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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Llizabeth Percy

Lady Elizabeth antwortete nicht sogleich -- sie wandte den Kopf ein wenig
ab und begegnete eine Sekunde dem ängstlichen und gespannten Blick der alten Anna.
Ohne daß Anna es selber wußte, hatte sie die Hände über dem altmodisch ab¬
stehenden Fischbeinrock gefaltet und hielt beinahe den Atem an, während sie die
Antwort abwartete.

Lady Elizabeth errötete einen Augenblick tief, als sie dem Blick der alten Anna
begegnete, und hatte im nächsten Augenblick Lust zu lachen-- oder zu weinen --
sie wußte nicht so recht, was --, aber die unnatürlich feierliche, erwartungsvolle
Stille im Zimmer machte sie zugleich rücksichtslos und beklommen.

Lady Northumberland seufzte; Lady Sophia sah aus wie eine Märtyrerin der
Erwartung und seufzte ebenfalls.

Es klang, als schlucke Elizabeth erst etwas hinunter, als sie endlich langsam
und deutlich, ohne ein eigentliches Zeichen von Gemütsbewegung antwortete: Nun
ja, wie Großmutter wünscht. Sir Thomas ebenso gern wie einen von den andern.

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Lohse korwuss Minion s,n nsr xrits.
Shakespeare

Um die Mittagszeit an einem nebligen Tage Ende März zog eine große Schar
Reiter und Wagen aus den Toren des Alnwicker Schlosses heraus. Es waren die
beiden verwitweten Gräfinnen, die zusammen mit Lady Sophia Wright und Sir
Thomas Thynne unter dem Schutze von Kapitän Percy und seinen Soldaten mit
einem Gefolge von fast fünfzig Dienern und Kammermädchen die schon erwähnte
Reise gen Süden antraten.

Dem kleinen Trupp bewaffneter Reiter voran ritt Kapitän Percy neben seiner
Verwandten, Lady Elizabeth, der einzigen der Damen, die die Reise zu Pferde
machte. Sie ritt ein feingliedriges arabisches Pferd, das Seine Majestät selbst vor
einiger Zeit aus Tanger hatte einführen lassen; ihr Kleid war grün mit einem
weißen Schulterknoten, von dem Schnüre auf die rechte Schulter hinabfielen -- so
wie es sonst die Herren trugen --, und auf dem Kopfe hatte sie einen Hut mit
hohem Kopfstück, den lange, weiße Federn schmückten. Über die Schultern hing ein
kurzer Kragen aus dem gelben Marderfell, das ihr Lieblingspelzwerk war, und an
den Händen trug sie lange gestickte Musketierhandschuhe mit Fransen. Inmitten
aller der Reiter in ihren groben Wämsern und mächtigen Stiefeln und neben dem
brünetten Henry Percy auf seiner hohen flandrischen Stute erschien sie noch mädchen¬
hafter und schmächtiger als sonst.

Nach ihnen kam die große Familienkutsche aus Petworth, mit sechs Pferden
bespannt und mit Postillonen und Lakaien bemannt. Darin saßen Lady Northumber¬
land, Lady Sophia und Sir Thomas Thynne sowie eine "Gentlewoman". Die
übrigen aufwartenden Damen, der Hofmeister und das Service folgten in einer
andern Karosse. An diese schlössen sich noch eine Schar Reiter an, von denen
mehrere Sir Thomas Livree trugen, und schließlich ein Dutzend Packpferde sowie
Sir Thomas leere Reisekutsche. Er wollte die Damen nur bis Aork begleiten und
dann einen Abstecher nach seinem Besitz Essingwood an der Wharfe machen, bevor
er in London wieder mit seiner Braut zusammenträfe.

Es hatte in der Nacht gefroren, und die Erde war noch hart, auf der Holz¬
brücke über die Ale lag eine dünne Schicht weißen Reiss. Kapitän Percy wandte
sich um und rief: Laßt Lady Elizabeth zuerst hinüberreiten, ehe die schweren Wagen
über die Brücke gehn.


