Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Rüstungen in Italien

fernhalten soll. Der fortifikatorische Charakter der Befestigungen entspricht den
modernen Anforderungen nicht, da sie kasemattierte Werke mit vertikalen (un¬
gedeckten) Mauerwerk (Rocca d'Arso, Rivoli, Osoppo) sind, teils Werke mit
offnem Wall, teils nur verstärkte feldmäßige Anlagen. Fortifikatorisch am
stärksten sind die Befestigungen von Agordo und die des Val Leogra; sehr
stark armiert sind die Werke von Rivoli-Ceraino.

Zahlreiche, militärischen Interessen dienende Koinmunikationsbauten in der
Nahe der vorbereiteten Batteriestellungen, vielfache Demolierungsminenanlagen
an den großem Kunstbauten, deren Wiederherstellung sehr schwierig und zeit¬
raubend ist, ergänzen die Verteidigungsmaßnahmen. Für die Verteidigung der
nicht gesperrten Umgehungswege der Befestigungen verfügt Italien in den
Alpini über Truppen, die mit dem Hochgebirge vertraut sind.


L. Die Befestigungen an der österreichisch-ungarischen Grenze

Der befestigte Raum von Tarvis. Tarvis, gegenüber dem italienischen
Grenzvorsprung an der Fella gelegen, hat als Kommunikationsknoten eine
besondre Bedeutung. Vom mittlern Tagliamento und von Udine führt eine
Straße durch das Fellatal und eine Eisenbahn über Tarvis ins Drcmtal nach
Vliland, als kürzeste Verbindung mit Wien, eine andre Straße über den
Predilpaß ins Jsonzotal oder über Würzen ins Savetal nach Görz und nach
Laibach, Flanke und Rücken der dort aufmarschierten österreichisch-ungarischen
Streitkräfte bedrohend. Durch die Befestigungen bei Tarvis werden die italienischen
Einbruchslinien über die Karnischen Alpen gesperrt und für den von österreichischer
Seite etwa geplanten Einmarsch und Nachschub offen gehalten. Die Befestigungen
bestehen aus den in den letzten Jahren nach modernen Grundsätzen erbauten
Permanenten Sperren Finsch-Naldi und Fort Hensel. Die Sperren sind als
Fernkampfwerke und Straßensperren organisiert. Die Fernkampfwerke enthalten
je mehrere Geschütze unter Panzer. Die Sperre Finsch besteht aus dem Fern¬
kampfwerk Fort Hermann, der Straßensperre Mischer Klause und dem alten
Fort Predil. Die Sperre Raibl setzt sich zusammen aus dem Fernkampfwerk
Batterie Predilsattel und dem Sperrwerk Raibler See. Die Straße und die
Eisenbahn im Fellatal werden durch das Panzerwerk Fort Hensel gesperrt.

Tirol. In der vorspringenden Lage Südtirols liegt eine Gefährdung durch
stark umfassende Angriffe aus dem Venezianischen und eine sehr wirksame Be¬
drohung des Rückens und der lange" durch das Puster- und Drautal führenden
Verbindungen des Verteidigers.

Die Etschtalstraße, die Chiusa Veneta, eine seit alter Zeit von aller Art
Kriegsvolk betretne Straße, ist auch heute noch der Mittelpunkt des Verkehrs
und militärischer Operationen. In ihr gewinnt der Raum um Trient für die
Verteidigung besondern Wert; hier mündet die Mehrzahl der ins Etschtal
auslaufenden italienischen Einbruchslinien. Es wird dadurch zum Zentralpunkt
der Verteidigung Südtirols. Die Festung Trient ist eine nach modernen


Die Rüstungen in Italien

fernhalten soll. Der fortifikatorische Charakter der Befestigungen entspricht den
modernen Anforderungen nicht, da sie kasemattierte Werke mit vertikalen (un¬
gedeckten) Mauerwerk (Rocca d'Arso, Rivoli, Osoppo) sind, teils Werke mit
offnem Wall, teils nur verstärkte feldmäßige Anlagen. Fortifikatorisch am
stärksten sind die Befestigungen von Agordo und die des Val Leogra; sehr
stark armiert sind die Werke von Rivoli-Ceraino.

Zahlreiche, militärischen Interessen dienende Koinmunikationsbauten in der
Nahe der vorbereiteten Batteriestellungen, vielfache Demolierungsminenanlagen
an den großem Kunstbauten, deren Wiederherstellung sehr schwierig und zeit¬
raubend ist, ergänzen die Verteidigungsmaßnahmen. Für die Verteidigung der
nicht gesperrten Umgehungswege der Befestigungen verfügt Italien in den
Alpini über Truppen, die mit dem Hochgebirge vertraut sind.


