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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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LUzabeth Percy

gesellschaft des schwedischen Greifen nicht länger als bis zum nächsten Morgen währen
würde. In York trennten sie sich von ihm wie auch von Sir Thomas; Königsmark
sollte nämlich jetzt nach Hull, um dort mit seinem jungen Bruder, Grafen Philipp,
zusammenzutreffen, der dem Wunsche der Familie gemäß in England erzogen wurde.
Also nur diesen einen Tag konnte Lady Elizabeth auf seine unterhaltende und
wirklich lehrreiche Gesellschaft rechnen.

Die Reisenden hatten gehofft, aus dem Walde herauszukommen, ehe es zu
dunkeln begann, aber bisher sahen sie vor sich nichts weiter als unübersehbare Massen
großer Bäume, und die Sonne stand schon niedrig. Oben auf einem Hügel, wo
der Weg eine Biegung machte, sahen sie sie hinter dem Höhenzuge im Westen ver¬
sinken. Die Dunkelheit brach herein.

Gestatten Sie mir, Madame, sagte Königsmark höflich ehrerbietig aber bestimmt.
Er legte seine Hand auf die Zügel des Pferdes.

In demselben Augenblick ritt Harry Percy an ihre andre Seite.

Lady Elizabeth -- zum erstenmal heute redete er sie direkt an, und es war
sonderbar, wie ihr das Blut bei dem ersten Laut seiner Stimme zum Herzen strömte.
Lady Elizabeth, es wird spät und kalt. Wollt Ihr nicht in dem Wagen Eurer
Großmutter Platz nehmen?

Einen Augenblick zauderte sie.

Nein, warum das? entgegnete sie dann keck und rücksichtslos. Ich bin doch
wirklich in ärgerer Kälte draußen gewesen, und wir müssen ja bald in York sein.

Harry bat nicht mehr. Aber während der zwei Stunden, die die Reise noch
währte, wich er nicht von ihrer Seite. Er ritt ganz dicht neben ihr, stumm wie
eine Mauer, feindlich wie ein Türke, wachsam wie eine Bulldogge. Sie fühlte sich
sicher in seiner Nähe, ahnte seinen ohnmächtigen Zorn und schwelgte doppelt in
Graf Königsmarks sentimentaler und "instruktiver" Konversation.

7

L.lehr tus miwQsr ok ins ravs i
viel ikui'ious voräs . . .

Walsingham
(Chronik über Henry Percy. den ersten
Jarl von Northumberland, Heißsporns
Vater)

Über dem dunkeln, alten Dom stand der Vollmond schon hoch, als Lady Eliza¬
beth Percy mit ihrem Gefolge in das nördliche Stadttor Yorks einritt. Viele von
den Soldaten kannten den Weg zu des "Herzogs Wappen", das zu jener Zeit als
das beste Wirtshaus galt und in einer engen, gewundnen Straße unter den alten
Wällen lag.

Die Stadt war schon zur Ruhe gegangen, nur hier und da schimmerte noch
Licht in einem Giebelfenster, und zuweilen hörte man Stimmen aus einem
Torweg, oder wenn jemand aus einem Wirtshaus kam.

Die Straßen waren schmutzig und rochen schlecht, mit Rinnsteinen in der Mitte,
und so schmal waren sie, daß man nur mit Beschwer zu zweien nebeneinander
^neu konnte.

Draußen vor dem niedrigen Tore, das zu des "Herzogs Wappen" führte,
baumelte trotz dem Mondschein eine schläfrige Laterne unter dem stark vergoldeten
Schild. Als die Reisenden Halt machten, und das Parlamentären mit dem Wirte und
den Stallknechten begann, öffneten sich in den benachbarten Häusern viele Fenster, und
mehrere Köpfe in mehr oder weniger wunderlichen Schlafmützen guckten heraus.


LUzabeth Percy

gesellschaft des schwedischen Greifen nicht länger als bis zum nächsten Morgen währen
würde. In York trennten sie sich von ihm wie auch von Sir Thomas; Königsmark
sollte nämlich jetzt nach Hull, um dort mit seinem jungen Bruder, Grafen Philipp,
zusammenzutreffen, der dem Wunsche der Familie gemäß in England erzogen wurde.
Also nur diesen einen Tag konnte Lady Elizabeth auf seine unterhaltende und
wirklich lehrreiche Gesellschaft rechnen.

Die Reisenden hatten gehofft, aus dem Walde herauszukommen, ehe es zu
dunkeln begann, aber bisher sahen sie vor sich nichts weiter als unübersehbare Massen
großer Bäume, und die Sonne stand schon niedrig. Oben auf einem Hügel, wo
der Weg eine Biegung machte, sahen sie sie hinter dem Höhenzuge im Westen ver¬
sinken. Die Dunkelheit brach herein.

Gestatten Sie mir, Madame, sagte Königsmark höflich ehrerbietig aber bestimmt.
Er legte seine Hand auf die Zügel des Pferdes.

In demselben Augenblick ritt Harry Percy an ihre andre Seite.

Lady Elizabeth — zum erstenmal heute redete er sie direkt an, und es war
sonderbar, wie ihr das Blut bei dem ersten Laut seiner Stimme zum Herzen strömte.
Lady Elizabeth, es wird spät und kalt. Wollt Ihr nicht in dem Wagen Eurer
Großmutter Platz nehmen?

Einen Augenblick zauderte sie.

Nein, warum das? entgegnete sie dann keck und rücksichtslos. Ich bin doch
wirklich in ärgerer Kälte draußen gewesen, und wir müssen ja bald in York sein.

