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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Nottelbeck und Lucadou

zweier Dynastien, Hohenzollern und Bismarck, handelte es sich -- diese Auf¬
fassung verdunkelt den springenden Punkt --, sondern: um den Bestand der
kaiserlichen Dynastie an sich. Wer nachher Cäsar geworden wäre, war eine zweite
Frage, Zu ihr hat es der Kaiser nicht kommen lassen.

Auf Vismarcks Grabe steht die von ihm selbst verfaßte Inschrift: Ein treuer
deutscher Diener Kaiser Wilhelms des Ersten, Wenn er so Schweres unter¬
nommen hatte, durfte er sich dann noch als treuen deutschen Diener eines hohen-
zvllerschen Kaisers bezeichnen? war diese Inschrift nicht theatralisch gewagt? Nein,
weder objektiv noch subjektiv war sie das, Objektiv -- das sagt sein Werk,
Subjektiv -- anders malt sich das Leben in der ruhigen Abklärung, die dem
Scheiden vorausgeht, als in der Zeit der Kämpfe, Von solchen letzten "Gedanken
und Erinnerungen" wissen wir freilich nichts. Aber auch ihm wird die entsagende
Erkenntnis nicht erspart geblieben sein, daß der Kitt eines nationalen Bestandes,
wie er einmal vorliegt, zu zähe ist, als daß die Phantasie auch eines großen
Hirnes ihn leicht verarbeiten könnte, daß auch der Größte die Weltgeschichte
nicht allein machen kann, und daß anch er selbst nur ein Diener war an dem
Werke der Geschichte, das nun einmal mit dem Namen unsers ersten alten
Kaisers untrennbar verbunden ist. So nennt er sich mit gutem Grunde einen
Diener Kaiser Wilhelms des Ersten. Und er war auch ein treuer deutscher
Diener. Was er gewollt hatte, das hatte immer im Zeichen der Größe seines
Vaterlandes gestanden. Auch der Große ist vom Irren nicht frei. In seiner
Art war alles groß, tren und deutsch gewollt gewesen. In diesem Geiste durfte
er sich das Grabwort schreiben.

In diesem Geiste wird auch für uns seine Erinnerung mit der damals richtigern
Handlung seines Kaisers ausgesöhnt, olons Julius -- ^of Lassen'. Das eine
stört das andre nicht.




Nettelbeck und Lucadou

Eine Erinnerung an die ruhmvolle Verteidigung Aolbergs in den Jahren
^806 und 1,807 zur ausgleichenden Gerechtigkeit
von Rudolf Stoewer in Danzig
l

i er 2. Juli 1807 ist ein Ehrentag in der Geschichte des preußischen
Staates und des ganzen deutschen Vaterlandes, ein leuchtender
Stern in den schwarzen Wetterwolken während des tiefsten Falles
Preußens. Hundert Jahre sind dahingegangen seit jenem Tage,
!wo Kolbergs ruhmvolle Verteidigung die Augen der Mitwelt
auf sich zog in einer Zeit großer Taten in der Geschichte, in einer Zeit des
Zusammenbruchs der alten Formen Deutschlands. Was die großen Festungen
Erfurt, Magdeburg, Hameln, Klistrin, Spandau und Stettin nicht vermocht


Nottelbeck und Lucadou

zweier Dynastien, Hohenzollern und Bismarck, handelte es sich — diese Auf¬
fassung verdunkelt den springenden Punkt —, sondern: um den Bestand der
kaiserlichen Dynastie an sich. Wer nachher Cäsar geworden wäre, war eine zweite
Frage, Zu ihr hat es der Kaiser nicht kommen lassen.

Auf Vismarcks Grabe steht die von ihm selbst verfaßte Inschrift: Ein treuer
deutscher Diener Kaiser Wilhelms des Ersten, Wenn er so Schweres unter¬
nommen hatte, durfte er sich dann noch als treuen deutschen Diener eines hohen-
zvllerschen Kaisers bezeichnen? war diese Inschrift nicht theatralisch gewagt? Nein,
weder objektiv noch subjektiv war sie das, Objektiv — das sagt sein Werk,
Subjektiv — anders malt sich das Leben in der ruhigen Abklärung, die dem
Scheiden vorausgeht, als in der Zeit der Kämpfe, Von solchen letzten „Gedanken
und Erinnerungen" wissen wir freilich nichts. Aber auch ihm wird die entsagende
Erkenntnis nicht erspart geblieben sein, daß der Kitt eines nationalen Bestandes,
wie er einmal vorliegt, zu zähe ist, als daß die Phantasie auch eines großen
Hirnes ihn leicht verarbeiten könnte, daß auch der Größte die Weltgeschichte
nicht allein machen kann, und daß anch er selbst nur ein Diener war an dem
Werke der Geschichte, das nun einmal mit dem Namen unsers ersten alten
Kaisers untrennbar verbunden ist. So nennt er sich mit gutem Grunde einen
Diener Kaiser Wilhelms des Ersten. Und er war auch ein treuer deutscher
Diener. Was er gewollt hatte, das hatte immer im Zeichen der Größe seines
Vaterlandes gestanden. Auch der Große ist vom Irren nicht frei. In seiner
Art war alles groß, tren und deutsch gewollt gewesen. In diesem Geiste durfte
er sich das Grabwort schreiben.

