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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Repräsentant der Souveränität der Bundesfürsten erhalten bleiben, der
nicht zugunsten eines parlamentarischen Körpers abdanken kann. Das Oberhaus
würde mithin außerhalb des Bundesrath und neben diesem zu konstituieren sein.
Bismarcks Befürchtung von 1866 wegen dreier xsr ins^ora beschließender Ver¬
sammlungen würde entsprechend seiner eignen damaligen Voraussicht heute nicht
mehr zutreffen. Der Bundesrat hält verhältnismäßig wenig Sitzungen, die beiden-
Häuser des Reichstags werden oft nebeneinander tagen können, zumal bei Ein¬
führung zweijähriger Etatsperioden. Sollte dennoch das Gesetzgebungstempo lang¬
samer und die Fülle neuer Gesetze geringer werden -- dann um so besser!

Nun würde ja selbstverständlich das Oberhaus die Zusammensetzung des andern
Hauses niemals direkt beeinflussen. Da mit dem allgemeinen Stimmrecht unsre
größern Städte immer mehr der Sozialdemokratie verfallen, wird der regierende
Teil des Reichstags dauernd eine unerwünschte Stärke behalten. Aber sobald ein
Oberhaus vorhanden ist, wird der Reichstag bei seinen Beratungen darauf Rücksicht
nehmen müssen, daß seine Beschlüsse für das Oberhaus annehmbar bleiben. Der
Bundesrat sieht sich jetzt viel eher in der Notwendigkeit, auch solchen Reichstags¬
beschlüssen seine Zustimmung geben zu müssen, die ihm nicht gefallen, sogar solchen,
die in den Debatten von ihm als unannehmbar bezeichnet worden sind; er hat
eben mit den Parteien und der Gesamtlage zu rechnen. Das Oberhaus wäre
in seiner Stellung durch solche Erwägungen nicht beeinflußt. Bundesrat und
Reichsämter würden an ihm einen starken Rückhalt haben und dem Reichstage
gegenüber nicht mehr so isoliert wie heute dastehen. Ebenso würden die staats¬
erhaltenden Parteien des Reichstags am Oberhause eine nützliche und erwünschte,
von den Parteiinteressen losgelöste Stütze finden. Das sind die Gründe, die mehr
und mehr dazu drängen, an die Realisierung des Oberhauses, die im Jahre 1867
wie 1870 der Zukunft vorbehalten wurde, heranzutreten.

Die Kreuzzeitung kommt in ihrer letzten Wochenschau ebenfalls auf den Gegen¬
stand zurück, will ihm aber nicht näher treten, weil sich für seine Verwirklichung
"zurzeit" keine Mehrheit im Reichstage finden würde. Das bleibt doch abzuwarten.
Außerdem trennen uns von den Neuwahlen nur noch zwei Jahre, es wäre mithin
durchaus an der Zeit, in eine Erörterung über dieses Thema einzutreten. Je gründ¬
licher diese ausfällt, um so eher wird man sich davon überzeugen, daß die theoretischen
Hindernisse, die auch die Kreuzzeitung in der Frage sieht, wie in einem Bundes¬
staate ein Oberhaus eingerichtet sein solle, und wie man sich das Nebeneinander¬
wirken der drei Körperschaften zu denken habe, in der Praxis nicht bestehen würden.
Wie ein Oberhaus in einem Bundesstaate einzurichten sei, lehrt die Reichsverfassung
von 1849, auch den Beispielen der Schweiz und der Vereinigten Staaten von
Nordamerika wäre manches zu entnehmen. Im heutigen Reichstage kommen die
heutigen politischen Parteien zur Geltung, hinter deren Interessen das Reichs¬
interesse oft genug zurücktreten muß. Im Oberhause würde das Reichsinteresse in
Verbindung mit den einzelstaatlichen Interessen seinen von den Parteibildungen des
heutigen Reichstags losgelösten Ausdruck finden.

Wir gehen jetzt einer ruhigern Periode in der auswärtigen Politik entgegen,
nutzen wir diese Frist, die vielleicht nicht von langer Dauer sein wird, sowohl für
d en ruhigen Ausbau unsrer Wehrmacht als für brennende innere Fragen.




Weltpolitik und Heimatpolitik.

In weiten Kreisen Deutschlands herrscht
die Ansicht vor, daß wir gezwungen seien, heimische Fabrikate zu exportieren, weil
unsre Landwirtschaft 66 Millionen Menschen nicht ernähren könne, und weil wir
jährlich Kolonialwaren im Werte von 1^ Milliarden Mark mit heimischen Fabrikaten
bezahlen müßten. Die erste Ansicht ist meiner Meinung nach irrig, die zweite richtig.
Professor Delbrück hat vor einigen Jahren als Rektor der landwirtschaftlichen Hoch¬
schule in Berlin in einer Rede unter anderm gesagt: "Kann die landwirtschaftliche
Produktion noch einmal verdoppelt werden? Ich nehme keinen Anstand, diese Frage