L. Die Befestigungen an der österreichisch-ungarischen Grenze

Der befestigte Raum von Tarvis. Tarvis, gegenüber dem italienischen
Grenzvorsprung an der Fella gelegen, hat als Kommunikationsknoten eine
besondre Bedeutung. Vom mittlern Tagliamento und von Udine führt eine
Straße durch das Fellatal und eine Eisenbahn über Tarvis ins Drcmtal nach
Vliland, als kürzeste Verbindung mit Wien, eine andre Straße über den
Predilpaß ins Jsonzotal oder über Würzen ins Savetal nach Görz und nach
Laibach, Flanke und Rücken der dort aufmarschierten österreichisch-ungarischen
Streitkräfte bedrohend. Durch die Befestigungen bei Tarvis werden die italienischen
Einbruchslinien über die Karnischen Alpen gesperrt und für den von österreichischer
Seite etwa geplanten Einmarsch und Nachschub offen gehalten. Die Befestigungen
bestehen aus den in den letzten Jahren nach modernen Grundsätzen erbauten
Permanenten Sperren Finsch-Naldi und Fort Hensel. Die Sperren sind als
Fernkampfwerke und Straßensperren organisiert. Die Fernkampfwerke enthalten
je mehrere Geschütze unter Panzer. Die Sperre Finsch besteht aus dem Fern¬
kampfwerk Fort Hermann, der Straßensperre Mischer Klause und dem alten
Fort Predil. Die Sperre Raibl setzt sich zusammen aus dem Fernkampfwerk
Batterie Predilsattel und dem Sperrwerk Raibler See. Die Straße und die
Eisenbahn im Fellatal werden durch das Panzerwerk Fort Hensel gesperrt.

Tirol. In der vorspringenden Lage Südtirols liegt eine Gefährdung durch
stark umfassende Angriffe aus dem Venezianischen und eine sehr wirksame Be¬
drohung des Rückens und der lange» durch das Puster- und Drautal führenden
Verbindungen des Verteidigers.

