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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Genealogisches

diesen Helden bis auf die zurzeit lebenden Vertreter der Geschlechter zurück¬
geführt.

Bei dem damaligen Stande der geschichtlichen Forschung ist es nicht zu
verwundern, daß sogar ein Friedrich der Große noch an Tassilo festhielt, wie¬
wohl er (1750) die Ansicht aussprach, daß es sehr überflüssig wäre, Äg.Q8 les
tönsdres as l'^nticMö nach dem Ursprung seines Hauses zu forschen. Es sei
ihm gleichgiltig, ob sein Haus von den Colonnas, den Wittekind, den Weisen
oder einem andern Stammbaum herrühre; denn Iss Hommss, es w" ssmbls,
"ont, tems ni'uns rach sssglsinsat. Trotzdem beginnt er die Geschichte seines
Hauses mit 1Iig.88i1oil est Is vrsmisr ovato as Hodsv^ollsrn eoimu c1an8
l'Listoirs. Und doch weiß die heutige aufgeklärte Geschichte nichts von diesem
Tassilo, oder vielmehr, sie weiß, daß das lauter Phantastereien sind. Es ist
bezeichnend für das mühsame Durchdringen der streng geschichtlichen Forschung,
daß der wackere Tassilo noch lange in den Genealogien als Stammvater seinen
Platz behauptete, daß Stillfried und Mürcker in den epochemachenden "Hohen-
zvllerischen Forschungen 1847" gegen dieses stolze Inventarstück mancher Ahnen¬
bildergalerie noch vorgehn und ihm den Todesstoß versetzen mußten.

Hatte nun endlich die genealogische Forschung den realen, festen Boden
streng urkundlicher Wissenschaft betreten? Wir werden sehen.


2

Vor wenig Monaten erschien ein umfangreiches Werk: "Genealogie des
Gesamthauses Hohenzollern"*), das geeignet ist, sowohl der Aufgabe wegen,
die es sich gestellt hat, als auch der Art und Weise halber, wie es diese Auf¬
gabe gelöst hat, beachtet zu werden. Der Ausgabe wegen? Lag denn das Be¬
dürfnis nach einer neu bearbeiteten Genealogie, einem hohenzollerischen Stamm¬
baum vor? Diese Frage muß durchaus bejaht werden, und im Laufe der
Arbeit ergab sich das sehr überraschende Ergebnis, daß der seinerzeit so ge¬
schützte Stammbaum der Hohenzollern, den Stillfried 1869 herausgab, nichts
weniger als das ist, für was er sich ausgab: authentisch zu sein. Nun begreift
man, warum der so hochverdiente Mitbearbeiter der Hohenzollerischen Forschungen
(1847) und der Uonuiiiöiitg, Ac.1Ierg.lig. (1852 bis 1861), Mürcker, gegen diesen
Stillfriedschen Stammbaum sofort Stellung genommen hat. Man hält es kaum
für möglich, daß Stillfried, dem doch in seinen Ncmuiriöiitg, 21oll6rg.na. und in
den "Forschungen" für die ältere und spätere mittelalterliche Zeit und für die
Folgezeit in den Archiven, Pfarrämtern, Epitaphien usw. ein so reiches Material
zu Gebote stand, alles das nicht annähernd ausreichend benutzt hat, und daß
hierdurch an seiner so berühmten Stammtafel sehr wenig authentisch war. Ver¬
gleicht man den Stillfriedschen Stammbaum mit den Angaben der "Genealogie"
durch alle Jahrhunderte hindurch, so drängt sich der Wert dieser gegenüber der



"Genealogie des Gesamthauses Hohenzollern." Nach den Quellen bearbeitet und heraus¬
gegeben von Julius Grohmann, Ernst Berner, Georg Schuster, Karl Theodor Zingeler. Berlin,
W. Moeser, 1905.
Genealogisches

diesen Helden bis auf die zurzeit lebenden Vertreter der Geschlechter zurück¬
geführt.

Bei dem damaligen Stande der geschichtlichen Forschung ist es nicht zu
verwundern, daß sogar ein Friedrich der Große noch an Tassilo festhielt, wie¬
wohl er (1750) die Ansicht aussprach, daß es sehr überflüssig wäre, Äg.Q8 les
tönsdres as l'^nticMö nach dem Ursprung seines Hauses zu forschen. Es sei
ihm gleichgiltig, ob sein Haus von den Colonnas, den Wittekind, den Weisen
oder einem andern Stammbaum herrühre; denn Iss Hommss, es w« ssmbls,
«ont, tems ni'uns rach sssglsinsat. Trotzdem beginnt er die Geschichte seines
Hauses mit 1Iig.88i1oil est Is vrsmisr ovato as Hodsv^ollsrn eoimu c1an8
l'Listoirs. Und doch weiß die heutige aufgeklärte Geschichte nichts von diesem
Tassilo, oder vielmehr, sie weiß, daß das lauter Phantastereien sind. Es ist
bezeichnend für das mühsame Durchdringen der streng geschichtlichen Forschung,
daß der wackere Tassilo noch lange in den Genealogien als Stammvater seinen
Platz behauptete, daß Stillfried und Mürcker in den epochemachenden „Hohen-
zvllerischen Forschungen 1847" gegen dieses stolze Inventarstück mancher Ahnen¬
bildergalerie noch vorgehn und ihm den Todesstoß versetzen mußten.

Hatte nun endlich die genealogische Forschung den realen, festen Boden
streng urkundlicher Wissenschaft betreten? Wir werden sehen.


