Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Haftung des Staats für schuldhafte Handlungen der Beamten

der Menschenmaterial ersten Ranges zur Verfügung hat, stärker ist. Die Ameri¬
kaner haben sich allerdings in dem Befreiungskrieg und 1812 gegen England
und neuerdings gegen Spanien gut geschlagen, aber man darf nicht außer acht
lassen, daß bei der Losreißung vom Mutterlande der natürliche Freiheitsdrang
und bei der Niederringung Spaniens die größere Kraft ihnen zugute kam,
während bei einem Kriege mit Japan alle moralischen Gründe auf dessen Seite
stehn, denn die japanische Expansionsneigung, die durch die Enge der Heimat
geweckt und durch die Waffenerfolge gegen Rußland verstärkt worden ist, wird
sich mit der Unaufhaltsamkeit einer Naturkraft üußeru, und dagegen wird
v. L. vielleicht den Amerikanern alles Gold der Erde nichts nützen.




Die Haftung des Staats für schuldhafte Handlungen
der Beamten
Lügen Josef i vonn

s^jSl ach den Paragraphen 31 und 89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist
der Staat verantwortlich für den Schaden, den ein (zur Vertretung
verfassungsmäßig berufner) Beamter in Ausführung der ihm ob¬
liegenden -- privatrechtlichen -- Verrichtungen einem Dritten zufügt,
! wogegen die Pflicht zum Ersatz eines Schadens, den der Beamte in
Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt zufügt, sich gemäß Artikel 77
des Einführungsgesetzes nach den Landesgesetzen regelt. Aber wo ist die sichere
Grenze zwischen Handlungen des Beamten, die sich als Ausführung "privat¬
rechtlicher Verrichtungen" darstellen, und zwischen solchen Handlungen, die er in
Ausübung der ihm anvertrauten "öffentlichen Gewalt" vornimmt? Ein Blick auf
die Rechtsprechung zeigt die ungeheuern Schwierigkeiten der Abgrenzung beider
Rechtsgebiete. Schießübungen, die behufs militärischer Ausbildung der Truppen
vorgenommen werden, erfolgen in direkter Ausübung des Militärhoheitsrechts;
und ob die verirrte Kugel, durch die ich getroffen werde, eine Schadenersatzpflicht
des Militärfiskus erzeugt, darüber entscheiden, wie erwähnt, die Landesgesetze. Wie
aber, wenn ein Offizier im Auftrage des Vorgesetzten die Munition prüft, um
die Brauchbarkeit der fiskalischen Bestünde festzustellen, und bei dieser Tätigkeit
jemand durch eine Explosion verletzt wird, oder wenn der Offizier bei der
Abnahme der vom Fiskus angekauften Glühzündapparate diese prüft, um fest¬
zustellen, ob sie brauchbar sind, und hierbei jemand verletzt wird? Haftet auch
hier der Fiskus nach Maßgabe der Landesgesetze oder unbedingt nach Ma߬
gabe der Paragraphen 31 und 89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs? Das Reichs¬
gericht (Entscheidungen Band 55, Seite 174) hat die Frage in dem letzten


Die Haftung des Staats für schuldhafte Handlungen der Beamten

der Menschenmaterial ersten Ranges zur Verfügung hat, stärker ist. Die Ameri¬
kaner haben sich allerdings in dem Befreiungskrieg und 1812 gegen England
und neuerdings gegen Spanien gut geschlagen, aber man darf nicht außer acht
lassen, daß bei der Losreißung vom Mutterlande der natürliche Freiheitsdrang
und bei der Niederringung Spaniens die größere Kraft ihnen zugute kam,
während bei einem Kriege mit Japan alle moralischen Gründe auf dessen Seite
stehn, denn die japanische Expansionsneigung, die durch die Enge der Heimat
geweckt und durch die Waffenerfolge gegen Rußland verstärkt worden ist, wird
sich mit der Unaufhaltsamkeit einer Naturkraft üußeru, und dagegen wird
v. L. vielleicht den Amerikanern alles Gold der Erde nichts nützen.




