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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Lin deutsches Uaiserschloß in Apulien

gemacher des Kaisers selbst. Schon die Lichtfülle, die durch die großen gotischen,
säulengeschmückten Fenster über die Wände und die hohen Spitzbogengewölbe
gleitet, verleiht dem Ganzen ein vornehmeres Ansehen. Aber auch die Gewölbe
selbst und ihre Stützpfeiler zeigen eine viel sorgfältigere und zierlichere Durch¬
bildung als im Erdgeschoß. Diese, drei zusammengekoppelte Halbsäulen aus
Cipollin, dürften Wohl überhaupt einem antiken Bauwerk der Umgegend ent¬
nommen sein. Denn daß sich Friedrich trotz seiner Verehrung für das Alter¬
tum nicht scheute, die verfallenden Reste antiker Architektur für seine Zwecke zu
verwenden, zeigen uns die Hafenbauten von Brindisi, die er aus deu vielen
in der Stadt vorhandnen römischen Ruinen aufführen ließ. Ebenso reich und
kostbar wie diese Pfeiler ist die geschliffne Marmoreinfassung der Türme und
der Rest weißen Marmorbelags, der noch an Fußböden und den mit marmornen
Bänken ausgestatteten Wandflächen haftet. An der Hofseite einzelner Gemächer
sind die Stellen kenntlich, wo einst die Kamine aus Porphyr gestanden haben.
Mit Porphyr sind auch die hochliegenden Fensterbrüstnngen ausgelegt, zu
deren Marmorsitzen breite Stufen hinaufführen, von wo aus der Blick wie
träumend über das weitausgebreitete Relief einer unsagbar stimmungsvollen
Landschaft schweift.

In der neusten Zeit hat der französische Forscher Bertaux in seinem Werk
1,'^.re äa-us I/IW1is NöriäwiMö Seite 719 ff. bei allen diesen Baugliedern,
den Spitzbogenrippen, der Art, wie diese auf den Pfeilern aufsitzen, an der
Gestalt und Form dieser Pfeiler selbst, vor allem aber bei der Gewölbekon¬
struktion einen Einfluß der französischen Baukunst des dreizehnten Jahrhunderts
betont; ja er hat den Nachweis zu führen versucht, daß das Gebäude über¬
haupt der französischen Gotik damaliger Zeit, vor allem der in der Bourgogne
und der Champagne herrschenden Stilrichtung entspräche, und daß die antiken
Bauglieder dem französischen Kern nur wie ein gutsitzendes Gewand übergeworfen
seien. Seine Darlegungen haben in Italien, vor allem bei dem Architekten
Bernich, der die Wiederherstellungsarbeiten an Castel del Monte geleitet hat
und in diesem ein frühes Denkmal der Renaissance im Sinne Bramcmtischer
Kunst sieht, lebhaften Widerspruch gefunden. In der Tat steht das Schloß
als ein Fremdling unter den damaligen Bauten Apuliens da; andrerseits aber
ist nicht zu leugnen, daß es eine gewisse Ähnlichkeit mit sizilianischen Burgen
Friedrichs zu Syrcckus, Catania und Castrogiovanni aufweist, an denen sich
ebenfalls der Einfluß französischer Gotik geltend macht. In dieser Hinsicht
seien besonders die Pfeilerkapitelle mit den fenchelartig gebildeten Blattreihen
genannt, die in Italien nur zu Castel del Monte, an dem von Friedrich wieder¬
hergestellten Castell des Mcmiaces zu Syrakus und an einzelnen Säulen des
Klosterhofes von Santa Sofia zu Benevent, in Frankreich dagegen in ähnlicher
Form häufig an Kirchen der Bourgogne und der Champagne wiederkehren-

Allerdings wird dieser Einfluß kaum direkt von Frankreich ausgegangen
sein. Die Kenntnis des neuen Baustils, der sich von dort aus in den ersten


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Lin deutsches Uaiserschloß in Apulien

gemacher des Kaisers selbst. Schon die Lichtfülle, die durch die großen gotischen,
säulengeschmückten Fenster über die Wände und die hohen Spitzbogengewölbe
gleitet, verleiht dem Ganzen ein vornehmeres Ansehen. Aber auch die Gewölbe
selbst und ihre Stützpfeiler zeigen eine viel sorgfältigere und zierlichere Durch¬
bildung als im Erdgeschoß. Diese, drei zusammengekoppelte Halbsäulen aus
Cipollin, dürften Wohl überhaupt einem antiken Bauwerk der Umgegend ent¬
nommen sein. Denn daß sich Friedrich trotz seiner Verehrung für das Alter¬
tum nicht scheute, die verfallenden Reste antiker Architektur für seine Zwecke zu
verwenden, zeigen uns die Hafenbauten von Brindisi, die er aus deu vielen
in der Stadt vorhandnen römischen Ruinen aufführen ließ. Ebenso reich und
kostbar wie diese Pfeiler ist die geschliffne Marmoreinfassung der Türme und
der Rest weißen Marmorbelags, der noch an Fußböden und den mit marmornen
Bänken ausgestatteten Wandflächen haftet. An der Hofseite einzelner Gemächer
sind die Stellen kenntlich, wo einst die Kamine aus Porphyr gestanden haben.
Mit Porphyr sind auch die hochliegenden Fensterbrüstnngen ausgelegt, zu
deren Marmorsitzen breite Stufen hinaufführen, von wo aus der Blick wie
träumend über das weitausgebreitete Relief einer unsagbar stimmungsvollen
Landschaft schweift.

