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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Luftreisen

die straffe Organisation und Zucht seines Heerwesens, die sich über ganz
Deutschland ausgebreitet hat, kann und darf Preußen niemals aufgeben, und
das politische Selbstbewußtsein, das dort hervortritt, wurzelt in politisch¬
militärischen Leistungen, denen das übrige Deutschland nichts Entsprechendes
an die Seite zu setzen hat. Preußen ist und bleibt doch das Fundament des
Deutschen Reiches.

Der Staat ist eben weder eine Aktiengesellschaft noch eine Versorgung^-
anstatt für eine herrschende Partei noch eine Akademie für Kunst und Wissen¬
schaft, sondern er ist Macht, und Deutschland ist in seiner zentralen Lage
mitten in Europa und mit seinen meist offnen Grenzen wahrhaftig nicht im¬
stande, eine Entwicklung des Individualismus zuzulassen, wie sie sich England
und Nordamerika gestatten dürfen; es kann eine starke Staatsgewalt und eine
straffe Zusammenfassung aller seiner Kräfte nicht entbehren, mögen andre "fort-
geschrittnere" Völker das tadeln und als rückständig auffassen oder nicht. Das
sollte man allerorten in Deutschland begreifen.




Luftreisen
Johannes poeschel*) von
3. Sommerferien im Ballon

>n vierzehn Tagen drei Ballonfahrten, das war das rechte Mittel,
Geist und Körper durchgreifend und nachhaltig zu erfrischen,
selbst wenn das Ergebnis hinter den wieder hochgespannter Er¬
wartungen zurückblieb.

1. Wieder nach Nußland.

Am 31. Juli früh ^ Uhr
erhob sich der gute "Ernst", der freilich inzwischen auch älter geworden war,
mit mir und meinem auf der Fahrt über Se. Afra erprobten Ballondoktor
von Bitterfeld aus in die Lüfte. Am Himmel leuchtete ab und zu die schmale
Sichel des abnehmenden Mondes, meist aber wars stockdunkle Nacht. Regenschauer
erschwerten die Führung und drückten den Ballon immer wieder auf den Acker¬
boden oder in die Baumwipfel nieder. Mancher Feldbesitzer wird am nächsten
Morgen erstaunt gewesen sein, eine Anzahl seiner Getreidepuppen umgeworfen
oder von ihrem ursprünglichen Platze weit weggestoßen zu finden, der Wind
trieb uns ja mit einer Geschwindigkeit von 36 Kilometern in der Stunde.



Fünfzehn Ballonfahrten des Verfassers, auf denen er bei einem Gasverbrauche von
15400 Kubikmetern 4918 Kilometer zurückgelegt und Deutschland fast nach allen Richtungen
sowie ein gut Stück Ausland überflogen hat, sind von ihm geschildert in dem demnächst im Ver¬
lage von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erscheinenden, mit Bildern und Karten ausgestatteten
Buche Luftreisen von Johannes Poeschel.
Luftreisen

die straffe Organisation und Zucht seines Heerwesens, die sich über ganz
Deutschland ausgebreitet hat, kann und darf Preußen niemals aufgeben, und
das politische Selbstbewußtsein, das dort hervortritt, wurzelt in politisch¬
militärischen Leistungen, denen das übrige Deutschland nichts Entsprechendes
an die Seite zu setzen hat. Preußen ist und bleibt doch das Fundament des
Deutschen Reiches.

Der Staat ist eben weder eine Aktiengesellschaft noch eine Versorgung^-
anstatt für eine herrschende Partei noch eine Akademie für Kunst und Wissen¬
schaft, sondern er ist Macht, und Deutschland ist in seiner zentralen Lage
mitten in Europa und mit seinen meist offnen Grenzen wahrhaftig nicht im¬
stande, eine Entwicklung des Individualismus zuzulassen, wie sie sich England
und Nordamerika gestatten dürfen; es kann eine starke Staatsgewalt und eine
straffe Zusammenfassung aller seiner Kräfte nicht entbehren, mögen andre „fort-
geschrittnere" Völker das tadeln und als rückständig auffassen oder nicht. Das
sollte man allerorten in Deutschland begreifen.




Luftreisen
Johannes poeschel*) von
3. Sommerferien im Ballon

>n vierzehn Tagen drei Ballonfahrten, das war das rechte Mittel,
Geist und Körper durchgreifend und nachhaltig zu erfrischen,
selbst wenn das Ergebnis hinter den wieder hochgespannter Er¬
wartungen zurückblieb.