Die Haftung des Staats für schuldhafte Handlungen
der Beamten
Lügen Josef i vonn

s^jSl ach den Paragraphen 31 und 89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist
der Staat verantwortlich für den Schaden, den ein (zur Vertretung
verfassungsmäßig berufner) Beamter in Ausführung der ihm ob¬
liegenden — privatrechtlichen — Verrichtungen einem Dritten zufügt,
! wogegen die Pflicht zum Ersatz eines Schadens, den der Beamte in
Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt zufügt, sich gemäß Artikel 77
des Einführungsgesetzes nach den Landesgesetzen regelt. Aber wo ist die sichere
Grenze zwischen Handlungen des Beamten, die sich als Ausführung „privat¬
rechtlicher Verrichtungen" darstellen, und zwischen solchen Handlungen, die er in
Ausübung der ihm anvertrauten „öffentlichen Gewalt" vornimmt? Ein Blick auf
die Rechtsprechung zeigt die ungeheuern Schwierigkeiten der Abgrenzung beider
Rechtsgebiete. Schießübungen, die behufs militärischer Ausbildung der Truppen
vorgenommen werden, erfolgen in direkter Ausübung des Militärhoheitsrechts;
und ob die verirrte Kugel, durch die ich getroffen werde, eine Schadenersatzpflicht
des Militärfiskus erzeugt, darüber entscheiden, wie erwähnt, die Landesgesetze. Wie
aber, wenn ein Offizier im Auftrage des Vorgesetzten die Munition prüft, um
die Brauchbarkeit der fiskalischen Bestünde festzustellen, und bei dieser Tätigkeit
jemand durch eine Explosion verletzt wird, oder wenn der Offizier bei der
Abnahme der vom Fiskus angekauften Glühzündapparate diese prüft, um fest¬
zustellen, ob sie brauchbar sind, und hierbei jemand verletzt wird? Haftet auch
hier der Fiskus nach Maßgabe der Landesgesetze oder unbedingt nach Ma߬
gabe der Paragraphen 31 und 89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs? Das Reichs¬
gericht (Entscheidungen Band 55, Seite 174) hat die Frage in dem letzten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0685" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301939"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Haftung des Staats für schuldhafte Handlungen der Beamten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2498" prev="#ID_2497"> der Menschenmaterial ersten Ranges zur Verfügung hat, stärker ist. Die Ameri¬<lb/>
kaner haben sich allerdings in dem Befreiungskrieg und 1812 gegen England<lb/>
und neuerdings gegen Spanien gut geschlagen, aber man darf nicht außer acht<lb/>
lassen, daß bei der Losreißung vom Mutterlande der natürliche Freiheitsdrang<lb/>
und bei der Niederringung Spaniens die größere Kraft ihnen zugute kam,<lb/>
während bei einem Kriege mit Japan alle moralischen Gründe auf dessen Seite<lb/>
stehn, denn die japanische Expansionsneigung, die durch die Enge der Heimat<lb/>
geweckt und durch die Waffenerfolge gegen Rußland verstärkt worden ist, wird<lb/>
sich mit der Unaufhaltsamkeit einer Naturkraft üußeru, und dagegen wird<lb/><note type="byline"> v. L.</note> vielleicht den Amerikanern alles Gold der Erde nichts nützen. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Haftung des Staats für schuldhafte Handlungen<lb/>
der Beamten<lb/><note type="byline"> Lügen Josef i</note> vonn </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2499" next="#ID_2500"> s^jSl ach den Paragraphen 31 und 89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist<lb/>
der Staat verantwortlich für den Schaden, den ein (zur Vertretung<lb/>
verfassungsmäßig berufner) Beamter in Ausführung der ihm ob¬<lb/>
liegenden &#x2014; privatrechtlichen &#x2014; Verrichtungen einem Dritten zufügt,<lb/>
! wogegen die Pflicht zum Ersatz eines Schadens, den der Beamte in<lb/>
Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt zufügt, sich gemäß Artikel 77<lb/>
des Einführungsgesetzes nach den Landesgesetzen regelt. Aber wo ist die sichere<lb/>
Grenze zwischen Handlungen des Beamten, die sich als Ausführung &#x201E;privat¬<lb/>
rechtlicher Verrichtungen" darstellen, und zwischen solchen Handlungen, die er in<lb/>
