Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die ältesten Fürsten von Braunschweig

verfolgt, Diceys grundlegende Gedanken mitzuteilen; einige Stellen haben eine
eingehendere Wiedergabe gefunden, namentlich auch die, wo er sich mit einer
bei englischen Politikern unsrer Tage leider nicht zu häufig zu findenden Un¬
befangenheit, ja vielfach sogar mit offner Anerkennung für das Verhalten
Deutschlands und seiner Negierung in den Streitfragen der jüngsten Zeit aus¬
spricht. Mag man nun Diceys Ausführungen und Folgerungen als berechtigt
anerkennen oder nicht, ein gewisses Interesse wird man ihm auch in Deutsch¬
l Oberleutnant Otto Neuschler and sicher nicht versagen.




Die ältesten Fürsten von Braunschweig
Gelo Freiherrn von Düngern von

o ist NUN auf den Hohenzoller ein Mecklenburger Prinz als Regent
von Braunschweig gefolgt und in die alte Welfenresidenz einge¬
zogen. Den Welsen verdankt die Stadt ihre erste Blütezeit im
Mittelalter, und seitdem hat sie jahrhundertelang die Schicksale
ihrer welfischen Fürsten geteilt. Aber dieses ursprünglich italie¬
nische Fürstenhaus ist doch nicht seit den ältesten Zeiten seiner Geschichte mit
Braunschweig verknüpft. In Sachsen und Bayern, in Württemberg, Baden,
Oldenburg, Mecklenburg und fast allen kleinern deutschen Fürstentümern findet
sich die Dynastie schon in ihrer fernsten Vergangenheit als Fürstengeschlecht im
Lande. Braunschweig war durch die Hand verschiedner Fürstenhäuser gegangen,
ehe es den Welsen als Erbteil zufiel. Die Stadt war allerdings unter diesen
vorwelsischen Herren noch unbedeutend, wohl nur ein Schloß und ein Zentral¬
gutshof, von dem aus die umliegenden Herrengüter verwaltet wurden, und um
deu sich ganz allmählich eine größere Ansiedlung bildete. Aber die Herren, die
im Schlosse saßen, zählten schon lange vor den Welsen zu den vornehmsten
Fürsten Deutschlands.

In den seltnen Fällen, wo wir im Binnenlande dem Wort Wik als Be¬
zeichnung eines Wohnsitzes begegnen, werden wir in älteste deutsche Vergangen¬
heit zurückgeführt. Osterwik, Bardewik haben eine tausendjährige Geschichte.
Braunschweig Brunes-Wik mag nicht minder alt sein, wenn auch der Bericht
über die Gründung durch den Sachsenherzog Bruno 861 -- nach andrer
Version 890 -- nur eine Sage ist, die in der Blütezeit der Stadt im drei¬
zehnten Jahrhundert zuerst aufkommt, und gegen die schon der Braunschweiger
Reimchronist Bedenken ausspricht, der sie Ende jenes Jahrhunderts in Verse
bringt. Herzog Bruno war ein väterlicher Oheim König Heinrichs des Voglers.
Ging man auf ihn als Gründer zurück, so hatte man nahe Beziehungen der
Stadt zum Haus der sächsischen Kaiser festgestellt, und das war ehrenvoll.
Herzog Bruno hatte einen wahrscheinlich jung gestorbnen, kaum genannten Bruder


Grenzboten II 1907 86
Die ältesten Fürsten von Braunschweig

verfolgt, Diceys grundlegende Gedanken mitzuteilen; einige Stellen haben eine
eingehendere Wiedergabe gefunden, namentlich auch die, wo er sich mit einer
bei englischen Politikern unsrer Tage leider nicht zu häufig zu findenden Un¬
befangenheit, ja vielfach sogar mit offner Anerkennung für das Verhalten
Deutschlands und seiner Negierung in den Streitfragen der jüngsten Zeit aus¬
spricht. Mag man nun Diceys Ausführungen und Folgerungen als berechtigt
anerkennen oder nicht, ein gewisses Interesse wird man ihm auch in Deutsch¬
l Oberleutnant Otto Neuschler and sicher nicht versagen.




