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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Marquis von (Larabas
palle Rosenkrantz Roman von
Siebentes Kapitel

(das sehr kurz, dafür aber sehr rührend ist)

rnulein Helga Amthor bewohnte zwei Zimmer in Frau Petersens Pen¬
sionat, die besten dieses Etablissements, die mit all dem mangelnden
Geschmack, über den diese herzensgute Dame verfügte, ausgestattet
waren. Sie wurde mit großer Aufmerksamkeit, die sich mit Herzlich¬
keit paarte, behandelt; es Ware doch zu schön, sagte die Frau des
Hauses, eine gleichaltrige Dame getroffen zu haben, mit der man
seine Gedanken austauschen könne. Und so war es auch.

Die Zeit fiel Pips ein wenig lang; sie las viel, spielte wenig und stickte noch
weniger. Sie sehnte sich nach einer Art von Verantwortung und nach Jörgen. Dieser
kehrte aus Trudstrup zurück und brachte einige Tage in der Stadt zu. Man traf
sich im Pensionat, wo der Gutsherr mit der Ehrfurcht, die mau einem Pascha er¬
zeigt, behandelt wurde.

Es wurde hoch und heilig versichert, daß er mit dem Fräulein ehrbar verlobt
sei, geglaubt dagegen wurde es nur halb, und besonders das traite Bäckerfräulein,
das sich von der neue" Pensionärin verdrängt fühlte, hatte arg zu hecheln: So
eine -- und verlobt? Ach ja!

Jörgen war gut und zärtlich; von Wetter und Sonne gebräunt war er auch.
Pips aber fühlte sich dennoch seiner nicht sicher; sie mußte an Trudstrup und die
Komtesse denken.

War sie nun wirklich so schön? fragte sie Jörgen, und Bitterkeit lag im Ton
ihrer Stimme.

Du weißt ja, Pips, daß niemand so süß ist wie du, erwiderte Jörgen und
unterstrich die Worte mit der Tat. Pips stritt ein wenig dagegen.

Da wurde Jörgen eifrig: Ich kümmere mich überhaupt nicht um die ganze
Damengesellschaft, sagte er. Das ist vielleicht ein Fehler von mir. Aber ich weiß
niemals, was ich zu diesen Salongänsen eigentlich reden soll. Konversation! Lächer¬
lich! Nein nein, kleine Pips, mit dir allein kann man sich unterhalten. Ja, nur neben
dir zu sitzen, mit der Hand über dein Haar zu streichen und deine Augen zu küssen,
kleine Pips, das ist mein Verlangen. Um all die Steifheit aber mit AiMcls toilstts
und dem ganzen Gesellschaftsunsinn kümmere ich mich nicht im geringsten.

Pips war beruhigt oder wenigstens beinahe. Sie hat aber natürlich viele schöne
Kleider? meinte sie.

Ach, danach sehe ich überhaupt nicht, versetzte Jörgen, aber in demselben Augen¬
blick stand dem Bösewicht das bewußte Jens Juelsche Kleid vor den Augen. Dann
begann er Vergleiche zu ziehen, und diese fielen schließlich zu Pips Gunsten aus,
was jedoch am meisten daher kam, daß sie gerade ihren Kopf an seine Schulter
gelehnt hielt und zu ihm aufblickte.




Der Marquis von (Larabas
palle Rosenkrantz Roman von
Siebentes Kapitel

(das sehr kurz, dafür aber sehr rührend ist)

rnulein Helga Amthor bewohnte zwei Zimmer in Frau Petersens Pen¬
sionat, die besten dieses Etablissements, die mit all dem mangelnden
Geschmack, über den diese herzensgute Dame verfügte, ausgestattet
waren. Sie wurde mit großer Aufmerksamkeit, die sich mit Herzlich¬
keit paarte, behandelt; es Ware doch zu schön, sagte die Frau des
Hauses, eine gleichaltrige Dame getroffen zu haben, mit der man
seine Gedanken austauschen könne. Und so war es auch.

Die Zeit fiel Pips ein wenig lang; sie las viel, spielte wenig und stickte noch
weniger. Sie sehnte sich nach einer Art von Verantwortung und nach Jörgen. Dieser
kehrte aus Trudstrup zurück und brachte einige Tage in der Stadt zu. Man traf
sich im Pensionat, wo der Gutsherr mit der Ehrfurcht, die mau einem Pascha er¬
zeigt, behandelt wurde.

Es wurde hoch und heilig versichert, daß er mit dem Fräulein ehrbar verlobt
sei, geglaubt dagegen wurde es nur halb, und besonders das traite Bäckerfräulein,
das sich von der neue» Pensionärin verdrängt fühlte, hatte arg zu hecheln: So
eine — und verlobt? Ach ja!

Jörgen war gut und zärtlich; von Wetter und Sonne gebräunt war er auch.
Pips aber fühlte sich dennoch seiner nicht sicher; sie mußte an Trudstrup und die
Komtesse denken.

War sie nun wirklich so schön? fragte sie Jörgen, und Bitterkeit lag im Ton
ihrer Stimme.

Du weißt ja, Pips, daß niemand so süß ist wie du, erwiderte Jörgen und
unterstrich die Worte mit der Tat. Pips stritt ein wenig dagegen.

Da wurde Jörgen eifrig: Ich kümmere mich überhaupt nicht um die ganze
Damengesellschaft, sagte er. Das ist vielleicht ein Fehler von mir. Aber ich weiß
niemals, was ich zu diesen Salongänsen eigentlich reden soll. Konversation! Lächer¬
lich! Nein nein, kleine Pips, mit dir allein kann man sich unterhalten. Ja, nur neben
dir zu sitzen, mit der Hand über dein Haar zu streichen und deine Augen zu küssen,
kleine Pips, das ist mein Verlangen. Um all die Steifheit aber mit AiMcls toilstts
und dem ganzen Gesellschaftsunsinn kümmere ich mich nicht im geringsten.

Pips war beruhigt oder wenigstens beinahe. Sie hat aber natürlich viele schöne
Kleider? meinte sie.

Ach, danach sehe ich überhaupt nicht, versetzte Jörgen, aber in demselben Augen¬
blick stand dem Bösewicht das bewußte Jens Juelsche Kleid vor den Augen. Dann
begann er Vergleiche zu ziehen, und diese fielen schließlich zu Pips Gunsten aus,
was jedoch am meisten daher kam, daß sie gerade ihren Kopf an seine Schulter
gelehnt hielt und zu ihm aufblickte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/343>, abgerufen am 27.06.2024.