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Vor wenig Monaten erschien ein umfangreiches Werk: „Genealogie des
Gesamthauses Hohenzollern"*), das geeignet ist, sowohl der Aufgabe wegen,
die es sich gestellt hat, als auch der Art und Weise halber, wie es diese Auf¬
gabe gelöst hat, beachtet zu werden. Der Ausgabe wegen? Lag denn das Be¬
dürfnis nach einer neu bearbeiteten Genealogie, einem hohenzollerischen Stamm¬
baum vor? Diese Frage muß durchaus bejaht werden, und im Laufe der
Arbeit ergab sich das sehr überraschende Ergebnis, daß der seinerzeit so ge¬
schützte Stammbaum der Hohenzollern, den Stillfried 1869 herausgab, nichts
weniger als das ist, für was er sich ausgab: authentisch zu sein. Nun begreift
man, warum der so hochverdiente Mitbearbeiter der Hohenzollerischen Forschungen
(1847) und der Uonuiiiöiitg, Ac.1Ierg.lig. (1852 bis 1861), Mürcker, gegen diesen
Stillfriedschen Stammbaum sofort Stellung genommen hat. Man hält es kaum
für möglich, daß Stillfried, dem doch in seinen Ncmuiriöiitg, 21oll6rg.na. und in
den „Forschungen" für die ältere und spätere mittelalterliche Zeit und für die
Folgezeit in den Archiven, Pfarrämtern, Epitaphien usw. ein so reiches Material
zu Gebote stand, alles das nicht annähernd ausreichend benutzt hat, und daß
hierdurch an seiner so berühmten Stammtafel sehr wenig authentisch war. Ver¬
gleicht man den Stillfriedschen Stammbaum mit den Angaben der „Genealogie"
durch alle Jahrhunderte hindurch, so drängt sich der Wert dieser gegenüber der



„Genealogie des Gesamthauses Hohenzollern." Nach den Quellen bearbeitet und heraus¬
gegeben von Julius Grohmann, Ernst Berner, Georg Schuster, Karl Theodor Zingeler. Berlin,
W. Moeser, 1905.
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[0655] Genealogisches diesen Helden bis auf die zurzeit lebenden Vertreter der Geschlechter zurück¬ geführt. Bei dem damaligen Stande der geschichtlichen Forschung ist es nicht zu verwundern, daß sogar ein Friedrich der Große noch an Tassilo festhielt, wie¬ wohl er (1750) die Ansicht aussprach, daß es sehr überflüssig wäre, Äg.Q8 les tönsdres as l'^nticMö nach dem Ursprung seines Hauses zu forschen. Es sei ihm gleichgiltig, ob sein Haus von den Colonnas, den Wittekind, den Weisen oder einem andern Stammbaum herrühre; denn Iss Hommss, es w« ssmbls, «ont, tems ni'uns rach sssglsinsat. Trotzdem beginnt er die Geschichte seines Hauses mit 1Iig.88i1oil est Is vrsmisr ovato as Hodsv^ollsrn eoimu c1an8 l'Listoirs. Und doch weiß die heutige aufgeklärte Geschichte nichts von diesem Tassilo, oder vielmehr, sie weiß, daß das lauter Phantastereien sind. Es ist bezeichnend für das mühsame Durchdringen der streng geschichtlichen Forschung, daß der wackere Tassilo noch lange in den Genealogien als Stammvater seinen Platz behauptete, daß Stillfried und Mürcker in den epochemachenden „Hohen- zvllerischen Forschungen 1847" gegen dieses stolze Inventarstück mancher Ahnen¬ bildergalerie noch vorgehn und ihm den Todesstoß versetzen mußten. Hatte nun endlich die genealogische Forschung den realen, festen Boden streng urkundlicher Wissenschaft betreten? Wir werden sehen. 2 Vor wenig Monaten erschien ein umfangreiches Werk: „Genealogie des Gesamthauses Hohenzollern"*), das geeignet ist, sowohl der Aufgabe wegen, die es sich gestellt hat, als auch der Art und Weise halber, wie es diese Auf¬ gabe gelöst hat, beachtet zu werden. Der Ausgabe wegen? Lag denn das Be¬ dürfnis nach einer neu bearbeiteten Genealogie, einem hohenzollerischen Stamm¬ baum vor? Diese Frage muß durchaus bejaht werden, und im Laufe der Arbeit ergab sich das sehr überraschende Ergebnis, daß der seinerzeit so ge¬ schützte Stammbaum der Hohenzollern, den Stillfried 1869 herausgab, nichts weniger als das ist, für was er sich ausgab: authentisch zu sein. Nun begreift man, warum der so hochverdiente Mitbearbeiter der Hohenzollerischen Forschungen (1847) und der Uonuiiiöiitg, Ac.1Ierg.lig. (1852 bis 1861), Mürcker, gegen diesen Stillfriedschen Stammbaum sofort Stellung genommen hat. Man hält es kaum für möglich, daß Stillfried, dem doch in seinen Ncmuiriöiitg, 21oll6rg.na. und in den „Forschungen" für die ältere und spätere mittelalterliche Zeit und für die Folgezeit in den Archiven, Pfarrämtern, Epitaphien usw. ein so reiches Material zu Gebote stand, alles das nicht annähernd ausreichend benutzt hat, und daß hierdurch an seiner so berühmten Stammtafel sehr wenig authentisch war. Ver¬ gleicht man den Stillfriedschen Stammbaum mit den Angaben der „Genealogie" durch alle Jahrhunderte hindurch, so drängt sich der Wert dieser gegenüber der „Genealogie des Gesamthauses Hohenzollern." Nach den Quellen bearbeitet und heraus¬ gegeben von Julius Grohmann, Ernst Berner, Georg Schuster, Karl Theodor Zingeler. Berlin, W. Moeser, 1905.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/655>, abgerufen am 27.06.2024.