Die ältesten Fürsten von Braunschweig
Gelo Freiherrn von Düngern von

o ist NUN auf den Hohenzoller ein Mecklenburger Prinz als Regent
von Braunschweig gefolgt und in die alte Welfenresidenz einge¬
zogen. Den Welsen verdankt die Stadt ihre erste Blütezeit im
Mittelalter, und seitdem hat sie jahrhundertelang die Schicksale
ihrer welfischen Fürsten geteilt. Aber dieses ursprünglich italie¬
nische Fürstenhaus ist doch nicht seit den ältesten Zeiten seiner Geschichte mit
Braunschweig verknüpft. In Sachsen und Bayern, in Württemberg, Baden,
Oldenburg, Mecklenburg und fast allen kleinern deutschen Fürstentümern findet
sich die Dynastie schon in ihrer fernsten Vergangenheit als Fürstengeschlecht im
Lande. Braunschweig war durch die Hand verschiedner Fürstenhäuser gegangen,
ehe es den Welsen als Erbteil zufiel. Die Stadt war allerdings unter diesen
vorwelsischen Herren noch unbedeutend, wohl nur ein Schloß und ein Zentral¬
gutshof, von dem aus die umliegenden Herrengüter verwaltet wurden, und um
deu sich ganz allmählich eine größere Ansiedlung bildete. Aber die Herren, die
im Schlosse saßen, zählten schon lange vor den Welsen zu den vornehmsten
Fürsten Deutschlands.

In den seltnen Fällen, wo wir im Binnenlande dem Wort Wik als Be¬
zeichnung eines Wohnsitzes begegnen, werden wir in älteste deutsche Vergangen¬
heit zurückgeführt. Osterwik, Bardewik haben eine tausendjährige Geschichte.
Braunschweig Brunes-Wik mag nicht minder alt sein, wenn auch der Bericht
über die Gründung durch den Sachsenherzog Bruno 861 — nach andrer
Version 890 — nur eine Sage ist, die in der Blütezeit der Stadt im drei¬
zehnten Jahrhundert zuerst aufkommt, und gegen die schon der Braunschweiger
Reimchronist Bedenken ausspricht, der sie Ende jenes Jahrhunderts in Verse
bringt. Herzog Bruno war ein väterlicher Oheim König Heinrichs des Voglers.
Ging man auf ihn als Gründer zurück, so hatte man nahe Beziehungen der
Stadt zum Haus der sächsischen Kaiser festgestellt, und das war ehrenvoll.
Herzog Bruno hatte einen wahrscheinlich jung gestorbnen, kaum genannten Bruder


