Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Frauen in den Gemeindeverwaltungen
Marie Franz von

MLWV^^ eder in den Land- noch in den Stadtgemeinden haben die Frauen
passive Kemeindcwahlrccht: es ist ihnen also das Recht ver-
M "^^^ 5"^' in die Gemeindevertretung gewühlt zu werden. Die Städte
die Frauen auch von dein aktiven Gemeiuocwahlrecht
I^^Ld^An aus, das heißt von dem Recht, die Gemeindevertretung ,;n wählen.
Die Landgemeinden dagegen lassei, in den Grundbesitzer- oder Eigentums¬
gemeinden das aktive Wahlrecht der Frauen zu. Das Königreich Sachsen zum
Beispiel gewährt den unverheirateten Grundbesitzerinnen das selbständige Wühlen,
andre Staaten gestatten die Wahl durch einen männlichen Stellvertreter. Sachsen-
Weimar-Eisenach und Koburg-Gotha gewähren die Wahl durch männliche Stell¬
vertreter auch in den Bürgergemeindeu, das heißt in solchen, in denen das Wahlrecht
am Gemeindebürgerrecht haftet, und an den Bürgergemeinden des rechtsrheinischen
Bayerns erhalten die Frauen das Wahlrecht nur, wenn sie Eigentümerinnen
eines zu versteuernden Wohnhauses sind, oder falls sie sich unter den vier ersten
Plätzen der Steuerzahler finden.

Das berufliche Leben stellt an den Mann sich immer mehr steigernde An¬
sprüche, er ist kaum imstande, den Anforderungen, die außerberuflich Staat und
Gemeinde an ihn stellen, zu genügen, viel weniger ihnen in vollem Maße gerecht
zu werden. Ich habe in meinem Artikel "Frauen als Vormund" (Grenzboten
1905, Ur. 28) darauf hingewiesen, wie auf dem so wichtigen Gebiete der Vormund¬
schaft eine Entlastung des Mannes durch die Frau zugunsten des der Vor¬
mundschaft bedürfenden Kindes eintreten müsse im Interesse des öffentlichen
Lebens. Auch hier, in den Gemeindeverwaltungen, macht sich die überlastete
und dadurch erlahmende Kraft des Mannes mehr und mehr bemerkbar. Auch
hier wird er freudig die Frau begrüßen, denn auch hier tritt sie ihm nicht als
Konkurrentin entgegen, sondern als Helferin zur Seite. Es macht sich mehr
und mehr die Schwierigkeit geltend, urteilsfähige Persönlichkeiten und leistungs¬
fähige Kräfte für den Dienst der Gemeinde zu finden. Durch die Mitarbeit
der Frau, der Frau der gebildeten Stände, wird sich diese Zahl der zur Ver¬
fügung stehenden Kräfte ungemein vergrößern.

Ferner küßt es sich nicht leugnen, daß die Fran von Haus aus in vielen
Dingen praktischer, haushälterischer veranlagt ist als der Mann. Sie würde




Frauen in den Gemeindeverwaltungen
Marie Franz von

MLWV^^ eder in den Land- noch in den Stadtgemeinden haben die Frauen
passive Kemeindcwahlrccht: es ist ihnen also das Recht ver-
M «^^^ 5"^' in die Gemeindevertretung gewühlt zu werden. Die Städte
die Frauen auch von dein aktiven Gemeiuocwahlrecht
I^^Ld^An aus, das heißt von dem Recht, die Gemeindevertretung ,;n wählen.
Die Landgemeinden dagegen lassei, in den Grundbesitzer- oder Eigentums¬
gemeinden das aktive Wahlrecht der Frauen zu. Das Königreich Sachsen zum
Beispiel gewährt den unverheirateten Grundbesitzerinnen das selbständige Wühlen,
andre Staaten gestatten die Wahl durch einen männlichen Stellvertreter. Sachsen-
Weimar-Eisenach und Koburg-Gotha gewähren die Wahl durch männliche Stell¬
vertreter auch in den Bürgergemeindeu, das heißt in solchen, in denen das Wahlrecht
am Gemeindebürgerrecht haftet, und an den Bürgergemeinden des rechtsrheinischen
Bayerns erhalten die Frauen das Wahlrecht nur, wenn sie Eigentümerinnen
eines zu versteuernden Wohnhauses sind, oder falls sie sich unter den vier ersten
Plätzen der Steuerzahler finden.

