Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Anastasius Grün im Geiste zwischen Burckhardts Zeilen einzuschieben und zu vergleichen, wo er Anastasius Grün Gin Gedenkblatt zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages v w. Berg on (Fortsetzung) as Jahr 1860 brachte wieder einen Wendepunkt in seinem Anastasius Grün im Geiste zwischen Burckhardts Zeilen einzuschieben und zu vergleichen, wo er Anastasius Grün Gin Gedenkblatt zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages v w. Berg on (Fortsetzung) as Jahr 1860 brachte wieder einen Wendepunkt in seinem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299130"/> <fw type="header" place="top"> Anastasius Grün</fw><lb/> <p xml:id="ID_359" prev="#ID_358"> im Geiste zwischen Burckhardts Zeilen einzuschieben und zu vergleichen, wo er<lb/> richtig prophezeit und wo er geirrt hat. Wie viele Gedanken stehn auch auf<lb/> diesen Blättern schon verzeichnet, die viel später als großartige Entdeckungen in<lb/> die Welt hinausposaunt worden sind, mit denen später ganze Bände gefüllt<lb/> wurden. Für den Geschichtskundigen ist es ein herrliches Gefühl, sich von dem<lb/> Schwunge Burckhardtscher Gedanken hinauftragen zu lassen zu den beglückenden<lb/> Höhen reiner und — soweit es dem Menschen möglich ist — tendenzfreier<lb/> Anschauung des Geschehenen, für den Freund edler deutscher Sprache ist es<lb/> kaum ein geringerer Genuß, Burckhardts eindrucksvoller, oft malerisch anschau¬<lb/> licher Redeweise zu lauschen. Ein Beispiel davon für viele: um verständlich<lb/> zu machen, wie eine große Persönlichkeit in mehrfachem Sinne idealisiert werden<lb/> kann, so Karl der Große als Held, Fürst und Heiliger, sagt er: „Wir sehen<lb/> zwischen Tannen des hohen Jura hindurch in weiter Ferne einen berühmten<lb/> Gipfel mit ewigem Schnee; er wird freilich zugleich von vielen andern Orten<lb/> aus in andrer Art gesehen, durch Weinlauben, durch enge Hallengassen Ober¬<lb/> italiens; er ist und bleibt aber derselbe Montblanc."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Anastasius Grün<lb/> Gin Gedenkblatt zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages<lb/> v<note type="byline"> w. Berg</note> on<lb/> (Fortsetzung)</head><lb/> <p xml:id="ID_360" next="#ID_361"> as Jahr 1860 brachte wieder einen Wendepunkt in seinem<lb/> äußern Leben. Der Staatsmann verdrängte wieder den Dichter,<lb/> seitdem das Ministerium Bach 1859 gestürzt war, und Österreich<lb/> wieder in konstitutionelle Bahnen einlenkte. Der Kaiser berief<lb/> ihn nämlich als „zeitliches Mitglied" in den „Verstärkten Neichs-<lb/> rat." In die dort herrschende bureaukratisch-feudal-ultramontane Atmosphäre<lb/> brachte Graf Auersperg Leben und Bewegung. Man war dort verblüfft über<lb/> die Art seines Auftretens; eine so kräftige, mannhafte Sprache, die jede<lb/> behutsame Leisetreterei verschmähte, hatte man bis dahin dort noch nicht<lb/> vernommen. Als man zum Beispiel über die Vorrechte der privilegierten<lb/> Klassen verhandelte, rief Auersperg aus: „Was ist Geschichte? Sie ist das<lb/> kondensierte, in die Ferne gerückte und zur Anschauung gebrachte Bild des<lb/> Lebens. So wie das Leben fortgeht und nicht endet, so geht auch die<lb/> Geschichte fort und endet nicht." Also anch hier wieder der evolutionistische<lb/> Gedanke. In derselben Sitzung strebte er, indem er eifrig für die „Freiheit<lb/> Ungarns" und für die Rechte der Länder unter der Stephanskrone sprach, die<lb/> Versöhnung an. Aber schon im nächsten Jahre sah er sich durch die ungarischen<lb/> Gelüste genötigt, eine politisch-historische Schrift: „Die ungarische Bewegung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0089]
Anastasius Grün
im Geiste zwischen Burckhardts Zeilen einzuschieben und zu vergleichen, wo er
richtig prophezeit und wo er geirrt hat. Wie viele Gedanken stehn auch auf
diesen Blättern schon verzeichnet, die viel später als großartige Entdeckungen in
die Welt hinausposaunt worden sind, mit denen später ganze Bände gefüllt
wurden. Für den Geschichtskundigen ist es ein herrliches Gefühl, sich von dem
Schwunge Burckhardtscher Gedanken hinauftragen zu lassen zu den beglückenden
Höhen reiner und — soweit es dem Menschen möglich ist — tendenzfreier
Anschauung des Geschehenen, für den Freund edler deutscher Sprache ist es
kaum ein geringerer Genuß, Burckhardts eindrucksvoller, oft malerisch anschau¬
licher Redeweise zu lauschen. Ein Beispiel davon für viele: um verständlich
zu machen, wie eine große Persönlichkeit in mehrfachem Sinne idealisiert werden
kann, so Karl der Große als Held, Fürst und Heiliger, sagt er: „Wir sehen
zwischen Tannen des hohen Jura hindurch in weiter Ferne einen berühmten
Gipfel mit ewigem Schnee; er wird freilich zugleich von vielen andern Orten
aus in andrer Art gesehen, durch Weinlauben, durch enge Hallengassen Ober¬
italiens; er ist und bleibt aber derselbe Montblanc."
Anastasius Grün
Gin Gedenkblatt zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages
v w. Berg on
(Fortsetzung)
as Jahr 1860 brachte wieder einen Wendepunkt in seinem
äußern Leben. Der Staatsmann verdrängte wieder den Dichter,
seitdem das Ministerium Bach 1859 gestürzt war, und Österreich
wieder in konstitutionelle Bahnen einlenkte. Der Kaiser berief
ihn nämlich als „zeitliches Mitglied" in den „Verstärkten Neichs-
rat." In die dort herrschende bureaukratisch-feudal-ultramontane Atmosphäre
brachte Graf Auersperg Leben und Bewegung. Man war dort verblüfft über
die Art seines Auftretens; eine so kräftige, mannhafte Sprache, die jede
behutsame Leisetreterei verschmähte, hatte man bis dahin dort noch nicht
vernommen. Als man zum Beispiel über die Vorrechte der privilegierten
Klassen verhandelte, rief Auersperg aus: „Was ist Geschichte? Sie ist das
kondensierte, in die Ferne gerückte und zur Anschauung gebrachte Bild des
Lebens. So wie das Leben fortgeht und nicht endet, so geht auch die
Geschichte fort und endet nicht." Also anch hier wieder der evolutionistische
Gedanke. In derselben Sitzung strebte er, indem er eifrig für die „Freiheit
Ungarns" und für die Rechte der Länder unter der Stephanskrone sprach, die
Versöhnung an. Aber schon im nächsten Jahre sah er sich durch die ungarischen
Gelüste genötigt, eine politisch-historische Schrift: „Die ungarische Bewegung
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