Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Die Physiognomie der russischen Sprache Ist die alte politische Bedeutung der Gegend von Bozen längst ver¬ "Dieses ist unser, so laßt es uns sagen und so es behaupten." Die Physiognomie der russischen Sprache Gustav Weck von lie Ereignisse haben neuerdings Rußland und die russischen Daß die russische Sprache zu den "arischen" gehört, die auch indogermanische Die Physiognomie der russischen Sprache Ist die alte politische Bedeutung der Gegend von Bozen längst ver¬ „Dieses ist unser, so laßt es uns sagen und so es behaupten." Die Physiognomie der russischen Sprache Gustav Weck von lie Ereignisse haben neuerdings Rußland und die russischen Daß die russische Sprache zu den „arischen" gehört, die auch indogermanische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299875"/> <fw type="header" place="top"> Die Physiognomie der russischen Sprache</fw><lb/> <p xml:id="ID_258"> Ist die alte politische Bedeutung der Gegend von Bozen längst ver¬<lb/> schwunden, so ist es doch ein Bollwerk des Deutschtums gegen Süden geblieben<lb/> und ist sich dessen auch bewußt. Das bezeugt schon das schöne Denkmal<lb/> Walthers von der Vogelweide, des größten deutschen Lyrikers des Mittelalters<lb/> und des einzigen nationalpatriotischen Dichters unsrer alten Kaiserzeit, das<lb/> beweist auch die Pflege der historischen Erinnerungen in dem neuen Museum<lb/> an der Talfer und seiner ansehnlichen Bibliothek.</p><lb/> <p xml:id="ID_259"> „Dieses ist unser, so laßt es uns sagen und so es behaupten."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Physiognomie der russischen Sprache<lb/><note type="byline"> Gustav Weck</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_260"> lie Ereignisse haben neuerdings Rußland und die russischen<lb/> Dinge so weit in den Vordergrund gerückt, daß auch Mit¬<lb/> teilungen über die Sprache unsrer östlichen Nachbarn auf all¬<lb/> gemeineres Interesse rechnen dürfen. Bisher war die Kenntnis<lb/> ! dieses Idioms auf eine verhältnismäßig kleine Zahl von Offizieren,<lb/> Staatsmännern und Fachgelehrten, innerhalb eines engern Anschauungskreises<lb/> auf einen Teil der Handelswelt beschränkt, sodaß sich angesichts der plötzlich<lb/> hereinbrechenden slawischen Hochflut auch der Gebildete täglich einer Menge<lb/> unerwarteter Fragen gegenüber sah. Der Ruf besondrer Schwierigkeit, worin<lb/> das Russische steht, konnte zudem nur abschreckend wirken. Und doch ist in allen<lb/> Füllen das Verständnis für die lebendigste Offenbarungsform des Menschen¬<lb/> geistes das sicherste Mittel, rückwärts auf die Art ihrer Träger zu schließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_261" next="#ID_262"> Daß die russische Sprache zu den „arischen" gehört, die auch indogermanische<lb/> und indoeuropäische heißen, ist bekannt. Seitdem man aber den Namen der<lb/> Arier, bisher den volkstümlichsten von allen, auf die Stämme einer Urgemein-<lb/> schaft beschränkt, die sich als Inder im Gangestale, als Iranier auf dem persischen<lb/> Hochlande niedergelassen haben, stehn nur noch die beiden andern Bezeichnungen<lb/> zur Verfügung, und das bei Franzosen und Engländern übliche „Indoeuro¬<lb/> päisch" ist ohne Zweifel die wissenschaftlich besser begründete. Aber gerade wir<lb/> Deutschen haben das Recht und einigermaßen die Pflicht, an dem gewohnten<lb/> „Indogermanisch" festzuhalten, ist doch die ganze Wissenschaft der Sprach¬<lb/> vergleichung an glänzende Namen unsers Volkes, wie Jakob Grimm, Franz<lb/> Bopp, August Schleicher und andre, gebunden. Haben diese Männer in einer<lb/> ihrer Voraussetzungen geirrt — denn die Zugehörigkeit des Keltischen zu der<lb/> großen Sprachenfamilie ist erst nachträglich erwiesen worden —, so stand<lb/> ihnen doch nach altem Entdeckerrecht die Namengebung zu. Und sollte in dem<lb/> Festhalten an der einmal getroffnen Wahl eine gewisse Willkür oder auch ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Die Physiognomie der russischen Sprache
Ist die alte politische Bedeutung der Gegend von Bozen längst ver¬
schwunden, so ist es doch ein Bollwerk des Deutschtums gegen Süden geblieben
und ist sich dessen auch bewußt. Das bezeugt schon das schöne Denkmal
Walthers von der Vogelweide, des größten deutschen Lyrikers des Mittelalters
und des einzigen nationalpatriotischen Dichters unsrer alten Kaiserzeit, das
beweist auch die Pflege der historischen Erinnerungen in dem neuen Museum
an der Talfer und seiner ansehnlichen Bibliothek.
„Dieses ist unser, so laßt es uns sagen und so es behaupten."
Die Physiognomie der russischen Sprache
Gustav Weck von
lie Ereignisse haben neuerdings Rußland und die russischen
Dinge so weit in den Vordergrund gerückt, daß auch Mit¬
teilungen über die Sprache unsrer östlichen Nachbarn auf all¬
gemeineres Interesse rechnen dürfen. Bisher war die Kenntnis
! dieses Idioms auf eine verhältnismäßig kleine Zahl von Offizieren,
Staatsmännern und Fachgelehrten, innerhalb eines engern Anschauungskreises
auf einen Teil der Handelswelt beschränkt, sodaß sich angesichts der plötzlich
hereinbrechenden slawischen Hochflut auch der Gebildete täglich einer Menge
unerwarteter Fragen gegenüber sah. Der Ruf besondrer Schwierigkeit, worin
das Russische steht, konnte zudem nur abschreckend wirken. Und doch ist in allen
Füllen das Verständnis für die lebendigste Offenbarungsform des Menschen¬
geistes das sicherste Mittel, rückwärts auf die Art ihrer Träger zu schließen.
Daß die russische Sprache zu den „arischen" gehört, die auch indogermanische
und indoeuropäische heißen, ist bekannt. Seitdem man aber den Namen der
Arier, bisher den volkstümlichsten von allen, auf die Stämme einer Urgemein-
schaft beschränkt, die sich als Inder im Gangestale, als Iranier auf dem persischen
Hochlande niedergelassen haben, stehn nur noch die beiden andern Bezeichnungen
zur Verfügung, und das bei Franzosen und Engländern übliche „Indoeuro¬
päisch" ist ohne Zweifel die wissenschaftlich besser begründete. Aber gerade wir
Deutschen haben das Recht und einigermaßen die Pflicht, an dem gewohnten
„Indogermanisch" festzuhalten, ist doch die ganze Wissenschaft der Sprach¬
vergleichung an glänzende Namen unsers Volkes, wie Jakob Grimm, Franz
Bopp, August Schleicher und andre, gebunden. Haben diese Männer in einer
ihrer Voraussetzungen geirrt — denn die Zugehörigkeit des Keltischen zu der
großen Sprachenfamilie ist erst nachträglich erwiesen worden —, so stand
ihnen doch nach altem Entdeckerrecht die Namengebung zu. Und sollte in dem
Festhalten an der einmal getroffnen Wahl eine gewisse Willkür oder auch ein
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