Das berufliche Leben stellt an den Mann sich immer mehr steigernde An¬
sprüche, er ist kaum imstande, den Anforderungen, die außerberuflich Staat und
Gemeinde an ihn stellen, zu genügen, viel weniger ihnen in vollem Maße gerecht
zu werden. Ich habe in meinem Artikel „Frauen als Vormund" (Grenzboten
1905, Ur. 28) darauf hingewiesen, wie auf dem so wichtigen Gebiete der Vormund¬
schaft eine Entlastung des Mannes durch die Frau zugunsten des der Vor¬
mundschaft bedürfenden Kindes eintreten müsse im Interesse des öffentlichen
Lebens. Auch hier, in den Gemeindeverwaltungen, macht sich die überlastete
und dadurch erlahmende Kraft des Mannes mehr und mehr bemerkbar. Auch
hier wird er freudig die Frau begrüßen, denn auch hier tritt sie ihm nicht als
Konkurrentin entgegen, sondern als Helferin zur Seite. Es macht sich mehr
und mehr die Schwierigkeit geltend, urteilsfähige Persönlichkeiten und leistungs¬
fähige Kräfte für den Dienst der Gemeinde zu finden. Durch die Mitarbeit
der Frau, der Frau der gebildeten Stände, wird sich diese Zahl der zur Ver¬
fügung stehenden Kräfte ungemein vergrößern.

Ferner küßt es sich nicht leugnen, daß die Fran von Haus aus in vielen
Dingen praktischer, haushälterischer veranlagt ist als der Mann. Sie würde


