Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Aeue Schönheiten u>it neue Aufgaben Menschenleben zu sichern, zu bereichern und zu verschönern. Aber in Beziehung Neue Schönheiten und neue Aufgaben Carl Gehring von !it einem gewissen Bedauern sehen wir die Schönheit vergangner Aeue Schönheiten u>it neue Aufgaben Menschenleben zu sichern, zu bereichern und zu verschönern. Aber in Beziehung Neue Schönheiten und neue Aufgaben Carl Gehring von !it einem gewissen Bedauern sehen wir die Schönheit vergangner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311514"/> <fw type="header" place="top"> Aeue Schönheiten u>it neue Aufgaben</fw><lb/> <p xml:id="ID_2077" prev="#ID_2076"> Menschenleben zu sichern, zu bereichern und zu verschönern. Aber in Beziehung<lb/> auf die Gegenstände, uach deren Erfassung die philosophische Forschung strebt,<lb/> hat der ungeheure Erkenntnisfortschritt kein andres Ergebnis gehabt, als daß<lb/> wir jetzt mit einer mehr als soldatischen Gewißheit und Deutlichkeit nicht allein<lb/> einsehen, daß wir nichts wissen, sondern auch, daß und warum wir auf dem<lb/> Wege der wissenschaftlichen Forschung nichts darüber erfahren können: wir<lb/> wissen nicht, was der Weltgrund, was unsre Seele, was die Materie ist. „Die<lb/> Theorie der Materie" ist einer von Wundes Essays überschrieben. (Zweite<lb/> Auflage mit Zusätzen und Anmerkungen; Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1906.)<lb/> Der Essay ist 1875 verfaßt und stellt die damals herrschende Atomtheorie<lb/> dar. Im Zusatz wird die seitdem eingetretne Umwälzung erzählt und vom<lb/> Energismus (den Maxwell, Hertz, Mach und Ostwald begründet haben) nach¬<lb/> gewiesen, daß sein Versuch, auf Hypothesen und auf Anschaulichkeit zu verzichten<lb/> und sich nur mit den Phänomenen zu befassen, unausführbar sei, weil er der<lb/> menschlichen Natur widerspreche, weil wir die Naturvorgänge unbedingt als<lb/> in Raum und Zeit verlaufend, als Bewegungen diskreter Punkte im Raume<lb/> vorstellen müssen. Übrigens sei der Energismus schon von der Elektronen¬<lb/> theorie überholt, die den Atomismus wiederherstelle, indem das Atom (man<lb/> nimmt nur noch eine Art von Atomen an, unterscheidet nicht mehr Körper-<lb/> und Ätheratome) als ans Elektronen bestehend gedacht wird. Aber eine<lb/> günstige Wirkung habe die phänomenologische BeHandlungsweise gehabt: „die<lb/> Atome oder Moleküle, die man in ihren Eigenschaften so sicher zu erkennen<lb/> geglaubt hatte, als wenn sie sicht- und tastbare Körper wären, von deren<lb/> Gestalt und Verkettung namentlich die Chemiker die genauste Rechenschaft zu<lb/> geben wußten, sie verwandelten sich wieder in das, was sie von Anfang an<lb/> gewesen waren: in Hypothesen, die, zum Behuf kausaler Verknüpfung der Er¬<lb/> scheinungen aufgestellt, sich selbst allezeit der völligen Umwandlung in tatsächliche<lb/> G<note type="byline"> Carl Jentsch</note> ewißheit entziehen". </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Neue Schönheiten und neue Aufgaben<lb/><note type="byline"> Carl Gehring</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_2078" next="#ID_2079"> !it einem gewissen Bedauern sehen wir die Schönheit vergangner<lb/> Zeiten immer mehr aus unserm Stadtbilde entfliehen. Wie gern<lb/> möchten wir das Erbe unsrer Väter bewahren — und es hat<lb/> nicht