Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Drei Paar grobe Stiefel setzten sich zugleich in Bewegung. Es polterte, als sie Und der Student fand ein dummes zärtliches Liebeswort für die Schwestern. Dabei vertiefte sich Magdalenerichs Wangeugrübchen zum Entzücken, und Hele- Die Tante sah aus dem Fenster nach dem regendunkeln Erdreich, nach den Dann ging sie an den Glasschrank, machte auf und schob an den Gläsern Zuletzt drehte sie sich herum und nahm mit stillen, freundlichen Blicken die Mitten auf dem Sofa stand ein großes, länglich hohes Kissen in sanften Farben. In dem hochmütigen Kissen steckte auch ein wenig von dem Geist des kleinen So freute sich die Tante weiter an jedem Stück, daß es gebührlich auf seinem Die unvernünftigen, kranken Sehnsuchts- und Hochmutsgefnhle waren verflogen, Maßgebliches und Unmaßgebliches (Das Vorspiel der Haager Konferenz.) Reichsspiegel. Je mehr die innerpolitischen Fragen infolge der Osterpcmse in den Hinter¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches Drei Paar grobe Stiefel setzten sich zugleich in Bewegung. Es polterte, als sie Und der Student fand ein dummes zärtliches Liebeswort für die Schwestern. Dabei vertiefte sich Magdalenerichs Wangeugrübchen zum Entzücken, und Hele- Die Tante sah aus dem Fenster nach dem regendunkeln Erdreich, nach den Dann ging sie an den Glasschrank, machte auf und schob an den Gläsern Zuletzt drehte sie sich herum und nahm mit stillen, freundlichen Blicken die Mitten auf dem Sofa stand ein großes, länglich hohes Kissen in sanften Farben. In dem hochmütigen Kissen steckte auch ein wenig von dem Geist des kleinen So freute sich die Tante weiter an jedem Stück, daß es gebührlich auf seinem Die unvernünftigen, kranken Sehnsuchts- und Hochmutsgefnhle waren verflogen, Maßgebliches und Unmaßgebliches (Das Vorspiel der Haager Konferenz.) Reichsspiegel. Je mehr die innerpolitischen Fragen infolge der Osterpcmse in den Hinter¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302096"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_483"> Drei Paar grobe Stiefel setzten sich zugleich in Bewegung. Es polterte, als sie<lb/> hinausliefen. Und sie lachten und pufften sich und warfen die jungen Köpfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_484"> Und der Student fand ein dummes zärtliches Liebeswort für die Schwestern.<lb/> Laufe, sagte er, ihr Schweinsknöchelchen! Da rissen die Mädchen den Mund weit<lb/> auf vor Lachen.</p><lb/> <p xml:id="ID_485"> Dabei vertiefte sich Magdalenerichs Wangeugrübchen zum Entzücken, und Hele-<lb/> nerichs Kiungrübchen hatte nie so einzig Schim und lockend ausgesehen, so tief hinein<lb/> gemeißelt wie jetzt, in dem strahlenden, geröteten, kindlichen Jungfrauengesicht</p><lb/> <p xml:id="ID_486"> Die Tante sah aus dem Fenster nach dem regendunkeln Erdreich, nach den<lb/> Formen und Farben, die alle, welcher Art sie auch sein mochten, ins Bräunliche<lb/> hinüber schattierten. Die Luft war feucht, eine Wachse- und Werdeluft.</p><lb/> <p xml:id="ID_487"> Dann ging sie an den Glasschrank, machte auf und schob an den Gläsern<lb/> und Tassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_488"> Zuletzt drehte sie sich herum und nahm mit stillen, freundlichen Blicken die<lb/> Stube in Augenschein.</p><lb/> <p xml:id="ID_489"> Mitten auf dem Sofa stand ein großes, länglich hohes Kissen in sanften Farben.<lb/> Es war mit einer geschweiften Obergarnitur versehen, die ihm das Aussehen gab,<lb/> als wehre es mit den Armen, daß ihm niemand den Platz verkürze.</p><lb/> <p xml:id="ID_490"> In dem hochmütigen Kissen steckte auch ein wenig von dem Geist des kleinen<lb/> Napoleon. Die Tante nahm es lächelnd vom angestammten Platz, lehnte es gegen<lb/> die Seitenwand, und nun sah es ganz geruhsam aus, als lade es das müde Haupt<lb/> ein, sich darauf zu betten.</p><lb/> <p xml:id="ID_491"> So freute sich die Tante weiter an jedem Stück, daß es gebührlich auf seinem<lb/> alten Platze stand, die Nohrlehnstühle, die Schränke, die Bilder an den Wänden.<lb/> Und eine bebende, dankbare Freude erfüllte ihr Herz, das; auch sie wieder hier war,<lb/> daß sie sich zurückgefunden hatte, hierher auf ihren Posten zu Gundermanns.</p><lb/> <p xml:id="ID_492"> Die unvernünftigen, kranken Sehnsuchts- und Hochmutsgefnhle waren verflogen,<lb/> und eine starke, sonnige, sanfte Herbststille hatte von ihrem ganzen Wesen Besitz<lb/> ergriffen, daraus der kleine Napoleon, der Aufrührer und Gewaltmensch, für immer<lb/> entwichen war.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <note type="argument"> (Das Vorspiel der Haager Konferenz.)