Harry bat nicht mehr. Aber während der zwei Stunden, die die Reise noch
währte, wich er nicht von ihrer Seite. Er ritt ganz dicht neben ihr, stumm wie
eine Mauer, feindlich wie ein Türke, wachsam wie eine Bulldogge. Sie fühlte sich
sicher in seiner Nähe, ahnte seinen ohnmächtigen Zorn und schwelgte doppelt in
Graf Königsmarks sentimentaler und „instruktiver" Konversation.

7

L.lehr tus miwQsr ok ins ravs i
viel ikui'ious voräs . . .

Walsingham
(Chronik über Henry Percy. den ersten
Jarl von Northumberland, Heißsporns
Vater)

Über dem dunkeln, alten Dom stand der Vollmond schon hoch, als Lady Eliza¬
beth Percy mit ihrem Gefolge in das nördliche Stadttor Yorks einritt. Viele von
den Soldaten kannten den Weg zu des „Herzogs Wappen", das zu jener Zeit als
das beste Wirtshaus galt und in einer engen, gewundnen Straße unter den alten
Wällen lag.

Die Stadt war schon zur Ruhe gegangen, nur hier und da schimmerte noch
Licht in einem Giebelfenster, und zuweilen hörte man Stimmen aus einem
Torweg, oder wenn jemand aus einem Wirtshaus kam.

Die Straßen waren schmutzig und rochen schlecht, mit Rinnsteinen in der Mitte,
und so schmal waren sie, daß man nur mit Beschwer zu zweien nebeneinander
^neu konnte.

Draußen vor dem niedrigen Tore, das zu des „Herzogs Wappen" führte,
baumelte trotz dem Mondschein eine schläfrige Laterne unter dem stark vergoldeten
Schild. Als die Reisenden Halt machten, und das Parlamentären mit dem Wirte und
den Stallknechten begann, öffneten sich in den benachbarten Häusern viele Fenster, und
mehrere Köpfe in mehr oder weniger wunderlichen Schlafmützen guckten heraus.


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[0429] LUzabeth Percy gesellschaft des schwedischen Greifen nicht länger als bis zum nächsten Morgen währen würde. In York trennten sie sich von ihm wie auch von Sir Thomas; Königsmark sollte nämlich jetzt nach Hull, um dort mit seinem jungen Bruder, Grafen Philipp, zusammenzutreffen, der dem Wunsche der Familie gemäß in England erzogen wurde. Also nur diesen einen Tag konnte Lady Elizabeth auf seine unterhaltende und wirklich lehrreiche Gesellschaft rechnen. Die Reisenden hatten gehofft, aus dem Walde herauszukommen, ehe es zu dunkeln begann, aber bisher sahen sie vor sich nichts weiter als unübersehbare Massen großer Bäume, und die Sonne stand schon niedrig. Oben auf einem Hügel, wo der Weg eine Biegung machte, sahen sie sie hinter dem Höhenzuge im Westen ver¬ sinken. Die Dunkelheit brach herein. Gestatten Sie mir, Madame, sagte Königsmark höflich ehrerbietig aber bestimmt. Er legte seine Hand auf die Zügel des Pferdes. In demselben Augenblick ritt Harry Percy an ihre andre Seite. Lady Elizabeth — zum erstenmal heute redete er sie direkt an, und es war sonderbar, wie ihr das Blut bei dem ersten Laut seiner Stimme zum Herzen strömte. Lady Elizabeth, es wird spät und kalt. Wollt Ihr nicht in dem Wagen Eurer Großmutter Platz nehmen? Einen Augenblick zauderte sie. Nein, warum das? entgegnete sie dann keck und rücksichtslos. Ich bin doch wirklich in ärgerer Kälte draußen gewesen, und wir müssen ja bald in York sein. Harry bat nicht mehr. Aber während der zwei Stunden, die die Reise noch währte, wich er nicht von ihrer Seite. Er ritt ganz dicht neben ihr, stumm wie eine Mauer, feindlich wie ein Türke, wachsam wie eine Bulldogge. Sie fühlte sich sicher in seiner Nähe, ahnte seinen ohnmächtigen Zorn und schwelgte doppelt in Graf Königsmarks sentimentaler und „instruktiver" Konversation. 7 L.lehr tus miwQsr ok ins ravs i viel ikui'ious voräs . . . Walsingham (Chronik über Henry Percy. den ersten Jarl von Northumberland, Heißsporns Vater) Über dem dunkeln, alten Dom stand der Vollmond schon hoch, als Lady Eliza¬ beth Percy mit ihrem Gefolge in das nördliche Stadttor Yorks einritt. Viele von den Soldaten kannten den Weg zu des „Herzogs Wappen", das zu jener Zeit als das beste Wirtshaus galt und in einer engen, gewundnen Straße unter den alten Wällen lag. Die Stadt war schon zur Ruhe gegangen, nur hier und da schimmerte noch Licht in einem Giebelfenster, und zuweilen hörte man Stimmen aus einem Torweg, oder wenn jemand aus einem Wirtshaus kam. Die Straßen waren schmutzig und rochen schlecht, mit Rinnsteinen in der Mitte, und so schmal waren sie, daß man nur mit Beschwer zu zweien nebeneinander ^neu konnte. Draußen vor dem niedrigen Tore, das zu des „Herzogs Wappen" führte, baumelte trotz dem Mondschein eine schläfrige Laterne unter dem stark vergoldeten Schild. Als die Reisenden Halt machten, und das Parlamentären mit dem Wirte und den Stallknechten begann, öffneten sich in den benachbarten Häusern viele Fenster, und mehrere Köpfe in mehr oder weniger wunderlichen Schlafmützen guckten heraus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/429>, abgerufen am 26.12.2024.