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Repräsentant der Souveränität der Bundesfürsten erhalten bleiben, der
nicht zugunsten eines parlamentarischen Körpers abdanken kann. Das Oberhaus
würde mithin außerhalb des Bundesrath und neben diesem zu konstituieren sein.
Bismarcks Befürchtung von 1866 wegen dreier xsr ins^ora beschließender Ver¬
sammlungen würde entsprechend seiner eignen damaligen Voraussicht heute nicht
mehr zutreffen. Der Bundesrat hält verhältnismäßig wenig Sitzungen, die beiden-
Häuser des Reichstags werden oft nebeneinander tagen können, zumal bei Ein¬
führung zweijähriger Etatsperioden. Sollte dennoch das Gesetzgebungstempo lang¬
samer und die Fülle neuer Gesetze geringer werden — dann um so besser!

Nun würde ja selbstverständlich das Oberhaus die Zusammensetzung des andern
Hauses niemals direkt beeinflussen. Da mit dem allgemeinen Stimmrecht unsre
größern Städte immer mehr der Sozialdemokratie verfallen, wird der regierende
Teil des Reichstags dauernd eine unerwünschte Stärke behalten. Aber sobald ein
Oberhaus vorhanden ist, wird der Reichstag bei seinen Beratungen darauf Rücksicht
nehmen müssen, daß seine Beschlüsse für das Oberhaus annehmbar bleiben. Der
Bundesrat sieht sich jetzt viel eher in der Notwendigkeit, auch solchen Reichstags¬
beschlüssen seine Zustimmung geben zu müssen, die ihm nicht gefallen, sogar solchen,
die in den Debatten von ihm als unannehmbar bezeichnet worden sind; er hat
eben mit den Parteien und der Gesamtlage zu rechnen. Das Oberhaus wäre
in seiner Stellung durch solche Erwägungen nicht beeinflußt. Bundesrat und
Reichsämter würden an ihm einen starken Rückhalt haben und dem Reichstage
gegenüber nicht mehr so isoliert wie heute dastehen. Ebenso würden die staats¬
erhaltenden Parteien des Reichstags am Oberhause eine nützliche und erwünschte,
von den Parteiinteressen losgelöste Stütze finden. Das sind die Gründe, die mehr
und mehr dazu drängen, an die Realisierung des Oberhauses, die im Jahre 1867
wie 1870 der Zukunft vorbehalten wurde, heranzutreten.

Die Kreuzzeitung kommt in ihrer letzten Wochenschau ebenfalls auf den Gegen¬
stand zurück, will ihm aber nicht näher treten, weil sich für seine Verwirklichung
„zurzeit" keine Mehrheit im Reichstage finden würde. Das bleibt doch abzuwarten.
Außerdem trennen uns von den Neuwahlen nur noch zwei Jahre, es wäre mithin
durchaus an der Zeit, in eine Erörterung über dieses Thema einzutreten. Je gründ¬
licher diese ausfällt, um so eher wird man sich davon überzeugen, daß die theoretischen
Hindernisse, die auch die Kreuzzeitung in der Frage sieht, wie in einem Bundes¬
staate ein Oberhaus eingerichtet sein solle, und wie man sich das Nebeneinander¬
wirken der drei Körperschaften zu denken habe, in der Praxis nicht bestehen würden.
Wie ein Oberhaus in einem Bundesstaate einzurichten sei, lehrt die Reichsverfassung
von 1849, auch den Beispielen der Schweiz und der Vereinigten Staaten von
Nordamerika wäre manches zu entnehmen. Im heutigen Reichstage kommen die
heutigen politischen Parteien zur Geltung, hinter deren Interessen das Reichs¬
interesse oft genug zurücktreten muß. Im Oberhause würde das Reichsinteresse in
Verbindung mit den einzelstaatlichen Interessen seinen von den Parteibildungen des
heutigen Reichstags losgelösten Ausdruck finden.

Wir gehen jetzt einer ruhigern Periode in der auswärtigen Politik entgegen,
nutzen wir diese Frist, die vielleicht nicht von langer Dauer sein wird, sowohl für
d en ruhigen Ausbau unsrer Wehrmacht als für brennende innere Fragen.




Weltpolitik und Heimatpolitik.

In weiten Kreisen Deutschlands herrscht
die Ansicht vor, daß wir gezwungen seien, heimische Fabrikate zu exportieren, weil
unsre Landwirtschaft 66 Millionen Menschen nicht ernähren könne, und weil wir
jährlich Kolonialwaren im Werte von 1^ Milliarden Mark mit heimischen Fabrikaten
bezahlen müßten. Die erste Ansicht ist meiner Meinung nach irrig, die zweite richtig.
Professor Delbrück hat vor einigen Jahren als Rektor der landwirtschaftlichen Hoch¬
schule in Berlin in einer Rede unter anderm gesagt: „Kann die landwirtschaftliche
Produktion noch einmal verdoppelt werden? Ich nehme keinen Anstand, diese Frage