Die Etschtalstraße, die Chiusa Veneta, eine seit alter Zeit von aller Art
Kriegsvolk betretne Straße, ist auch heute noch der Mittelpunkt des Verkehrs
und militärischer Operationen. In ihr gewinnt der Raum um Trient für die
Verteidigung besondern Wert; hier mündet die Mehrzahl der ins Etschtal
auslaufenden italienischen Einbruchslinien. Es wird dadurch zum Zentralpunkt
der Verteidigung Südtirols. Die Festung Trient ist eine nach modernen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302327"/>
            <fw type="header" place="top"> Die Rüstungen in Italien</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1456" prev="#ID_1455"> fernhalten soll. Der fortifikatorische Charakter der Befestigungen entspricht den<lb/>
modernen Anforderungen nicht, da sie kasemattierte Werke mit vertikalen (un¬<lb/>
gedeckten) Mauerwerk (Rocca d'Arso, Rivoli, Osoppo) sind, teils Werke mit<lb/>
offnem Wall, teils nur verstärkte feldmäßige Anlagen. Fortifikatorisch am<lb/>
stärksten sind die Befestigungen von Agordo und die des Val Leogra; sehr<lb/>
stark armiert sind die Werke von Rivoli-Ceraino.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1457"> Zahlreiche, militärischen Interessen dienende Koinmunikationsbauten in der<lb/>
Nahe der vorbereiteten Batteriestellungen, vielfache Demolierungsminenanlagen<lb/>
an den großem Kunstbauten, deren Wiederherstellung sehr schwierig und zeit¬<lb/>
raubend ist, ergänzen die Verteidigungsmaßnahmen. Für die Verteidigung der<lb/>
nicht gesperrten Umgehungswege der Befestigungen verfügt Italien in den<lb/>
Alpini über Truppen, die mit dem Hochgebirge vertraut sind.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> L. Die Befestigungen an der österreichisch-ungarischen Grenze</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1458"> Der befestigte Raum von Tarvis. Tarvis, gegenüber dem italienischen<lb/>
Grenzvorsprung an der Fella gelegen, hat als Kommunikationsknoten eine<lb/>
besondre Bedeutung. Vom mittlern Tagliamento und von Udine führt eine<lb/>
Straße durch das Fellatal und eine Eisenbahn über Tarvis ins Drcmtal nach<lb/>
Vliland, als kürzeste Verbindung mit Wien, eine andre Straße über den<lb/>
Predilpaß ins Jsonzotal oder über Würzen ins Savetal nach Görz und nach<lb/>
Laibach, Flanke und Rücken der dort aufmarschierten österreichisch-ungarischen<lb/>
Streitkräfte bedrohend. Durch die Befestigungen bei Tarvis werden die italienischen<lb/>
Einbruchslinien über die Karnischen Alpen gesperrt und für den von österreichischer<lb/>
Seite etwa geplanten Einmarsch und Nachschub offen gehalten. Die Befestigungen<lb/>
bestehen aus den in den letzten Jahren nach modernen Grundsätzen erbauten<lb/>
Permanenten Sperren Finsch-Naldi und Fort Hensel. Die Sperren sind als<lb/>
Fernkampfwerke und Straßensperren organisiert. Die Fernkampfwerke enthalten<lb/>
je mehrere Geschütze unter Panzer. Die Sperre Finsch besteht aus dem Fern¬<lb/>
kampfwerk Fort Hermann, der Straßensperre Mischer Klause und dem alten<lb/>
Fort Predil. Die Sperre Raibl setzt sich zusammen aus dem Fernkampfwerk<lb/>
Batterie Predilsattel und dem Sperrwerk Raibler See. Die Straße und die<lb/>
Eisenbahn im Fellatal werden durch das Panzerwerk Fort Hensel gesperrt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1459"> Tirol. In der vorspringenden Lage Südtirols liegt eine Gefährdung durch<lb/>
stark umfassende Angriffe aus dem Venezianischen und eine sehr wirksame Be¬<lb/>
drohung des Rückens und der lange» durch das Puster- und Drautal führenden<lb/>
Verbindungen des Verteidigers.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1460" next="#ID_1461"> Die Etschtalstraße, die Chiusa Veneta, eine seit alter Zeit von aller Art<lb/>
Kriegsvolk betretne Straße, ist auch heute noch der Mittelpunkt des Verkehrs<lb/>
und militärischer Operationen. In ihr gewinnt der Raum um Trient für die<lb/>
Verteidigung besondern Wert; hier mündet die Mehrzahl der ins Etschtal<lb/>
auslaufenden italienischen Einbruchslinien. Es wird dadurch zum Zentralpunkt<lb/>
der Verteidigung Südtirols. Die Festung Trient ist eine nach modernen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] Die Rüstungen in Italien fernhalten soll. Der fortifikatorische Charakter der Befestigungen entspricht den modernen Anforderungen nicht, da sie kasemattierte Werke mit vertikalen (un¬ gedeckten) Mauerwerk (Rocca d'Arso, Rivoli, Osoppo) sind, teils Werke mit offnem Wall, teils nur verstärkte feldmäßige Anlagen. Fortifikatorisch am stärksten sind die Befestigungen von Agordo und die des Val Leogra; sehr stark armiert sind die Werke von Rivoli-Ceraino. Zahlreiche, militärischen Interessen dienende Koinmunikationsbauten in der Nahe der vorbereiteten Batteriestellungen, vielfache Demolierungsminenanlagen an den großem Kunstbauten, deren Wiederherstellung sehr schwierig und zeit¬ raubend ist, ergänzen die Verteidigungsmaßnahmen. Für die Verteidigung der nicht gesperrten Umgehungswege der Befestigungen verfügt Italien in den Alpini über Truppen, die mit dem Hochgebirge vertraut sind. L. Die Befestigungen an der österreichisch-ungarischen Grenze Der befestigte Raum von Tarvis. Tarvis, gegenüber dem italienischen Grenzvorsprung an der Fella gelegen, hat als Kommunikationsknoten eine besondre Bedeutung. Vom mittlern Tagliamento und von Udine führt eine Straße durch das Fellatal und eine Eisenbahn über Tarvis ins Drcmtal nach Vliland, als kürzeste Verbindung mit Wien, eine andre Straße über den Predilpaß ins Jsonzotal oder über Würzen ins Savetal nach Görz und nach Laibach, Flanke und Rücken der dort aufmarschierten österreichisch-ungarischen Streitkräfte bedrohend. Durch die Befestigungen bei Tarvis werden die italienischen Einbruchslinien über die Karnischen Alpen gesperrt und für den von österreichischer Seite etwa geplanten Einmarsch und Nachschub offen gehalten. Die Befestigungen bestehen aus den in den letzten Jahren nach modernen Grundsätzen erbauten Permanenten Sperren Finsch-Naldi und Fort Hensel. Die Sperren sind als Fernkampfwerke und Straßensperren organisiert. Die Fernkampfwerke enthalten je mehrere Geschütze unter Panzer. Die Sperre Finsch besteht aus dem Fern¬ kampfwerk Fort Hermann, der Straßensperre Mischer Klause und dem alten Fort Predil. Die Sperre Raibl setzt sich zusammen aus dem Fernkampfwerk Batterie Predilsattel und dem Sperrwerk Raibler See. Die Straße und die Eisenbahn im Fellatal werden durch das Panzerwerk Fort Hensel gesperrt. Tirol. In der vorspringenden Lage Südtirols liegt eine Gefährdung durch stark umfassende Angriffe aus dem Venezianischen und eine sehr wirksame Be¬ drohung des Rückens und der lange» durch das Puster- und Drautal führenden Verbindungen des Verteidigers. Die Etschtalstraße, die Chiusa Veneta, eine seit alter Zeit von aller Art Kriegsvolk betretne Straße, ist auch heute noch der Mittelpunkt des Verkehrs und militärischer Operationen. In ihr gewinnt der Raum um Trient für die Verteidigung besondern Wert; hier mündet die Mehrzahl der ins Etschtal auslaufenden italienischen Einbruchslinien. Es wird dadurch zum Zentralpunkt der Verteidigung Südtirols. Die Festung Trient ist eine nach modernen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/339
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/339>, abgerufen am 05.02.2025.