Grenzboten II 1907 86
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0669" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302657"/>
          <fw type="header" place="top"> Die ältesten Fürsten von Braunschweig</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2920" prev="#ID_2919"> verfolgt, Diceys grundlegende Gedanken mitzuteilen; einige Stellen haben eine<lb/>
eingehendere Wiedergabe gefunden, namentlich auch die, wo er sich mit einer<lb/>
bei englischen Politikern unsrer Tage leider nicht zu häufig zu findenden Un¬<lb/>
befangenheit, ja vielfach sogar mit offner Anerkennung für das Verhalten<lb/>
Deutschlands und seiner Negierung in den Streitfragen der jüngsten Zeit aus¬<lb/>
spricht. Mag man nun Diceys Ausführungen und Folgerungen als berechtigt<lb/>
anerkennen oder nicht, ein gewisses Interesse wird man ihm auch in Deutsch¬<lb/>
l<note type="byline"> Oberleutnant Otto Neuschler</note> and sicher nicht versagen. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die ältesten Fürsten von Braunschweig<lb/><note type="byline"> Gelo Freiherrn von Düngern</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2921"> o ist NUN auf den Hohenzoller ein Mecklenburger Prinz als Regent<lb/>
von Braunschweig gefolgt und in die alte Welfenresidenz einge¬<lb/>
zogen. Den Welsen verdankt die Stadt ihre erste Blütezeit im<lb/>
Mittelalter, und seitdem hat sie jahrhundertelang die Schicksale<lb/>
ihrer welfischen Fürsten geteilt. Aber dieses ursprünglich italie¬<lb/>
nische Fürstenhaus ist doch nicht seit den ältesten Zeiten seiner Geschichte mit<lb/>
Braunschweig verknüpft. In Sachsen und Bayern, in Württemberg, Baden,<lb/>
Oldenburg, Mecklenburg und fast allen kleinern deutschen Fürstentümern findet<lb/>
sich die Dynastie schon in ihrer fernsten Vergangenheit als Fürstengeschlecht im<lb/>
Lande. Braunschweig war durch die Hand verschiedner Fürstenhäuser gegangen,<lb/>
ehe es den Welsen als Erbteil zufiel. Die Stadt war allerdings unter diesen<lb/>
vorwelsischen Herren noch unbedeutend, wohl nur ein Schloß und ein Zentral¬<lb/>
gutshof, von dem aus die umliegenden Herrengüter verwaltet wurden, und um<lb/>
deu sich ganz allmählich eine größere Ansiedlung bildete. Aber die Herren, die<lb/>
im Schlosse saßen, zählten schon lange vor den Welsen zu den vornehmsten<lb/>
Fürsten Deutschlands.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2922" next="#ID_2923"> In den seltnen Fällen, wo wir im Binnenlande dem Wort Wik als Be¬<lb/>
zeichnung eines Wohnsitzes begegnen, werden wir in älteste deutsche Vergangen¬<lb/>
heit zurückgeführt. Osterwik, Bardewik haben eine tausendjährige Geschichte.<lb/>
Braunschweig Brunes-Wik mag nicht minder alt sein, wenn auch der Bericht<lb/>
über die Gründung durch den Sachsenherzog Bruno 861 &#x2014; nach andrer<lb/>
Version 890 &#x2014; nur eine Sage ist, die in der Blütezeit der Stadt im drei¬<lb/>
zehnten Jahrhundert zuerst aufkommt, und gegen die schon der Braunschweiger<lb/>
Reimchronist Bedenken ausspricht, der sie Ende jenes Jahrhunderts in Verse<lb/>
bringt. Herzog Bruno war ein väterlicher Oheim König Heinrichs des Voglers.<lb/>
Ging man auf ihn als Gründer zurück, so hatte man nahe Beziehungen der<lb/>
Stadt zum Haus der sächsischen Kaiser festgestellt, und das war ehrenvoll.<lb/>
Herzog Bruno hatte einen wahrscheinlich jung gestorbnen, kaum genannten Bruder</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1907 86</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0669] Die ältesten Fürsten von Braunschweig verfolgt, Diceys grundlegende Gedanken mitzuteilen; einige Stellen haben eine eingehendere Wiedergabe gefunden, namentlich auch die, wo er sich mit einer bei englischen Politikern unsrer Tage leider nicht zu häufig zu findenden Un¬ befangenheit, ja vielfach sogar mit offner Anerkennung für das Verhalten Deutschlands und seiner Negierung in den Streitfragen der jüngsten Zeit aus¬ spricht. Mag man nun Diceys Ausführungen und Folgerungen als berechtigt anerkennen oder nicht, ein gewisses Interesse wird man ihm auch in Deutsch¬ l Oberleutnant Otto Neuschler and sicher nicht versagen. Die ältesten Fürsten von Braunschweig Gelo Freiherrn von Düngern von o ist NUN auf den Hohenzoller ein Mecklenburger Prinz als Regent von Braunschweig gefolgt und in die alte Welfenresidenz einge¬ zogen. Den Welsen verdankt die Stadt ihre erste Blütezeit im Mittelalter, und seitdem hat sie jahrhundertelang die Schicksale ihrer welfischen Fürsten geteilt. Aber dieses ursprünglich italie¬ nische Fürstenhaus ist doch nicht seit den ältesten Zeiten seiner Geschichte mit Braunschweig verknüpft. In Sachsen und Bayern, in Württemberg, Baden, Oldenburg, Mecklenburg und fast allen kleinern deutschen Fürstentümern findet sich die Dynastie schon in ihrer fernsten Vergangenheit als Fürstengeschlecht im Lande. Braunschweig war durch die Hand verschiedner Fürstenhäuser gegangen, ehe es den Welsen als Erbteil zufiel. Die Stadt war allerdings unter diesen vorwelsischen Herren noch unbedeutend, wohl nur ein Schloß und ein Zentral¬ gutshof, von dem aus die umliegenden Herrengüter verwaltet wurden, und um deu sich ganz allmählich eine größere Ansiedlung bildete. Aber die Herren, die im Schlosse saßen, zählten schon lange vor den Welsen zu den vornehmsten Fürsten Deutschlands. In den seltnen Fällen, wo wir im Binnenlande dem Wort Wik als Be¬ zeichnung eines Wohnsitzes begegnen, werden wir in älteste deutsche Vergangen¬ heit zurückgeführt. Osterwik, Bardewik haben eine tausendjährige Geschichte. Braunschweig Brunes-Wik mag nicht minder alt sein, wenn auch der Bericht über die Gründung durch den Sachsenherzog Bruno 861 — nach andrer Version 890 — nur eine Sage ist, die in der Blütezeit der Stadt im drei¬ zehnten Jahrhundert zuerst aufkommt, und gegen die schon der Braunschweiger Reimchronist Bedenken ausspricht, der sie Ende jenes Jahrhunderts in Verse bringt. Herzog Bruno war ein väterlicher Oheim König Heinrichs des Voglers. Ging man auf ihn als Gründer zurück, so hatte man nahe Beziehungen der Stadt zum Haus der sächsischen Kaiser festgestellt, und das war ehrenvoll. Herzog Bruno hatte einen wahrscheinlich jung gestorbnen, kaum genannten Bruder Grenzboten II 1907 86

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/669
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/669>, abgerufen am 05.02.2025.