Llizabeth Percy

Lady Elizabeth antwortete nicht sogleich — sie wandte den Kopf ein wenig
ab und begegnete eine Sekunde dem ängstlichen und gespannten Blick der alten Anna.
Ohne daß Anna es selber wußte, hatte sie die Hände über dem altmodisch ab¬
stehenden Fischbeinrock gefaltet und hielt beinahe den Atem an, während sie die
Antwort abwartete.

Lady Elizabeth errötete einen Augenblick tief, als sie dem Blick der alten Anna
begegnete, und hatte im nächsten Augenblick Lust zu lachen— oder zu weinen —
sie wußte nicht so recht, was —, aber die unnatürlich feierliche, erwartungsvolle
Stille im Zimmer machte sie zugleich rücksichtslos und beklommen.

Lady Northumberland seufzte; Lady Sophia sah aus wie eine Märtyrerin der
Erwartung und seufzte ebenfalls.

Es klang, als schlucke Elizabeth erst etwas hinunter, als sie endlich langsam
und deutlich, ohne ein eigentliches Zeichen von Gemütsbewegung antwortete: Nun
ja, wie Großmutter wünscht. Sir Thomas ebenso gern wie einen von den andern.

4

Lohse korwuss Minion s,n nsr xrits.
Shakespeare

Um die Mittagszeit an einem nebligen Tage Ende März zog eine große Schar
Reiter und Wagen aus den Toren des Alnwicker Schlosses heraus. Es waren die
beiden verwitweten Gräfinnen, die zusammen mit Lady Sophia Wright und Sir
Thomas Thynne unter dem Schutze von Kapitän Percy und seinen Soldaten mit
einem Gefolge von fast fünfzig Dienern und Kammermädchen die schon erwähnte
Reise gen Süden antraten.

Dem kleinen Trupp bewaffneter Reiter voran ritt Kapitän Percy neben seiner
Verwandten, Lady Elizabeth, der einzigen der Damen, die die Reise zu Pferde
machte. Sie ritt ein feingliedriges arabisches Pferd, das Seine Majestät selbst vor
einiger Zeit aus Tanger hatte einführen lassen; ihr Kleid war grün mit einem
weißen Schulterknoten, von dem Schnüre auf die rechte Schulter hinabfielen — so
wie es sonst die Herren trugen —, und auf dem Kopfe hatte sie einen Hut mit
hohem Kopfstück, den lange, weiße Federn schmückten. Über die Schultern hing ein
kurzer Kragen aus dem gelben Marderfell, das ihr Lieblingspelzwerk war, und an
den Händen trug sie lange gestickte Musketierhandschuhe mit Fransen. Inmitten
aller der Reiter in ihren groben Wämsern und mächtigen Stiefeln und neben dem
brünetten Henry Percy auf seiner hohen flandrischen Stute erschien sie noch mädchen¬
hafter und schmächtiger als sonst.

Nach ihnen kam die große Familienkutsche aus Petworth, mit sechs Pferden
bespannt und mit Postillonen und Lakaien bemannt. Darin saßen Lady Northumber¬
land, Lady Sophia und Sir Thomas Thynne sowie eine „Gentlewoman". Die
übrigen aufwartenden Damen, der Hofmeister und das Service folgten in einer
andern Karosse. An diese schlössen sich noch eine Schar Reiter an, von denen
mehrere Sir Thomas Livree trugen, und schließlich ein Dutzend Packpferde sowie
Sir Thomas leere Reisekutsche. Er wollte die Damen nur bis Aork begleiten und
dann einen Abstecher nach seinem Besitz Essingwood an der Wharfe machen, bevor
er in London wieder mit seiner Braut zusammenträfe.

Es hatte in der Nacht gefroren, und die Erde war noch hart, auf der Holz¬
brücke über die Ale lag eine dünne Schicht weißen Reiss. Kapitän Percy wandte
sich um und rief: Laßt Lady Elizabeth zuerst hinüberreiten, ehe die schweren Wagen
über die Brücke gehn.