In der neusten Zeit hat der französische Forscher Bertaux in seinem Werk
1,'^.re äa-us I/IW1is NöriäwiMö Seite 719 ff. bei allen diesen Baugliedern,
den Spitzbogenrippen, der Art, wie diese auf den Pfeilern aufsitzen, an der
Gestalt und Form dieser Pfeiler selbst, vor allem aber bei der Gewölbekon¬
struktion einen Einfluß der französischen Baukunst des dreizehnten Jahrhunderts
betont; ja er hat den Nachweis zu führen versucht, daß das Gebäude über¬
haupt der französischen Gotik damaliger Zeit, vor allem der in der Bourgogne
und der Champagne herrschenden Stilrichtung entspräche, und daß die antiken
Bauglieder dem französischen Kern nur wie ein gutsitzendes Gewand übergeworfen
seien. Seine Darlegungen haben in Italien, vor allem bei dem Architekten
Bernich, der die Wiederherstellungsarbeiten an Castel del Monte geleitet hat
und in diesem ein frühes Denkmal der Renaissance im Sinne Bramcmtischer
Kunst sieht, lebhaften Widerspruch gefunden. In der Tat steht das Schloß
als ein Fremdling unter den damaligen Bauten Apuliens da; andrerseits aber
ist nicht zu leugnen, daß es eine gewisse Ähnlichkeit mit sizilianischen Burgen
Friedrichs zu Syrcckus, Catania und Castrogiovanni aufweist, an denen sich
ebenfalls der Einfluß französischer Gotik geltend macht. In dieser Hinsicht
seien besonders die Pfeilerkapitelle mit den fenchelartig gebildeten Blattreihen
genannt, die in Italien nur zu Castel del Monte, an dem von Friedrich wieder¬
hergestellten Castell des Mcmiaces zu Syrakus und an einzelnen Säulen des
Klosterhofes von Santa Sofia zu Benevent, in Frankreich dagegen in ähnlicher
Form häufig an Kirchen der Bourgogne und der Champagne wiederkehren-

Allerdings wird dieser Einfluß kaum direkt von Frankreich ausgegangen
sein. Die Kenntnis des neuen Baustils, der sich von dort aus in den ersten


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[0580] Lin deutsches Uaiserschloß in Apulien gemacher des Kaisers selbst. Schon die Lichtfülle, die durch die großen gotischen, säulengeschmückten Fenster über die Wände und die hohen Spitzbogengewölbe gleitet, verleiht dem Ganzen ein vornehmeres Ansehen. Aber auch die Gewölbe selbst und ihre Stützpfeiler zeigen eine viel sorgfältigere und zierlichere Durch¬ bildung als im Erdgeschoß. Diese, drei zusammengekoppelte Halbsäulen aus Cipollin, dürften Wohl überhaupt einem antiken Bauwerk der Umgegend ent¬ nommen sein. Denn daß sich Friedrich trotz seiner Verehrung für das Alter¬ tum nicht scheute, die verfallenden Reste antiker Architektur für seine Zwecke zu verwenden, zeigen uns die Hafenbauten von Brindisi, die er aus deu vielen in der Stadt vorhandnen römischen Ruinen aufführen ließ. Ebenso reich und kostbar wie diese Pfeiler ist die geschliffne Marmoreinfassung der Türme und der Rest weißen Marmorbelags, der noch an Fußböden und den mit marmornen Bänken ausgestatteten Wandflächen haftet. An der Hofseite einzelner Gemächer sind die Stellen kenntlich, wo einst die Kamine aus Porphyr gestanden haben. Mit Porphyr sind auch die hochliegenden Fensterbrüstnngen ausgelegt, zu deren Marmorsitzen breite Stufen hinaufführen, von wo aus der Blick wie träumend über das weitausgebreitete Relief einer unsagbar stimmungsvollen Landschaft schweift. In der neusten Zeit hat der französische Forscher Bertaux in seinem Werk 1,'^.re äa-us I/IW1is NöriäwiMö Seite 719 ff. bei allen diesen Baugliedern, den Spitzbogenrippen, der Art, wie diese auf den Pfeilern aufsitzen, an der Gestalt und Form dieser Pfeiler selbst, vor allem aber bei der Gewölbekon¬ struktion einen Einfluß der französischen Baukunst des dreizehnten Jahrhunderts betont; ja er hat den Nachweis zu führen versucht, daß das Gebäude über¬ haupt der französischen Gotik damaliger Zeit, vor allem der in der Bourgogne und der Champagne herrschenden Stilrichtung entspräche, und daß die antiken Bauglieder dem französischen Kern nur wie ein gutsitzendes Gewand übergeworfen seien. Seine Darlegungen haben in Italien, vor allem bei dem Architekten Bernich, der die Wiederherstellungsarbeiten an Castel del Monte geleitet hat und in diesem ein frühes Denkmal der Renaissance im Sinne Bramcmtischer Kunst sieht, lebhaften Widerspruch gefunden. In der Tat steht das Schloß als ein Fremdling unter den damaligen Bauten Apuliens da; andrerseits aber ist nicht zu leugnen, daß es eine gewisse Ähnlichkeit mit sizilianischen Burgen Friedrichs zu Syrcckus, Catania und Castrogiovanni aufweist, an denen sich ebenfalls der Einfluß französischer Gotik geltend macht. In dieser Hinsicht seien besonders die Pfeilerkapitelle mit den fenchelartig gebildeten Blattreihen genannt, die in Italien nur zu Castel del Monte, an dem von Friedrich wieder¬ hergestellten Castell des Mcmiaces zu Syrakus und an einzelnen Säulen des Klosterhofes von Santa Sofia zu Benevent, in Frankreich dagegen in ähnlicher Form häufig an Kirchen der Bourgogne und der Champagne wiederkehren- Allerdings wird dieser Einfluß kaum direkt von Frankreich ausgegangen sein. Die Kenntnis des neuen Baustils, der sich von dort aus in den ersten V

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/580>, abgerufen am 26.12.2024.