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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Jesuiten in Deutschland

Für diese Entwicklung ist vor zehn Jahren der Grund gelegt, auf ihm ist in den
Jahren 1900, 1906 und voraussichtlich 1903 weiter gebaut worden, und die Zu¬
kunft wird weitere Fortschritte bringen. "Das Vergangene heißt, mit Vertrauen
vorwärts zu schauen", sagt ein Wort Goethes, das auch hier zutrifft und uns
Mut verleiht zur Hoffnung, Deutschlands Wehrmacht zur See auf der Höhe
ihrer großen Aufgabe zu finden.




Die Jesuiten in Deutschland

> as neueste Werk Duhrs, des bekannten Apologeten seines Ordens,
muß schon darum als ein wertvoller Beitrag zur deutschen Ge¬
schichte angesehen werden, weil dafür viel bisher noch nicht ge¬
drucktes urkundliches Material, hauptsächlich aus Berichten und
! Korrespondenzen von Jesuiten bestehend, benutzt worden ist.*)
Die historische Kritik bleibt den Fachzeitschriften vorbehalten; hier soll nur eine
Inhaltsübersicht andeuten, was ungefähr der Jnformationsbedürftige oder -lustige
zu finden erwarten darf.

Die ersten fünf Kapitel berichten über die Ankunft der ersten Jesuiten in
Deutschland, über die Gründung der Niederlassungen und ihre Gliederung in
die oberdeutsche, die rheinische und die österreichische Ordensprovinz. Faber,
Jajus und Bovadilla sind von 1540 ab als Begleiter päpstlicher Legaten vom
Papste nach Deutschland geschickt worden, haben überall, wo sie hinkamen, durch
Beichtehören, Exerzitien und Predigten auf die Bevölkerung einzuwirken gesucht
und durch ihren Wandel erbaut. Ihre und der ihnen nachfolgenden Ordens¬
genossen Berichte stimmen darin überein, daß der Nordosten Deutschlands für
die Kirche verloren, auch der Süden und der Westen teils abgefallen, teils dem
Abfall nahe, und daß an dem allgemeinen Abfall die Unwissenheit, Laster¬
haftigkeit und Nachlässigkeit der Welt- und Ordensgeistlichen schuld sei. Es
ist zu verwundern, schreibt Faber, "daß es nicht zweimal und dreimal soviel
Häretiker gibt, und zwar deshalb, weil schlechtes Leben notwendig zum Un¬
glauben führt. Nicht durch den Mißbrauch der Heiligen Schrift in der Predigt,
nicht durch die Scheingründe in den Disputationen haben die Lutheraner so
viele Völker zum Abfall vom katholischen Glauben gebracht: die Hauptschuld
trügt das ärgerliche Leben der Geistlichen. Gäbe Gott, daß sich in dieser Stadt
Worms auch nur zwei oder drei Priester befänden, die nicht in unerlaubten
Verbindungen oder andern öffentlich bekannten Lastern lebten: das Herz sagt



*) Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge von Bernhard
Duhr S. .1, Erster Band: Geschichte der Jesuiten in Deutschland im sechzehnten Jahrhundert.
Mit 163 Abbildungen. 876 Seiten Großoktav. Freiburg i. B., Herdersche Verlagshandlung, 1907.
Die Jesuiten in Deutschland

Für diese Entwicklung ist vor zehn Jahren der Grund gelegt, auf ihm ist in den
Jahren 1900, 1906 und voraussichtlich 1903 weiter gebaut worden, und die Zu¬
kunft wird weitere Fortschritte bringen. „Das Vergangene heißt, mit Vertrauen
vorwärts zu schauen", sagt ein Wort Goethes, das auch hier zutrifft und uns
Mut verleiht zur Hoffnung, Deutschlands Wehrmacht zur See auf der Höhe
ihrer großen Aufgabe zu finden.




Die Jesuiten in Deutschland

> as neueste Werk Duhrs, des bekannten Apologeten seines Ordens,
muß schon darum als ein wertvoller Beitrag zur deutschen Ge¬
schichte angesehen werden, weil dafür viel bisher noch nicht ge¬
drucktes urkundliches Material, hauptsächlich aus Berichten und
! Korrespondenzen von Jesuiten bestehend, benutzt worden ist.*)
Die historische Kritik bleibt den Fachzeitschriften vorbehalten; hier soll nur eine
Inhaltsübersicht andeuten, was ungefähr der Jnformationsbedürftige oder -lustige
zu finden erwarten darf.