In diesem Geiste wird auch für uns seine Erinnerung mit der damals richtigern
Handlung seines Kaisers ausgesöhnt, olons Julius — ^of Lassen'. Das eine
stört das andre nicht.




Nettelbeck und Lucadou

Eine Erinnerung an die ruhmvolle Verteidigung Aolbergs in den Jahren
^806 und 1,807 zur ausgleichenden Gerechtigkeit
von Rudolf Stoewer in Danzig
l

i er 2. Juli 1807 ist ein Ehrentag in der Geschichte des preußischen
Staates und des ganzen deutschen Vaterlandes, ein leuchtender
Stern in den schwarzen Wetterwolken während des tiefsten Falles
Preußens. Hundert Jahre sind dahingegangen seit jenem Tage,
!wo Kolbergs ruhmvolle Verteidigung die Augen der Mitwelt
auf sich zog in einer Zeit großer Taten in der Geschichte, in einer Zeit des
Zusammenbruchs der alten Formen Deutschlands. Was die großen Festungen
Erfurt, Magdeburg, Hameln, Klistrin, Spandau und Stettin nicht vermocht


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[0459] Nottelbeck und Lucadou zweier Dynastien, Hohenzollern und Bismarck, handelte es sich — diese Auf¬ fassung verdunkelt den springenden Punkt —, sondern: um den Bestand der kaiserlichen Dynastie an sich. Wer nachher Cäsar geworden wäre, war eine zweite Frage, Zu ihr hat es der Kaiser nicht kommen lassen. Auf Vismarcks Grabe steht die von ihm selbst verfaßte Inschrift: Ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms des Ersten, Wenn er so Schweres unter¬ nommen hatte, durfte er sich dann noch als treuen deutschen Diener eines hohen- zvllerschen Kaisers bezeichnen? war diese Inschrift nicht theatralisch gewagt? Nein, weder objektiv noch subjektiv war sie das, Objektiv — das sagt sein Werk, Subjektiv — anders malt sich das Leben in der ruhigen Abklärung, die dem Scheiden vorausgeht, als in der Zeit der Kämpfe, Von solchen letzten „Gedanken und Erinnerungen" wissen wir freilich nichts. Aber auch ihm wird die entsagende Erkenntnis nicht erspart geblieben sein, daß der Kitt eines nationalen Bestandes, wie er einmal vorliegt, zu zähe ist, als daß die Phantasie auch eines großen Hirnes ihn leicht verarbeiten könnte, daß auch der Größte die Weltgeschichte nicht allein machen kann, und daß anch er selbst nur ein Diener war an dem Werke der Geschichte, das nun einmal mit dem Namen unsers ersten alten Kaisers untrennbar verbunden ist. So nennt er sich mit gutem Grunde einen Diener Kaiser Wilhelms des Ersten. Und er war auch ein treuer deutscher Diener. Was er gewollt hatte, das hatte immer im Zeichen der Größe seines Vaterlandes gestanden. Auch der Große ist vom Irren nicht frei. In seiner Art war alles groß, tren und deutsch gewollt gewesen. In diesem Geiste durfte er sich das Grabwort schreiben. In diesem Geiste wird auch für uns seine Erinnerung mit der damals richtigern Handlung seines Kaisers ausgesöhnt, olons Julius — ^of Lassen'. Das eine stört das andre nicht. Nettelbeck und Lucadou Eine Erinnerung an die ruhmvolle Verteidigung Aolbergs in den Jahren ^806 und 1,807 zur ausgleichenden Gerechtigkeit von Rudolf Stoewer in Danzig l i er 2. Juli 1807 ist ein Ehrentag in der Geschichte des preußischen Staates und des ganzen deutschen Vaterlandes, ein leuchtender Stern in den schwarzen Wetterwolken während des tiefsten Falles Preußens. Hundert Jahre sind dahingegangen seit jenem Tage, !wo Kolbergs ruhmvolle Verteidigung die Augen der Mitwelt auf sich zog in einer Zeit großer Taten in der Geschichte, in einer Zeit des Zusammenbruchs der alten Formen Deutschlands. Was die großen Festungen Erfurt, Magdeburg, Hameln, Klistrin, Spandau und Stettin nicht vermocht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/459>, abgerufen am 27.06.2024.