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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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auf den Gebieten der Zoologie oder Botanik wieder; nach der Seite ihrer An¬
wendung aber gehört die Sprache dem Gebiete der Geisteswissenschaften an.

Einheit, Einfachheit, Entwicklung, das sind die leitenden Gedanken, die
sich durch das ganze Werk des Verfassers hindurchziehn. Es bestätigt sich
auch hier wieder, daß die Prinzipien des Werdens im ganzen Universum die¬
selben sind. Mag auch der Verfasser in Einzelheiten hier und da geirrt
haben -- hier bleibt eben der Zukunft eine Menge Arbeit vorbehalten --, die
große einfache Idee, die das Ganze beherrscht, ist klar und einleuchtend, weil
vernünftig. Daher kann sein Werk mit Ruhe den Angriffen der Kritik ent¬
gegensehen. _




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Präsident Dr. Egon Reich von
Im Staate Sav j)auto

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^"w^M^Win Morgen des folgenden Tages, des 27. Juli, also genau vier
Wochen nach der Abfahrt von Hamburg, sollte ich das Ziel
! meiner Reise erreichen. Die Insel soo Vicente, auf der Santos
liegt, ist von dem Festlande durch einen schmalen, flußähnlichen
! Meeresarm getrennt. Auf dem Festlande erhebt sich neben der
Einfahrt -- vom Schiff aus gesehen rechts -- eine Festung alten Schlages,
die mit ihrem bröckelndem Gemäuer einen mehr ehrwürdigen als trutzigen An¬
blick bietet; gegenüber auf der Insel liegt eine gut eingedeckte, mit Geschützen
neuerer Art armierte Strandbatterie. Von Santos selbst war hier, weil die
Wasserstraße einen großen Bogen beschreibt, noch nichts zu sehen, nur der
mit seiner weißen Kirche weithin sichtbare Gipfel des Monserrate, an dessen
Fuß sich die Stadt ausbreitet, zeigte deren Lage an. Die Ufer des Meeres¬
armes sind fast bis zu den Hafenanlagen hin mit Negerhütten besetzt, die aus
Bambusbuschwerk freundlich hervorlugen. Die Landschaft, die durch die nahe
an das Meer herantretenden Gebirgszüge einen wirkungsvollen Abschluß erhält,
hat den Charakter des Lieblicher und des Juliner.

Im Hafen angelangt mußte sich der Prinz Sigismund vorläufig noch ge¬
dulden, weil am Kai erst Abends ein Platz für ihn freigemacht werden konnte.
Meine Lieben holten mich deshalb in einem Boote vom Schiff an Land. Noch
vor zwei Monaten hatte keiner von uns eine Ahnung von diesem Wiedersehen
im fernen Erdteil gehabt -- so plötzlich hatte ich meinen Entschluß gefaßt;
desto größer war nun die Freude. Der Prinz Sigismund blieb zwei Wochen
im Hafen, sodaß wir ihn noch wiederholt besuchen konnten- Da die Dania
erst acht Tage später fuhr, hatten wir also volle drei Wochen vor uns.


Grenzboten 1 1907 34
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auf den Gebieten der Zoologie oder Botanik wieder; nach der Seite ihrer An¬
wendung aber gehört die Sprache dem Gebiete der Geisteswissenschaften an.

Einheit, Einfachheit, Entwicklung, das sind die leitenden Gedanken, die
sich durch das ganze Werk des Verfassers hindurchziehn. Es bestätigt sich
auch hier wieder, daß die Prinzipien des Werdens im ganzen Universum die¬
selben sind. Mag auch der Verfasser in Einzelheiten hier und da geirrt
haben — hier bleibt eben der Zukunft eine Menge Arbeit vorbehalten —, die
große einfache Idee, die das Ganze beherrscht, ist klar und einleuchtend, weil
vernünftig. Daher kann sein Werk mit Ruhe den Angriffen der Kritik ent¬
gegensehen. _




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Präsident Dr. Egon Reich von
Im Staate Sav j)auto

