten von dem Spanier Ordonez. die ersten von dem Florentiner Fancelli, im edelsten Renaissancestil ausgeführt. Inschriften auf den Sarkophagen bekunden in pomphaften Worten das Verdienst des Herrscherpaares, die Ungläubigen in ihrem eroberten Lande ausgerottet zu haben. Wir können es, indem wir die edeln Gesichtszüge Jsabellas, dieser mit den glänzendsten Herrschereigenschaften ausgestatteten Fürstin, betrachten, nicht fassen, daß unter dieser Stirn die Gedanken an die Einsetzung der Inquisition, die Vertreibung der Juden, die Verfolgung der Mauren und die damit verbundnen, in blindem religiösem Wahn begangnen fluchwürdigen Handlungen reiften, die einen Ricsenschatten über die Gestalt der Herrscherin breiten und sogar den Ruhm verdunkeln, den sie an der Endeckung der Neuen Welt hatte, indem sie des Kolumbus Pläne förderte. Ein Denkmal zur Erinnerung daran, erst 1892 von Marianno Benliure geschaffen, schmückt die Alameda, eine Promenade der eleganten Welt Granadas. Hier und über dem angrenzenden Pasco del Salon und dem Pasco de la Vomba am Ufer des Genil ist ein reiches Füllhorn granadischer Blütenpracht ausgeschüttet; saftiger Rasen, der durch Fontänen und Brunnen getränkt wird, zieht sich, von Alleen begleitet, bis zur hochgelegnen Brücke, die bei der Okkupation der Franzosen von dem General Sebastiani genommen wurde. Im Hintergrunde schaut die Sierra Nevada auf das bunte Treiben der Gegen¬ wart hinunter, wirft abends noch lange einen verklärenden Schein in die Ebene und läßt bis zuletzt ihr Silberdiadem aufstrahlen, dessen Glanz noch lange in der Seele dessen, der aus weiter Ferne kam, um ihn zu schauen, nach¬ leuchten wird. Der Marquis von (Larabas palle Rosenkrantz Roman von (Fortsetzung) > egen Abend kam Frau Petersen zu ihr herein. Die freundliche Dame hatte gehört, daß sie krank sei, aber vor lauter Besorgungen im Haus und auf dem Markt nicht eher Zeit gefunden, sie zu besuchen. Sie brachte die Berlingsche Zeitung mit, in der etwas stand, was ihre Pensionärin sehr interessieren mußte. > Gott, Fräulein, sind Sie krank? rief sie aus, als sie eintrat. Pips schüttelte den Kopf. Es herrschte Dämmerung im Zimmer, und das war sehr gut, denn nicht um alles in der Welt durfte Frau Petersen ihr verweintes Grenzlioien Z 1908 KZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/493>, abgerufen am 27.06.2024.