an Versuchen gefehlt, die auf diesen Zweck hinzielten —,<lb/> !aber trotz allem, die abgeschiedn? Traulichkeit will in unsern Gro߬<lb/> städten wenigstens nicht wiederkehren, die Freude an dem plätschernden Markt¬<lb/> brunnen, an der erhabnen Ruhe des Kirchplatzes, an der malerischen Viel¬<lb/> gestaltung der winkligen Gäßchen nud krummen Straßen, das alles ist aus<lb/> dem Gesichtskreis des modernen Menschen verschwunden und lebt nnr noch in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0433]
Aeue Schönheiten u>it neue Aufgaben
Menschenleben zu sichern, zu bereichern und zu verschönern. Aber in Beziehung
auf die Gegenstände, uach deren Erfassung die philosophische Forschung strebt,
hat der ungeheure Erkenntnisfortschritt kein andres Ergebnis gehabt, als daß
wir jetzt mit einer mehr als soldatischen Gewißheit und Deutlichkeit nicht allein
einsehen, daß wir nichts wissen, sondern auch, daß und warum wir auf dem
Wege der wissenschaftlichen Forschung nichts darüber erfahren können: wir
wissen nicht, was der Weltgrund, was unsre Seele, was die Materie ist. „Die
Theorie der Materie" ist einer von Wundes Essays überschrieben. (Zweite
Auflage mit Zusätzen und Anmerkungen; Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1906.)
Der Essay ist 1875 verfaßt und stellt die damals herrschende Atomtheorie
dar. Im Zusatz wird die seitdem eingetretne Umwälzung erzählt und vom
Energismus (den Maxwell, Hertz, Mach und Ostwald begründet haben) nach¬
gewiesen, daß sein Versuch, auf Hypothesen und auf Anschaulichkeit zu verzichten
und sich nur mit den Phänomenen zu befassen, unausführbar sei, weil er der
menschlichen Natur widerspreche, weil wir die Naturvorgänge unbedingt als
in Raum und Zeit verlaufend, als Bewegungen diskreter Punkte im Raume
vorstellen müssen. Übrigens sei der Energismus schon von der Elektronen¬
theorie überholt, die den Atomismus wiederherstelle, indem das Atom (man
nimmt nur noch eine Art von Atomen an, unterscheidet nicht mehr Körper-
und Ätheratome) als ans Elektronen bestehend gedacht wird. Aber eine
günstige Wirkung habe die phänomenologische BeHandlungsweise gehabt: „die
Atome oder Moleküle, die man in ihren Eigenschaften so sicher zu erkennen
geglaubt hatte, als wenn sie sicht- und tastbare Körper wären, von deren
Gestalt und Verkettung namentlich die Chemiker die genauste Rechenschaft zu
geben wußten, sie verwandelten sich wieder in das, was sie von Anfang an
gewesen waren: in Hypothesen, die, zum Behuf kausaler Verknüpfung der Er¬
scheinungen aufgestellt, sich selbst allezeit der völligen Umwandlung in tatsächliche
G Carl Jentsch ewißheit entziehen".
Neue Schönheiten und neue Aufgaben
Carl Gehring von
!it einem gewissen Bedauern sehen wir die Schönheit vergangner
Zeiten immer mehr aus unserm Stadtbilde entfliehen. Wie gern
möchten wir das Erbe unsrer Väter bewahren — und es hat
nicht an Versuchen gefehlt, die auf diesen Zweck hinzielten —,
!aber trotz allem, die abgeschiedn? Traulichkeit will in unsern Gro߬
städten wenigstens nicht wiederkehren, die Freude an dem plätschernden Markt¬
brunnen, an der erhabnen Ruhe des Kirchplatzes, an der malerischen Viel¬
gestaltung der winkligen Gäßchen nud krummen Straßen, das alles ist aus
dem Gesichtskreis des modernen Menschen verschwunden und lebt nnr noch in
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