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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Schicksal

seit jener Zeit nicht mehr bei Katwyt, sonder" bei Hock van Holland befindet,
und außerdem der Untergang einer ganzen Stadt im Jahre 1337, den Liliencron
so wunderbar besingt: "Heut bin ich über Nungholt gefahren, die Stadt ging
unter vor sechshundert Jahren usw." Schließlich sei an dieser Stelle noch
der Entstehung des Dollart bei Emden gedacht, der durch dieselben beideu
große" Fluten, wie die Zuyderzee, in den Jahren 1277 und 1287 geschaffen
worden ist. Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine hier liegende Stadt,
Torum, mit zahlreichen kleinern Ortschaften und Flecken vom Meer begraben.

Gerade in den letzten Jahren ist die Nordseeküste wieder zu verschiednen Malen
der Schauplatz schwerer Sturmfluten und Zerstörungen gewesen, so zuletzt noch am
7. Januar 1905 und am 13. März 1906, ein Tag, der allem Anschein "ach die
größte Flut seit den? verhängnisvollen Februar 1825 gebracht hat. Freilich sind
hier, an dein überall sandreichen Strande, die Gefahren und Verwüstungen nicht
so in die Augen springend wie an der Ostsee mit ihren Steilküsten, ihren dem
Untergang geweihten Buchenwäldern und Felslandschaften. Bedroht aber sind
die Küsten beider Meere in gleich schwerer Weise, und die Verluste find hier
wie dort gleich schmerzlich. Die Geschichte der Nordsee können wir notdürftig
fast zweitausend Jahre, die der Ostsee ziemlich tausend Jahre zurückverfolgen,
und diese zweitausendjährige Geschichte der deutschen Meere kündet uns in
reichstem Maße von Sturm- und Jlutenkatastrophen, vom rasenden Kampfe der
Wogen mit den Menschenwerken und von dem zähen Widerstande, den die
tapfern Küstenbewohner immer wieder dem drohenden Unheil entgegengesetzt
haben, ungebeugt durch Not, Unfälle und Enttäuschungen aller Art. Wie ein
großer, gewaltiger Heldensang tönt die Geschichte der deutschen Meere und
ihrer Küsten in unsre Tage hinein, und noch dauert der Sang fort, und sein Ende
ist noch nicht gedichtet.




Schicksal
Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von

>ex Hagen packte seinen Handkoffer am Tisch inmitten des Wohn¬
zimmers.

KUM^HW
iMA^ÄEs mündeten sechs Türen in dieses Zimmer, und hinter jeder
der angelehnten Türen stand ein Familienmitglied und zitterte. Einige
davon waren blaß, die andern dunkelrot oder fleckig, je nachdem
idie Aufregung in ihnen wirkte, denn sie wirkt verschieden in den
Menschen. Einem treibt sie das Blut ins Gesicht, einem andern nach dem Herzen,
sodaß er um Nase und Mund ein fahles Aussehen bekommt, einem dritten werden
die Hände kalt, und auf Gesicht und Hals bekommt er große unregelmäßige rote
Flecke wie Typhuskranke.

Mit dem beschleunigten Herzschlag dieser sechs Menschen hätte man eine
mäßige Maschine treiben können, denn die Aufregung war groß.

Das konnte Lex auch verlangen. Er war ein Mensch von großen Anlagen.
Schon als er noch klein war und neben dem Kleidersanm seiner Mutter am Boden


Schicksal

seit jener Zeit nicht mehr bei Katwyt, sonder» bei Hock van Holland befindet,
und außerdem der Untergang einer ganzen Stadt im Jahre 1337, den Liliencron
so wunderbar besingt: „Heut bin ich über Nungholt gefahren, die Stadt ging
unter vor sechshundert Jahren usw." Schließlich sei an dieser Stelle noch
der Entstehung des Dollart bei Emden gedacht, der durch dieselben beideu
große» Fluten, wie die Zuyderzee, in den Jahren 1277 und 1287 geschaffen
worden ist. Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine hier liegende Stadt,
Torum, mit zahlreichen kleinern Ortschaften und Flecken vom Meer begraben.

Gerade in den letzten Jahren ist die Nordseeküste wieder zu verschiednen Malen
der Schauplatz schwerer Sturmfluten und Zerstörungen gewesen, so zuletzt noch am
7. Januar 1905 und am 13. März 1906, ein Tag, der allem Anschein »ach die
größte Flut seit den? verhängnisvollen Februar 1825 gebracht hat. Freilich sind
hier, an dein überall sandreichen Strande, die Gefahren und Verwüstungen nicht
so in die Augen springend wie an der Ostsee mit ihren Steilküsten, ihren dem
Untergang geweihten Buchenwäldern und Felslandschaften. Bedroht aber sind
die Küsten beider Meere in gleich schwerer Weise, und die Verluste find hier
wie dort gleich schmerzlich. Die Geschichte der Nordsee können wir notdürftig
fast zweitausend Jahre, die der Ostsee ziemlich tausend Jahre zurückverfolgen,
und diese zweitausendjährige Geschichte der deutschen Meere kündet uns in
reichstem Maße von Sturm- und Jlutenkatastrophen, vom rasenden Kampfe der
Wogen mit den Menschenwerken und von dem zähen Widerstande, den die
tapfern Küstenbewohner immer wieder dem drohenden Unheil entgegengesetzt
haben, ungebeugt durch Not, Unfälle und Enttäuschungen aller Art. Wie ein
großer, gewaltiger Heldensang tönt die Geschichte der deutschen Meere und
ihrer Küsten in unsre Tage hinein, und noch dauert der Sang fort, und sein Ende
ist noch nicht gedichtet.