Ausübung der ihm anvertrauten &#x201E;öffentlichen Gewalt" vornimmt? Ein Blick auf<lb/>
die Rechtsprechung zeigt die ungeheuern Schwierigkeiten der Abgrenzung beider<lb/>
Rechtsgebiete. Schießübungen, die behufs militärischer Ausbildung der Truppen<lb/>
vorgenommen werden, erfolgen in direkter Ausübung des Militärhoheitsrechts;<lb/>
und ob die verirrte Kugel, durch die ich getroffen werde, eine Schadenersatzpflicht<lb/>
des Militärfiskus erzeugt, darüber entscheiden, wie erwähnt, die Landesgesetze. Wie<lb/>
aber, wenn ein Offizier im Auftrage des Vorgesetzten die Munition prüft, um<lb/>
die Brauchbarkeit der fiskalischen Bestünde festzustellen, und bei dieser Tätigkeit<lb/>
jemand durch eine Explosion verletzt wird, oder wenn der Offizier bei der<lb/>
Abnahme der vom Fiskus angekauften Glühzündapparate diese prüft, um fest¬<lb/>
zustellen, ob sie brauchbar sind, und hierbei jemand verletzt wird? Haftet auch<lb/>
hier der Fiskus nach Maßgabe der Landesgesetze oder unbedingt nach Ma߬<lb/>
gabe der Paragraphen 31 und 89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs? Das Reichs¬<lb/>
gericht (Entscheidungen Band 55, Seite 174) hat die Frage in dem letzten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0685] Die Haftung des Staats für schuldhafte Handlungen der Beamten der Menschenmaterial ersten Ranges zur Verfügung hat, stärker ist. Die Ameri¬ kaner haben sich allerdings in dem Befreiungskrieg und 1812 gegen England und neuerdings gegen Spanien gut geschlagen, aber man darf nicht außer acht lassen, daß bei der Losreißung vom Mutterlande der natürliche Freiheitsdrang und bei der Niederringung Spaniens die größere Kraft ihnen zugute kam, während bei einem Kriege mit Japan alle moralischen Gründe auf dessen Seite stehn, denn die japanische Expansionsneigung, die durch die Enge der Heimat geweckt und durch die Waffenerfolge gegen Rußland verstärkt worden ist, wird sich mit der Unaufhaltsamkeit einer Naturkraft üußeru, und dagegen wird v. L. vielleicht den Amerikanern alles Gold der Erde nichts nützen. Die Haftung des Staats für schuldhafte Handlungen der Beamten Lügen Josef i vonn s^jSl ach den Paragraphen 31 und 89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Staat verantwortlich für den Schaden, den ein (zur Vertretung verfassungsmäßig berufner) Beamter in Ausführung der ihm ob¬ liegenden — privatrechtlichen — Verrichtungen einem Dritten zufügt, ! wogegen die Pflicht zum Ersatz eines Schadens, den der Beamte in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt zufügt, sich gemäß Artikel 77 des Einführungsgesetzes nach den Landesgesetzen regelt. Aber wo ist die sichere Grenze zwischen Handlungen des Beamten, die sich als Ausführung „privat¬ rechtlicher Verrichtungen" darstellen, und zwischen solchen Handlungen, die er in Ausübung der ihm anvertrauten „öffentlichen Gewalt" vornimmt? Ein Blick auf die Rechtsprechung zeigt die ungeheuern Schwierigkeiten der Abgrenzung beider Rechtsgebiete. Schießübungen, die behufs militärischer Ausbildung der Truppen vorgenommen werden, erfolgen in direkter Ausübung des Militärhoheitsrechts; und ob die verirrte Kugel, durch die ich getroffen werde, eine Schadenersatzpflicht des Militärfiskus erzeugt, darüber entscheiden, wie erwähnt, die Landesgesetze. Wie aber, wenn ein Offizier im Auftrage des Vorgesetzten die Munition prüft, um die Brauchbarkeit der fiskalischen Bestünde festzustellen, und bei dieser Tätigkeit jemand durch eine Explosion verletzt wird, oder wenn der Offizier bei der Abnahme der vom Fiskus angekauften Glühzündapparate diese prüft, um fest¬ zustellen, ob sie brauchbar sind, und hierbei jemand verletzt wird? Haftet auch hier der Fiskus nach Maßgabe der Landesgesetze oder unbedingt nach Ma߬ gabe der Paragraphen 31 und 89 des Bürgerlichen Gesetzbuchs? Das Reichs¬ gericht (Entscheidungen Band 55, Seite 174) hat die Frage in dem letzten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/685
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/685>, abgerufen am 27.06.2024.