</note><lb/> <div n="2"> <head> Reichsspiegel.</head><lb/> <p xml:id="ID_493" next="#ID_494"> Je mehr die innerpolitischen Fragen infolge der Osterpcmse in den Hinter¬<lb/> grund treten, desto mehr wendet sich die Aufmerksamkeit dem Vorspiel der Haager<lb/> Friedenskonferenz zu. Noch vor acht Tagen fehlte es an jeder sichern Unterlage für<lb/> eine feste Stellung der öffentlichen Meinung. Zwar unterlag es bei allen aufrichtigen<lb/> und realpolitisch denkenden Leuten keinem Zweifel, daß sich Deutschland in der Aus¬<lb/> gestaltung seiner Wehrkraft keine Beschränkungen seines freien Willens auferlegen<lb/> lassen könne. Auch ist wohl niemand ernstlich auf den Gedanken gekommen, ein<lb/> deutscher Kaiser aus dem Hohenzollernhause oder sonst ein deutscher Bundesfürst oder<lb/> ein verantwortlicher deutscher Staatsmann könne die gute Waffelnüstuug unsers<lb/> Vaterlandes leichtfertig preisgeben, um einer Utopie Unterstützung zu gewähren. Aber<lb/> es gibt weite Kreise bet uns, die durch den Einfluß einer gutgemeinten, aber sehr<lb/> schädlich wirkenden Bearbeitung der öffentlichen Meinung künstlich nervös gemacht<lb/> worden sind, und diese standen unter dem Eindruck, daß die Haager Konferenz</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Drei Paar grobe Stiefel setzten sich zugleich in Bewegung. Es polterte, als sie
hinausliefen. Und sie lachten und pufften sich und warfen die jungen Köpfe.
Und der Student fand ein dummes zärtliches Liebeswort für die Schwestern.
Laufe, sagte er, ihr Schweinsknöchelchen! Da rissen die Mädchen den Mund weit
auf vor Lachen.
Dabei vertiefte sich Magdalenerichs Wangeugrübchen zum Entzücken, und Hele-
nerichs Kiungrübchen hatte nie so einzig Schim und lockend ausgesehen, so tief hinein
gemeißelt wie jetzt, in dem strahlenden, geröteten, kindlichen Jungfrauengesicht
Die Tante sah aus dem Fenster nach dem regendunkeln Erdreich, nach den
Formen und Farben, die alle, welcher Art sie auch sein mochten, ins Bräunliche
hinüber schattierten. Die Luft war feucht, eine Wachse- und Werdeluft.
Dann ging sie an den Glasschrank, machte auf und schob an den Gläsern
und Tassen.
Zuletzt drehte sie sich herum und nahm mit stillen, freundlichen Blicken die
Stube in Augenschein.
Mitten auf dem Sofa stand ein großes, länglich hohes Kissen in sanften Farben.
Es war mit einer geschweiften Obergarnitur versehen, die ihm das Aussehen gab,
als wehre es mit den Armen, daß ihm niemand den Platz verkürze.
In dem hochmütigen Kissen steckte auch ein wenig von dem Geist des kleinen
Napoleon. Die Tante nahm es lächelnd vom angestammten Platz, lehnte es gegen
die Seitenwand, und nun sah es ganz geruhsam aus, als lade es das müde Haupt
ein, sich darauf zu betten.
So freute sich die Tante weiter an jedem Stück, daß es gebührlich auf seinem
alten Platze stand, die Nohrlehnstühle, die Schränke, die Bilder an den Wänden.
Und eine bebende, dankbare Freude erfüllte ihr Herz, das; auch sie wieder hier war,
daß sie sich zurückgefunden hatte, hierher auf ihren Posten zu Gundermanns.
Die unvernünftigen, kranken Sehnsuchts- und Hochmutsgefnhle waren verflogen,
und eine starke, sonnige, sanfte Herbststille hatte von ihrem ganzen Wesen Besitz
ergriffen, daraus der kleine Napoleon, der Aufrührer und Gewaltmensch, für immer
entwichen war.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
(Das Vorspiel der Haager Konferenz.)
Reichsspiegel.
Je mehr die innerpolitischen Fragen infolge der Osterpcmse in den Hinter¬
grund treten, desto mehr wendet sich die Aufmerksamkeit dem Vorspiel der Haager
Friedenskonferenz zu. Noch vor acht Tagen fehlte es an jeder sichern Unterlage für
eine feste Stellung der öffentlichen Meinung. Zwar unterlag es bei allen aufrichtigen
und realpolitisch denkenden Leuten keinem Zweifel, daß sich Deutschland in der Aus¬
gestaltung seiner Wehrkraft keine Beschränkungen seines freien Willens auferlegen
lassen könne. Auch ist wohl niemand ernstlich auf den Gedanken gekommen, ein
deutscher Kaiser aus dem Hohenzollernhause oder sonst ein deutscher Bundesfürst oder
ein verantwortlicher deutscher Staatsmann könne die gute Waffelnüstuug unsers
Vaterlandes leichtfertig preisgeben, um einer Utopie Unterstützung zu gewähren. Aber
es gibt weite Kreise bet uns, die durch den Einfluß einer gutgemeinten, aber sehr
schädlich wirkenden Bearbeitung der öffentlichen Meinung künstlich nervös gemacht
worden sind, und diese standen unter dem Eindruck, daß die Haager Konferenz
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