1. Wieder nach Nußland.

Am 31. Juli früh ^ Uhr
erhob sich der gute „Ernst", der freilich inzwischen auch älter geworden war,
mit mir und meinem auf der Fahrt über Se. Afra erprobten Ballondoktor
von Bitterfeld aus in die Lüfte. Am Himmel leuchtete ab und zu die schmale
Sichel des abnehmenden Mondes, meist aber wars stockdunkle Nacht. Regenschauer
erschwerten die Führung und drückten den Ballon immer wieder auf den Acker¬
boden oder in die Baumwipfel nieder. Mancher Feldbesitzer wird am nächsten
Morgen erstaunt gewesen sein, eine Anzahl seiner Getreidepuppen umgeworfen
oder von ihrem ursprünglichen Platze weit weggestoßen zu finden, der Wind
trieb uns ja mit einer Geschwindigkeit von 36 Kilometern in der Stunde.



Fünfzehn Ballonfahrten des Verfassers, auf denen er bei einem Gasverbrauche von
15400 Kubikmetern 4918 Kilometer zurückgelegt und Deutschland fast nach allen Richtungen
sowie ein gut Stück Ausland überflogen hat, sind von ihm geschildert in dem demnächst im Ver¬
lage von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erscheinenden, mit Bildern und Karten ausgestatteten
Buche Luftreisen von Johannes Poeschel.
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[0198] Luftreisen die straffe Organisation und Zucht seines Heerwesens, die sich über ganz Deutschland ausgebreitet hat, kann und darf Preußen niemals aufgeben, und das politische Selbstbewußtsein, das dort hervortritt, wurzelt in politisch¬ militärischen Leistungen, denen das übrige Deutschland nichts Entsprechendes an die Seite zu setzen hat. Preußen ist und bleibt doch das Fundament des Deutschen Reiches. Der Staat ist eben weder eine Aktiengesellschaft noch eine Versorgung^- anstatt für eine herrschende Partei noch eine Akademie für Kunst und Wissen¬ schaft, sondern er ist Macht, und Deutschland ist in seiner zentralen Lage mitten in Europa und mit seinen meist offnen Grenzen wahrhaftig nicht im¬ stande, eine Entwicklung des Individualismus zuzulassen, wie sie sich England und Nordamerika gestatten dürfen; es kann eine starke Staatsgewalt und eine straffe Zusammenfassung aller seiner Kräfte nicht entbehren, mögen andre „fort- geschrittnere" Völker das tadeln und als rückständig auffassen oder nicht. Das sollte man allerorten in Deutschland begreifen. Luftreisen Johannes poeschel*) von 3. Sommerferien im Ballon >n vierzehn Tagen drei Ballonfahrten, das war das rechte Mittel, Geist und Körper durchgreifend und nachhaltig zu erfrischen, selbst wenn das Ergebnis hinter den wieder hochgespannter Er¬ wartungen zurückblieb. 1. Wieder nach Nußland. Am 31. Juli früh ^ Uhr erhob sich der gute „Ernst", der freilich inzwischen auch älter geworden war, mit mir und meinem auf der Fahrt über Se. Afra erprobten Ballondoktor von Bitterfeld aus in die Lüfte. Am Himmel leuchtete ab und zu die schmale Sichel des abnehmenden Mondes, meist aber wars stockdunkle Nacht. Regenschauer erschwerten die Führung und drückten den Ballon immer wieder auf den Acker¬ boden oder in die Baumwipfel nieder. Mancher Feldbesitzer wird am nächsten Morgen erstaunt gewesen sein, eine Anzahl seiner Getreidepuppen umgeworfen oder von ihrem ursprünglichen Platze weit weggestoßen zu finden, der Wind trieb uns ja mit einer Geschwindigkeit von 36 Kilometern in der Stunde. Fünfzehn Ballonfahrten des Verfassers, auf denen er bei einem Gasverbrauche von 15400 Kubikmetern 4918 Kilometer zurückgelegt und Deutschland fast nach allen Richtungen sowie ein gut Stück Ausland überflogen hat, sind von ihm geschildert in dem demnächst im Ver¬ lage von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erscheinenden, mit Bildern und Karten ausgestatteten Buche Luftreisen von Johannes Poeschel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/198>, abgerufen am 29.06.2024.