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^«w^M^Win Morgen des folgenden Tages, des 27. Juli, also genau vier
Wochen nach der Abfahrt von Hamburg, sollte ich das Ziel
! meiner Reise erreichen. Die Insel soo Vicente, auf der Santos
liegt, ist von dem Festlande durch einen schmalen, flußähnlichen
! Meeresarm getrennt. Auf dem Festlande erhebt sich neben der
Einfahrt — vom Schiff aus gesehen rechts — eine Festung alten Schlages,
die mit ihrem bröckelndem Gemäuer einen mehr ehrwürdigen als trutzigen An¬
blick bietet; gegenüber auf der Insel liegt eine gut eingedeckte, mit Geschützen
neuerer Art armierte Strandbatterie. Von Santos selbst war hier, weil die
Wasserstraße einen großen Bogen beschreibt, noch nichts zu sehen, nur der
mit seiner weißen Kirche weithin sichtbare Gipfel des Monserrate, an dessen
Fuß sich die Stadt ausbreitet, zeigte deren Lage an. Die Ufer des Meeres¬
armes sind fast bis zu den Hafenanlagen hin mit Negerhütten besetzt, die aus
Bambusbuschwerk freundlich hervorlugen. Die Landschaft, die durch die nahe
an das Meer herantretenden Gebirgszüge einen wirkungsvollen Abschluß erhält,
hat den Charakter des Lieblicher und des Juliner.

Im Hafen angelangt mußte sich der Prinz Sigismund vorläufig noch ge¬
dulden, weil am Kai erst Abends ein Platz für ihn freigemacht werden konnte.
Meine Lieben holten mich deshalb in einem Boote vom Schiff an Land. Noch
vor zwei Monaten hatte keiner von uns eine Ahnung von diesem Wiedersehen
im fernen Erdteil gehabt — so plötzlich hatte ich meinen Entschluß gefaßt;
desto größer war nun die Freude. Der Prinz Sigismund blieb zwei Wochen
im Hafen, sodaß wir ihn noch wiederholt besuchen konnten- Da die Dania
erst acht Tage später fuhr, hatten wir also volle drei Wochen vor uns.


Grenzboten 1 1907 34
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[0265] Line Ferienfahrt nach Brasilien auf den Gebieten der Zoologie oder Botanik wieder; nach der Seite ihrer An¬ wendung aber gehört die Sprache dem Gebiete der Geisteswissenschaften an. Einheit, Einfachheit, Entwicklung, das sind die leitenden Gedanken, die sich durch das ganze Werk des Verfassers hindurchziehn. Es bestätigt sich auch hier wieder, daß die Prinzipien des Werdens im ganzen Universum die¬ selben sind. Mag auch der Verfasser in Einzelheiten hier und da geirrt haben — hier bleibt eben der Zukunft eine Menge Arbeit vorbehalten —, die große einfache Idee, die das Ganze beherrscht, ist klar und einleuchtend, weil vernünftig. Daher kann sein Werk mit Ruhe den Angriffen der Kritik ent¬ gegensehen. _ Line Ferienfahrt nach Brasilien Präsident Dr. Egon Reich von Im Staate Sav j)auto Ls)M' ^«w^M^Win Morgen des folgenden Tages, des 27. Juli, also genau vier Wochen nach der Abfahrt von Hamburg, sollte ich das Ziel ! meiner Reise erreichen. Die Insel soo Vicente, auf der Santos liegt, ist von dem Festlande durch einen schmalen, flußähnlichen ! Meeresarm getrennt. Auf dem Festlande erhebt sich neben der Einfahrt — vom Schiff aus gesehen rechts — eine Festung alten Schlages, die mit ihrem bröckelndem Gemäuer einen mehr ehrwürdigen als trutzigen An¬ blick bietet; gegenüber auf der Insel liegt eine gut eingedeckte, mit Geschützen neuerer Art armierte Strandbatterie. Von Santos selbst war hier, weil die Wasserstraße einen großen Bogen beschreibt, noch nichts zu sehen, nur der mit seiner weißen Kirche weithin sichtbare Gipfel des Monserrate, an dessen Fuß sich die Stadt ausbreitet, zeigte deren Lage an. Die Ufer des Meeres¬ armes sind fast bis zu den Hafenanlagen hin mit Negerhütten besetzt, die aus Bambusbuschwerk freundlich hervorlugen. Die Landschaft, die durch die nahe an das Meer herantretenden Gebirgszüge einen wirkungsvollen Abschluß erhält, hat den Charakter des Lieblicher und des Juliner. Im Hafen angelangt mußte sich der Prinz Sigismund vorläufig noch ge¬ dulden, weil am Kai erst Abends ein Platz für ihn freigemacht werden konnte. Meine Lieben holten mich deshalb in einem Boote vom Schiff an Land. Noch vor zwei Monaten hatte keiner von uns eine Ahnung von diesem Wiedersehen im fernen Erdteil gehabt — so plötzlich hatte ich meinen Entschluß gefaßt; desto größer war nun die Freude. Der Prinz Sigismund blieb zwei Wochen im Hafen, sodaß wir ihn noch wiederholt besuchen konnten- Da die Dania erst acht Tage später fuhr, hatten wir also volle drei Wochen vor uns. Grenzboten 1 1907 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/265>, abgerufen am 27.06.2024.