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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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der menschlichen Gesinnungen, durch die schnellen Bewegungen derselben in mir
selbst und in andern manches gelitten habe und leide, die erhabene Ruhe, die
jene einsame stumme Nähe der großen, leise sprechenden Natur gewährt, und
wer davon eine Ahndung hat, folge mir,"




(Line jerienfahrt nach Brasilien
Präsident Dr. Lgon Reich von
Von Bahia bis Rio de Janeiro

WM^FV^S^S-^Äin folgenden Tage ertönte plötzlich der Ruf: Walfische! Und
richtig, kaum hundert Meter entfernt, ganz unbekümmert um die
Nähe des Schiffes, spielten zwei dieser riesigen Tiere, bliesen
! Wassersäulen in die Höhe, verschwanden auf kurze Zeit unter dem
I Wasserspiegel und schnellten dann wieder bis zur Hülste der
Leiber empor. In der Folge sahen wir noch öfters Wale. Sie werden in
dieser Gegend häufig erlegt und in einer auf Jtaparica angelegten Transiederei
verarbeitet.

Von der Küste hielten wir uns meist so weit entfernt, daß wir nur selten
etwas Bestimmtes unterscheiden konnten, so am 21. Juli nachmittags eine An¬
höhe, die dem Seefahrer zeigt, daß er sich bei der Stadt Victoria, Staat
Espirito Santo, befindet. Die Nähe des Landes und die Schwierigkeit der
Navigierung nötigte zu allgemeinem Bedauern den Kapitän, bei dem Abschieds¬
oder dem sogenannten Kapitänsessen, das an demselben Tage in dem mit Guir¬
landen und Flaggen festlich geschmückten Speisesaale stattfand, nur eine kurze
Gastrolle zu geben.

Am nächsten Morgen wandten wir uns der Küste zu und passierten Cabo
Frio. Diesen Namen -- kaltes Kap -- führt der jähe Absturz einer vier¬
hundert Meter hohen Felseninsel, an der sich ein von Süden kommender kalter
Meeresstrom bricht. Da das kühle Wasser von verschiednen Arten wohl¬
schmeckender Fische bevorzugt wird, so haben sich viele Fischer in der Nähe an¬
gesiedelt. Die Temperatur des Wassers wird während der Fahrt regelmäßig alle
vier Stunden gemessen und in eine Tabelle eingetragen, sodaß wir uns von
der Frische des Wassers selbst überzeugen konnten. Die Insel ist von einem
alten, einer Burgruine ähnlichen Turm gekrönt, der als ein für offnes Feuer
eingerichteter Leuchtturm erbaut war. Man hat ihn aufgegeben, weil die Berg¬
spitze oft von Nebeln verhüllt ist, und auf halber Höhe einen den jetzigen An¬
forderungen entsprechenden Leuchtturm errichtet.


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der menschlichen Gesinnungen, durch die schnellen Bewegungen derselben in mir
selbst und in andern manches gelitten habe und leide, die erhabene Ruhe, die
jene einsame stumme Nähe der großen, leise sprechenden Natur gewährt, und
wer davon eine Ahndung hat, folge mir,"




(Line jerienfahrt nach Brasilien
Präsident Dr. Lgon Reich von
Von Bahia bis Rio de Janeiro

WM^FV^S^S-^Äin folgenden Tage ertönte plötzlich der Ruf: Walfische! Und
richtig, kaum hundert Meter entfernt, ganz unbekümmert um die
Nähe des Schiffes, spielten zwei dieser riesigen Tiere, bliesen
! Wassersäulen in die Höhe, verschwanden auf kurze Zeit unter dem
I Wasserspiegel und schnellten dann wieder bis zur Hülste der
Leiber empor. In der Folge sahen wir noch öfters Wale. Sie werden in
dieser Gegend häufig erlegt und in einer auf Jtaparica angelegten Transiederei
verarbeitet.

Von der Küste hielten wir uns meist so weit entfernt, daß wir nur selten
etwas Bestimmtes unterscheiden konnten, so am 21. Juli nachmittags eine An¬
höhe, die dem Seefahrer zeigt, daß er sich bei der Stadt Victoria, Staat
Espirito Santo, befindet. Die Nähe des Landes und die Schwierigkeit der
Navigierung nötigte zu allgemeinem Bedauern den Kapitän, bei dem Abschieds¬
oder dem sogenannten Kapitänsessen, das an demselben Tage in dem mit Guir¬
landen und Flaggen festlich geschmückten Speisesaale stattfand, nur eine kurze
Gastrolle zu geben.