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[0734] Maßgebliches und Unmaßgebliches Repräsentant der Souveränität der Bundesfürsten erhalten bleiben, der nicht zugunsten eines parlamentarischen Körpers abdanken kann. Das Oberhaus würde mithin außerhalb des Bundesrath und neben diesem zu konstituieren sein. Bismarcks Befürchtung von 1866 wegen dreier xsr ins^ora beschließender Ver¬ sammlungen würde entsprechend seiner eignen damaligen Voraussicht heute nicht mehr zutreffen. Der Bundesrat hält verhältnismäßig wenig Sitzungen, die beiden- Häuser des Reichstags werden oft nebeneinander tagen können, zumal bei Ein¬ führung zweijähriger Etatsperioden. Sollte dennoch das Gesetzgebungstempo lang¬ samer und die Fülle neuer Gesetze geringer werden — dann um so besser! Nun würde ja selbstverständlich das Oberhaus die Zusammensetzung des andern Hauses niemals direkt beeinflussen. Da mit dem allgemeinen Stimmrecht unsre größern Städte immer mehr der Sozialdemokratie verfallen, wird der regierende Teil des Reichstags dauernd eine unerwünschte Stärke behalten. Aber sobald ein Oberhaus vorhanden ist, wird der Reichstag bei seinen Beratungen darauf Rücksicht nehmen müssen, daß seine Beschlüsse für das Oberhaus annehmbar bleiben. Der Bundesrat sieht sich jetzt viel eher in der Notwendigkeit, auch solchen Reichstags¬ beschlüssen seine Zustimmung geben zu müssen, die ihm nicht gefallen, sogar solchen, die in den Debatten von ihm als unannehmbar bezeichnet worden sind; er hat eben mit den Parteien und der Gesamtlage zu rechnen. Das Oberhaus wäre in seiner Stellung durch solche Erwägungen nicht beeinflußt. Bundesrat und Reichsämter würden an ihm einen starken Rückhalt haben und dem Reichstage gegenüber nicht mehr so isoliert wie heute dastehen. Ebenso würden die staats¬ erhaltenden Parteien des Reichstags am Oberhause eine nützliche und erwünschte, von den Parteiinteressen losgelöste Stütze finden. Das sind die Gründe, die mehr und mehr dazu drängen, an die Realisierung des Oberhauses, die im Jahre 1867 wie 1870 der Zukunft vorbehalten wurde, heranzutreten. Die Kreuzzeitung kommt in ihrer letzten Wochenschau ebenfalls auf den Gegen¬ stand zurück, will ihm aber nicht näher treten, weil sich für seine Verwirklichung „zurzeit" keine Mehrheit im Reichstage finden würde. Das bleibt doch abzuwarten. Außerdem trennen uns von den Neuwahlen nur noch zwei Jahre, es wäre mithin durchaus an der Zeit, in eine Erörterung über dieses Thema einzutreten. Je gründ¬ licher diese ausfällt, um so eher wird man sich davon überzeugen, daß die theoretischen Hindernisse, die auch die Kreuzzeitung in der Frage sieht, wie in einem Bundes¬ staate ein Oberhaus eingerichtet sein solle, und wie man sich das Nebeneinander¬ wirken der drei Körperschaften zu denken habe, in der Praxis nicht bestehen würden. Wie ein Oberhaus in einem Bundesstaate einzurichten sei, lehrt die Reichsverfassung von 1849, auch den Beispielen der Schweiz und der Vereinigten Staaten von Nordamerika wäre manches zu entnehmen. Im heutigen Reichstage kommen die heutigen politischen Parteien zur Geltung, hinter deren Interessen das Reichs¬ interesse oft genug zurücktreten muß. Im Oberhause würde das Reichsinteresse in Verbindung mit den einzelstaatlichen Interessen seinen von den Parteibildungen des heutigen Reichstags losgelösten Ausdruck finden. Wir gehen jetzt einer ruhigern Periode in der auswärtigen Politik entgegen, nutzen wir diese Frist, die vielleicht nicht von langer Dauer sein wird, sowohl für d en ruhigen Ausbau unsrer Wehrmacht als für brennende innere Fragen. Weltpolitik und Heimatpolitik. In weiten Kreisen Deutschlands herrscht die Ansicht vor, daß wir gezwungen seien, heimische Fabrikate zu exportieren, weil unsre Landwirtschaft 66 Millionen Menschen nicht ernähren könne, und weil wir jährlich Kolonialwaren im Werte von 1^ Milliarden Mark mit heimischen Fabrikaten bezahlen müßten. Die erste Ansicht ist meiner Meinung nach irrig, die zweite richtig. Professor Delbrück hat vor einigen Jahren als Rektor der landwirtschaftlichen Hoch¬ schule in Berlin in einer Rede unter anderm gesagt: „Kann die landwirtschaftliche Produktion noch einmal verdoppelt werden? Ich nehme keinen Anstand, diese Frage

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/734>, abgerufen am 27.06.2024.