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[0330] Llizabeth Percy Lady Elizabeth antwortete nicht sogleich — sie wandte den Kopf ein wenig ab und begegnete eine Sekunde dem ängstlichen und gespannten Blick der alten Anna. Ohne daß Anna es selber wußte, hatte sie die Hände über dem altmodisch ab¬ stehenden Fischbeinrock gefaltet und hielt beinahe den Atem an, während sie die Antwort abwartete. Lady Elizabeth errötete einen Augenblick tief, als sie dem Blick der alten Anna begegnete, und hatte im nächsten Augenblick Lust zu lachen— oder zu weinen — sie wußte nicht so recht, was —, aber die unnatürlich feierliche, erwartungsvolle Stille im Zimmer machte sie zugleich rücksichtslos und beklommen. Lady Northumberland seufzte; Lady Sophia sah aus wie eine Märtyrerin der Erwartung und seufzte ebenfalls. Es klang, als schlucke Elizabeth erst etwas hinunter, als sie endlich langsam und deutlich, ohne ein eigentliches Zeichen von Gemütsbewegung antwortete: Nun ja, wie Großmutter wünscht. Sir Thomas ebenso gern wie einen von den andern. 4 Lohse korwuss Minion s,n nsr xrits. Shakespeare Um die Mittagszeit an einem nebligen Tage Ende März zog eine große Schar Reiter und Wagen aus den Toren des Alnwicker Schlosses heraus. Es waren die beiden verwitweten Gräfinnen, die zusammen mit Lady Sophia Wright und Sir Thomas Thynne unter dem Schutze von Kapitän Percy und seinen Soldaten mit einem Gefolge von fast fünfzig Dienern und Kammermädchen die schon erwähnte Reise gen Süden antraten. Dem kleinen Trupp bewaffneter Reiter voran ritt Kapitän Percy neben seiner Verwandten, Lady Elizabeth, der einzigen der Damen, die die Reise zu Pferde machte. Sie ritt ein feingliedriges arabisches Pferd, das Seine Majestät selbst vor einiger Zeit aus Tanger hatte einführen lassen; ihr Kleid war grün mit einem weißen Schulterknoten, von dem Schnüre auf die rechte Schulter hinabfielen — so wie es sonst die Herren trugen —, und auf dem Kopfe hatte sie einen Hut mit hohem Kopfstück, den lange, weiße Federn schmückten. Über die Schultern hing ein kurzer Kragen aus dem gelben Marderfell, das ihr Lieblingspelzwerk war, und an den Händen trug sie lange gestickte Musketierhandschuhe mit Fransen. Inmitten aller der Reiter in ihren groben Wämsern und mächtigen Stiefeln und neben dem brünetten Henry Percy auf seiner hohen flandrischen Stute erschien sie noch mädchen¬ hafter und schmächtiger als sonst. Nach ihnen kam die große Familienkutsche aus Petworth, mit sechs Pferden bespannt und mit Postillonen und Lakaien bemannt. Darin saßen Lady Northumber¬ land, Lady Sophia und Sir Thomas Thynne sowie eine „Gentlewoman". Die übrigen aufwartenden Damen, der Hofmeister und das Service folgten in einer andern Karosse. An diese schlössen sich noch eine Schar Reiter an, von denen mehrere Sir Thomas Livree trugen, und schließlich ein Dutzend Packpferde sowie Sir Thomas leere Reisekutsche. Er wollte die Damen nur bis Aork begleiten und dann einen Abstecher nach seinem Besitz Essingwood an der Wharfe machen, bevor er in London wieder mit seiner Braut zusammenträfe. Es hatte in der Nacht gefroren, und die Erde war noch hart, auf der Holz¬ brücke über die Ale lag eine dünne Schicht weißen Reiss. Kapitän Percy wandte sich um und rief: Laßt Lady Elizabeth zuerst hinüberreiten, ehe die schweren Wagen über die Brücke gehn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/330>, abgerufen am 26.12.2024.