Am nächsten Morgen wandten wir uns der Küste zu und passierten Cabo
Frio. Diesen Namen — kaltes Kap — führt der jähe Absturz einer vier¬
hundert Meter hohen Felseninsel, an der sich ein von Süden kommender kalter
Meeresstrom bricht. Da das kühle Wasser von verschiednen Arten wohl¬
schmeckender Fische bevorzugt wird, so haben sich viele Fischer in der Nähe an¬
gesiedelt. Die Temperatur des Wassers wird während der Fahrt regelmäßig alle
vier Stunden gemessen und in eine Tabelle eingetragen, sodaß wir uns von
der Frische des Wassers selbst überzeugen konnten. Die Insel ist von einem
alten, einer Burgruine ähnlichen Turm gekrönt, der als ein für offnes Feuer
eingerichteter Leuchtturm erbaut war. Man hat ihn aufgegeben, weil die Berg¬
spitze oft von Nebeln verhüllt ist, und auf halber Höhe einen den jetzigen An¬
forderungen entsprechenden Leuchtturm errichtet.


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[0152] Line Ferieilfahrt nach Brasilien der menschlichen Gesinnungen, durch die schnellen Bewegungen derselben in mir selbst und in andern manches gelitten habe und leide, die erhabene Ruhe, die jene einsame stumme Nähe der großen, leise sprechenden Natur gewährt, und wer davon eine Ahndung hat, folge mir," (Line jerienfahrt nach Brasilien Präsident Dr. Lgon Reich von Von Bahia bis Rio de Janeiro WM^FV^S^S-^Äin folgenden Tage ertönte plötzlich der Ruf: Walfische! Und richtig, kaum hundert Meter entfernt, ganz unbekümmert um die Nähe des Schiffes, spielten zwei dieser riesigen Tiere, bliesen ! Wassersäulen in die Höhe, verschwanden auf kurze Zeit unter dem I Wasserspiegel und schnellten dann wieder bis zur Hülste der Leiber empor. In der Folge sahen wir noch öfters Wale. Sie werden in dieser Gegend häufig erlegt und in einer auf Jtaparica angelegten Transiederei verarbeitet. Von der Küste hielten wir uns meist so weit entfernt, daß wir nur selten etwas Bestimmtes unterscheiden konnten, so am 21. Juli nachmittags eine An¬ höhe, die dem Seefahrer zeigt, daß er sich bei der Stadt Victoria, Staat Espirito Santo, befindet. Die Nähe des Landes und die Schwierigkeit der Navigierung nötigte zu allgemeinem Bedauern den Kapitän, bei dem Abschieds¬ oder dem sogenannten Kapitänsessen, das an demselben Tage in dem mit Guir¬ landen und Flaggen festlich geschmückten Speisesaale stattfand, nur eine kurze Gastrolle zu geben. Am nächsten Morgen wandten wir uns der Küste zu und passierten Cabo Frio. Diesen Namen — kaltes Kap — führt der jähe Absturz einer vier¬ hundert Meter hohen Felseninsel, an der sich ein von Süden kommender kalter Meeresstrom bricht. Da das kühle Wasser von verschiednen Arten wohl¬ schmeckender Fische bevorzugt wird, so haben sich viele Fischer in der Nähe an¬ gesiedelt. Die Temperatur des Wassers wird während der Fahrt regelmäßig alle vier Stunden gemessen und in eine Tabelle eingetragen, sodaß wir uns von der Frische des Wassers selbst überzeugen konnten. Die Insel ist von einem alten, einer Burgruine ähnlichen Turm gekrönt, der als ein für offnes Feuer eingerichteter Leuchtturm erbaut war. Man hat ihn aufgegeben, weil die Berg¬ spitze oft von Nebeln verhüllt ist, und auf halber Höhe einen den jetzigen An¬ forderungen entsprechenden Leuchtturm errichtet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/152>, abgerufen am 27.06.2024.