Die ersten fünf Kapitel berichten über die Ankunft der ersten Jesuiten in
Deutschland, über die Gründung der Niederlassungen und ihre Gliederung in
die oberdeutsche, die rheinische und die österreichische Ordensprovinz. Faber,
Jajus und Bovadilla sind von 1540 ab als Begleiter päpstlicher Legaten vom
Papste nach Deutschland geschickt worden, haben überall, wo sie hinkamen, durch
Beichtehören, Exerzitien und Predigten auf die Bevölkerung einzuwirken gesucht
und durch ihren Wandel erbaut. Ihre und der ihnen nachfolgenden Ordens¬
genossen Berichte stimmen darin überein, daß der Nordosten Deutschlands für
die Kirche verloren, auch der Süden und der Westen teils abgefallen, teils dem
Abfall nahe, und daß an dem allgemeinen Abfall die Unwissenheit, Laster¬
haftigkeit und Nachlässigkeit der Welt- und Ordensgeistlichen schuld sei. Es
ist zu verwundern, schreibt Faber, „daß es nicht zweimal und dreimal soviel
Häretiker gibt, und zwar deshalb, weil schlechtes Leben notwendig zum Un¬
glauben führt. Nicht durch den Mißbrauch der Heiligen Schrift in der Predigt,
nicht durch die Scheingründe in den Disputationen haben die Lutheraner so
viele Völker zum Abfall vom katholischen Glauben gebracht: die Hauptschuld
trügt das ärgerliche Leben der Geistlichen. Gäbe Gott, daß sich in dieser Stadt
Worms auch nur zwei oder drei Priester befänden, die nicht in unerlaubten
Verbindungen oder andern öffentlich bekannten Lastern lebten: das Herz sagt



*) Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge von Bernhard
Duhr S. .1, Erster Band: Geschichte der Jesuiten in Deutschland im sechzehnten Jahrhundert.
Mit 163 Abbildungen. 876 Seiten Großoktav. Freiburg i. B., Herdersche Verlagshandlung, 1907.
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[0126] Die Jesuiten in Deutschland Für diese Entwicklung ist vor zehn Jahren der Grund gelegt, auf ihm ist in den Jahren 1900, 1906 und voraussichtlich 1903 weiter gebaut worden, und die Zu¬ kunft wird weitere Fortschritte bringen. „Das Vergangene heißt, mit Vertrauen vorwärts zu schauen", sagt ein Wort Goethes, das auch hier zutrifft und uns Mut verleiht zur Hoffnung, Deutschlands Wehrmacht zur See auf der Höhe ihrer großen Aufgabe zu finden. Die Jesuiten in Deutschland > as neueste Werk Duhrs, des bekannten Apologeten seines Ordens, muß schon darum als ein wertvoller Beitrag zur deutschen Ge¬ schichte angesehen werden, weil dafür viel bisher noch nicht ge¬ drucktes urkundliches Material, hauptsächlich aus Berichten und ! Korrespondenzen von Jesuiten bestehend, benutzt worden ist.*) Die historische Kritik bleibt den Fachzeitschriften vorbehalten; hier soll nur eine Inhaltsübersicht andeuten, was ungefähr der Jnformationsbedürftige oder -lustige zu finden erwarten darf. Die ersten fünf Kapitel berichten über die Ankunft der ersten Jesuiten in Deutschland, über die Gründung der Niederlassungen und ihre Gliederung in die oberdeutsche, die rheinische und die österreichische Ordensprovinz. Faber, Jajus und Bovadilla sind von 1540 ab als Begleiter päpstlicher Legaten vom Papste nach Deutschland geschickt worden, haben überall, wo sie hinkamen, durch Beichtehören, Exerzitien und Predigten auf die Bevölkerung einzuwirken gesucht und durch ihren Wandel erbaut. Ihre und der ihnen nachfolgenden Ordens¬ genossen Berichte stimmen darin überein, daß der Nordosten Deutschlands für die Kirche verloren, auch der Süden und der Westen teils abgefallen, teils dem Abfall nahe, und daß an dem allgemeinen Abfall die Unwissenheit, Laster¬ haftigkeit und Nachlässigkeit der Welt- und Ordensgeistlichen schuld sei. Es ist zu verwundern, schreibt Faber, „daß es nicht zweimal und dreimal soviel Häretiker gibt, und zwar deshalb, weil schlechtes Leben notwendig zum Un¬ glauben führt. Nicht durch den Mißbrauch der Heiligen Schrift in der Predigt, nicht durch die Scheingründe in den Disputationen haben die Lutheraner so viele Völker zum Abfall vom katholischen Glauben gebracht: die Hauptschuld trügt das ärgerliche Leben der Geistlichen. Gäbe Gott, daß sich in dieser Stadt Worms auch nur zwei oder drei Priester befänden, die nicht in unerlaubten Verbindungen oder andern öffentlich bekannten Lastern lebten: das Herz sagt *) Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge von Bernhard Duhr S. .1, Erster Band: Geschichte der Jesuiten in Deutschland im sechzehnten Jahrhundert. Mit 163 Abbildungen. 876 Seiten Großoktav. Freiburg i. B., Herdersche Verlagshandlung, 1907.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/126>, abgerufen am 27.06.2024.