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0704" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301958"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341885_301253/figures/grenzboten_341885_301253_301958_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Frauen in den Gemeindeverwaltungen<lb/><note type="byline"> Marie Franz</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2543"> MLWV^^ eder in den Land- noch in den Stadtgemeinden haben die Frauen<lb/>
passive Kemeindcwahlrccht: es ist ihnen also das Recht ver-<lb/>
M «^^^ 5"^' in die Gemeindevertretung gewühlt zu werden. Die Städte<lb/>
die Frauen auch von dein aktiven Gemeiuocwahlrecht<lb/>
I^^Ld^An aus, das heißt von dem Recht, die Gemeindevertretung ,;n wählen.<lb/>
Die Landgemeinden dagegen lassei, in den Grundbesitzer- oder Eigentums¬<lb/>
gemeinden das aktive Wahlrecht der Frauen zu. Das Königreich Sachsen zum<lb/>
Beispiel gewährt den unverheirateten Grundbesitzerinnen das selbständige Wühlen,<lb/>
andre Staaten gestatten die Wahl durch einen männlichen Stellvertreter. Sachsen-<lb/>
Weimar-Eisenach und Koburg-Gotha gewähren die Wahl durch männliche Stell¬<lb/>
vertreter auch in den Bürgergemeindeu, das heißt in solchen, in denen das Wahlrecht<lb/>
am Gemeindebürgerrecht haftet, und an den Bürgergemeinden des rechtsrheinischen<lb/>
Bayerns erhalten die Frauen das Wahlrecht nur, wenn sie Eigentümerinnen<lb/>
eines zu versteuernden Wohnhauses sind, oder falls sie sich unter den vier ersten<lb/>
Plätzen der Steuerzahler finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2544"> Das berufliche Leben stellt an den Mann sich immer mehr steigernde An¬<lb/>
sprüche, er ist kaum imstande, den Anforderungen, die außerberuflich Staat und<lb/>
Gemeinde an ihn stellen, zu genügen, viel weniger ihnen in vollem Maße gerecht<lb/>
zu werden. Ich habe in meinem Artikel &#x201E;Frauen als Vormund" (Grenzboten<lb/>
1905, Ur. 28) darauf hingewiesen, wie auf dem so wichtigen Gebiete der Vormund¬<lb/>
schaft eine Entlastung des Mannes durch die Frau zugunsten des der Vor¬<lb/>
mundschaft bedürfenden Kindes eintreten müsse im Interesse des öffentlichen<lb/>
Lebens. Auch hier, in den Gemeindeverwaltungen, macht sich die überlastete<lb/>
und dadurch erlahmende Kraft des Mannes mehr und mehr bemerkbar. Auch<lb/>
hier wird er freudig die Frau begrüßen, denn auch hier tritt sie ihm nicht als<lb/>
Konkurrentin entgegen, sondern als Helferin zur Seite. Es macht sich mehr<lb/>
und mehr die Schwierigkeit geltend, urteilsfähige Persönlichkeiten und leistungs¬<lb/>
fähige Kräfte für den Dienst der Gemeinde zu finden. Durch die Mitarbeit<lb/>
der Frau, der Frau der gebildeten Stände, wird sich diese Zahl der zur Ver¬<lb/>
fügung stehenden Kräfte ungemein vergrößern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2545" next="#ID_2546"> Ferner küßt es sich nicht leugnen, daß die Fran von Haus aus in vielen<lb/>
Dingen praktischer, haushälterischer veranlagt ist als der Mann. Sie würde</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0704] [Abbildung] Frauen in den Gemeindeverwaltungen Marie Franz von MLWV^^ eder in den Land- noch in den Stadtgemeinden haben die Frauen passive Kemeindcwahlrccht: es ist ihnen also das Recht ver- M «^^^ 5"^' in die Gemeindevertretung gewühlt zu werden. Die Städte die Frauen auch von dein aktiven Gemeiuocwahlrecht I^^Ld^An aus, das heißt von dem Recht, die Gemeindevertretung ,;n wählen. Die Landgemeinden dagegen lassei, in den Grundbesitzer- oder Eigentums¬ gemeinden das aktive Wahlrecht der Frauen zu. Das Königreich Sachsen zum Beispiel gewährt den unverheirateten Grundbesitzerinnen das selbständige Wühlen, andre Staaten gestatten die Wahl durch einen männlichen Stellvertreter. Sachsen- Weimar-Eisenach und Koburg-Gotha gewähren die Wahl durch männliche Stell¬ vertreter auch in den Bürgergemeindeu, das heißt in solchen, in denen das Wahlrecht am Gemeindebürgerrecht haftet, und an den Bürgergemeinden des rechtsrheinischen Bayerns erhalten die Frauen das Wahlrecht nur, wenn sie Eigentümerinnen eines zu versteuernden Wohnhauses sind, oder falls sie sich unter den vier ersten Plätzen der Steuerzahler finden. Das berufliche Leben stellt an den Mann sich immer mehr steigernde An¬ sprüche, er ist kaum imstande, den Anforderungen, die außerberuflich Staat und Gemeinde an ihn stellen, zu genügen, viel weniger ihnen in vollem Maße gerecht zu werden. Ich habe in meinem Artikel „Frauen als Vormund" (Grenzboten 1905, Ur. 28) darauf hingewiesen, wie auf dem so wichtigen Gebiete der Vormund¬ schaft eine Entlastung des Mannes durch die Frau zugunsten des der Vor¬ mundschaft bedürfenden Kindes eintreten müsse im Interesse des öffentlichen Lebens. Auch hier, in den Gemeindeverwaltungen, macht sich die überlastete und dadurch erlahmende Kraft des Mannes mehr und mehr bemerkbar. Auch hier wird er freudig die Frau begrüßen, denn auch hier tritt sie ihm nicht als Konkurrentin entgegen, sondern als Helferin zur Seite. Es macht sich mehr und mehr die Schwierigkeit geltend, urteilsfähige Persönlichkeiten und leistungs¬ fähige Kräfte für den Dienst der Gemeinde zu finden. Durch die Mitarbeit der Frau, der Frau der gebildeten Stände, wird sich diese Zahl der zur Ver¬ fügung stehenden Kräfte ungemein vergrößern. Ferner küßt es sich nicht leugnen, daß die Fran von Haus aus in vielen Dingen praktischer, haushälterischer veranlagt ist als der Mann. Sie würde

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/704
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/704>, abgerufen am 27.06.2024.