Schicksal
Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von

>ex Hagen packte seinen Handkoffer am Tisch inmitten des Wohn¬
zimmers.

KUM^HW
iMA^ÄEs mündeten sechs Türen in dieses Zimmer, und hinter jeder
der angelehnten Türen stand ein Familienmitglied und zitterte. Einige
davon waren blaß, die andern dunkelrot oder fleckig, je nachdem
idie Aufregung in ihnen wirkte, denn sie wirkt verschieden in den
Menschen. Einem treibt sie das Blut ins Gesicht, einem andern nach dem Herzen,
sodaß er um Nase und Mund ein fahles Aussehen bekommt, einem dritten werden
die Hände kalt, und auf Gesicht und Hals bekommt er große unregelmäßige rote
Flecke wie Typhuskranke.

Mit dem beschleunigten Herzschlag dieser sechs Menschen hätte man eine
mäßige Maschine treiben können, denn die Aufregung war groß.

Das konnte Lex auch verlangen. Er war ein Mensch von großen Anlagen.
Schon als er noch klein war und neben dem Kleidersanm seiner Mutter am Boden


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[0325] Schicksal seit jener Zeit nicht mehr bei Katwyt, sonder» bei Hock van Holland befindet, und außerdem der Untergang einer ganzen Stadt im Jahre 1337, den Liliencron so wunderbar besingt: „Heut bin ich über Nungholt gefahren, die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren usw." Schließlich sei an dieser Stelle noch der Entstehung des Dollart bei Emden gedacht, der durch dieselben beideu große» Fluten, wie die Zuyderzee, in den Jahren 1277 und 1287 geschaffen worden ist. Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine hier liegende Stadt, Torum, mit zahlreichen kleinern Ortschaften und Flecken vom Meer begraben. Gerade in den letzten Jahren ist die Nordseeküste wieder zu verschiednen Malen der Schauplatz schwerer Sturmfluten und Zerstörungen gewesen, so zuletzt noch am 7. Januar 1905 und am 13. März 1906, ein Tag, der allem Anschein »ach die größte Flut seit den? verhängnisvollen Februar 1825 gebracht hat. Freilich sind hier, an dein überall sandreichen Strande, die Gefahren und Verwüstungen nicht so in die Augen springend wie an der Ostsee mit ihren Steilküsten, ihren dem Untergang geweihten Buchenwäldern und Felslandschaften. Bedroht aber sind die Küsten beider Meere in gleich schwerer Weise, und die Verluste find hier wie dort gleich schmerzlich. Die Geschichte der Nordsee können wir notdürftig fast zweitausend Jahre, die der Ostsee ziemlich tausend Jahre zurückverfolgen, und diese zweitausendjährige Geschichte der deutschen Meere kündet uns in reichstem Maße von Sturm- und Jlutenkatastrophen, vom rasenden Kampfe der Wogen mit den Menschenwerken und von dem zähen Widerstande, den die tapfern Küstenbewohner immer wieder dem drohenden Unheil entgegengesetzt haben, ungebeugt durch Not, Unfälle und Enttäuschungen aller Art. Wie ein großer, gewaltiger Heldensang tönt die Geschichte der deutschen Meere und ihrer Küsten in unsre Tage hinein, und noch dauert der Sang fort, und sein Ende ist noch nicht gedichtet. Schicksal Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von >ex Hagen packte seinen Handkoffer am Tisch inmitten des Wohn¬ zimmers. KUM^HW iMA^ÄEs mündeten sechs Türen in dieses Zimmer, und hinter jeder der angelehnten Türen stand ein Familienmitglied und zitterte. Einige davon waren blaß, die andern dunkelrot oder fleckig, je nachdem idie Aufregung in ihnen wirkte, denn sie wirkt verschieden in den Menschen. Einem treibt sie das Blut ins Gesicht, einem andern nach dem Herzen, sodaß er um Nase und Mund ein fahles Aussehen bekommt, einem dritten werden die Hände kalt, und auf Gesicht und Hals bekommt er große unregelmäßige rote Flecke wie Typhuskranke. Mit dem beschleunigten Herzschlag dieser sechs Menschen hätte man eine mäßige Maschine treiben können, denn die Aufregung war groß. Das konnte Lex auch verlangen. Er war ein Mensch von großen Anlagen. Schon als er noch klein war und neben dem Kleidersanm seiner Mutter am Boden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/325>, abgerufen am 27.06.2024.