Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Das hat Tante Fritze getan! Anneli fühlte eine dumpfe Wut in sich aufsteigen, aber sie antwortete einiger¬ Wer ist Taute Fritze? fragte die andre, und Christel übernahm die Antwort. Hast du die alte Pankow noch nicht gesehen, Rita? Sie kommt doch auch Abrutschen? wiederholte diese verwirrt, und die größern Mädchen lachten Ärzte können sich auch irren! schob des Pastors Röschen ein, die Mitleid mit (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches (Die Presse an Bismarcks Geburtstag. Das Hafenkommando Rcichsspiegel. von Casablcmcci. Bismarck und Algeciras. "Die Finanzreform.") Der erste April ist auch diesesmal, wie alljährlich, von einer größern Anzahl Maßgebliches und Unmaßgebliches Das hat Tante Fritze getan! Anneli fühlte eine dumpfe Wut in sich aufsteigen, aber sie antwortete einiger¬ Wer ist Taute Fritze? fragte die andre, und Christel übernahm die Antwort. Hast du die alte Pankow noch nicht gesehen, Rita? Sie kommt doch auch Abrutschen? wiederholte diese verwirrt, und die größern Mädchen lachten Ärzte können sich auch irren! schob des Pastors Röschen ein, die Mitleid mit (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches (Die Presse an Bismarcks Geburtstag. Das Hafenkommando Rcichsspiegel. von Casablcmcci. Bismarck und Algeciras. „Die Finanzreform.") Der erste April ist auch diesesmal, wie alljährlich, von einer größern Anzahl <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299102"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_258"> Das hat Tante Fritze getan!</p><lb/> <p xml:id="ID_259"> Anneli fühlte eine dumpfe Wut in sich aufsteigen, aber sie antwortete einiger¬<lb/> maßen ruhig.</p><lb/> <p xml:id="ID_260"> Wer ist Taute Fritze? fragte die andre, und Christel übernahm die Antwort.<lb/> Sie war heute besonders übermütig und wollte zeigen, wie „erwachsen" sie schon<lb/> sprechen konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_261"> Hast du die alte Pankow noch nicht gesehen, Rita? Sie kommt doch auch<lb/> zum Bürgermeister und trinkt hundert Tassen Kaffee. Papn sagt, daß sie bald<lb/> abrutschen wird, weil sie etwas am Herzen hat. Das tut auch nichts, sie ist ein<lb/> alter Drache, und die Tiere auf Aureus Kleid sind Photographien von ihr, nicht<lb/> wahr, Anneli?</p><lb/> <p xml:id="ID_262"> Abrutschen? wiederholte diese verwirrt, und die größern Mädchen lachten<lb/> wieder, weil die Kleine nicht wußte, daß Abrutschen sterben bedeutet. Christel lachte<lb/> am lautesten. Neulich schon hatte sie Anneli erzählen wollen, daß Tante Fritzcs<lb/> Tage gezählt wären. Ihr Papa hatte es beim Essen zu ihrer Mutter gesagt.</p><lb/> <p xml:id="ID_263"> Ärzte können sich auch irren! schob des Pastors Röschen ein, die Mitleid mit<lb/> Aureus verstörtem Gesicht zu haben schien, aber Anneli dachte wenig an Tante<lb/> Fritze, sondern nur daran, daß die ältern Mädchen nicht so nett waren, wie sie es<lb/> erwartet hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_264"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <note type="argument"> (Die Presse an Bismarcks Geburtstag. Das Hafenkommando</note><lb/> <div n="2"> <head> Rcichsspiegel. </head><lb/> <note type="argument"> von Casablcmcci. Bismarck und Algeciras. „Die Finanzreform.")</note><lb/> <p xml:id="ID_265" next="#ID_266"> Der erste April ist auch diesesmal, wie alljährlich, von einer größern Anzahl<lb/> deutscher Zeitungen mit einem dankbaren Gedenken an Bismarcks Geburtstag be¬<lb/> gangen worden. Es ist das eine hochcrfreuliche Erscheinung, denn — wie Kaiser<lb/> Wilhelm der Erste einst seinem Kanzler zum siebzigsten Geburtstage geschrieben: „Es<lb/> ziert die Nation in der Gegenwart, und es stärkt die Hoffnung ans ihre Zukunft,<lb/> wenn sie ihre hochverdienten Männer feiert und ehrt." Der Name Bismarck wird<lb/> hoch in Ehren fortklingen, solange es ein Deutschland und Deutsche gibt. Jüngere<lb/> Geschlechter, die von den Streitigkeiten unsrer Tage unberührt sind, werden in<lb/> staunender Ehrfurcht die Generation beneiden, in deren Mitte der Riese gelebt und<lb/> gewirkt hat, mit der er im Gigantentritt durch seiue Zeit geschritten und mit unbeug¬<lb/> samen Armen das Reich gebaut, des Reiches Geguer gebeugt oder gebrochen hat.<lb/> So selten aber große weltbeherrschende Gestalten in der Geschichte sind, so wenig<lb/> erscheint es zulässig, den Maßstab, den man an sie anlegen durfte, auf ihre Nachfolger<lb/> anzuwenden. Daß die Frage dereinst kommen würde: Ist kein Bismarck da? — ist<lb/> nach 1890, zu seinen Lebzeiten, oft genug ausgesprochen worden, und die Zeiten<lb/> der Not werden dereinst vielleicht nicht ausbleiben, die zu eiuer solchen Frage be¬<lb/> rechtigen. Um so vorsichtiger aber sollte man damit umgehn. Wenn jetzt zum<lb/> Beispiel die Berliner Volkszeitung fragte: Ist kein Bismarck da? weil wir in<lb/> Algeciras nicht die Konferenz abgebrochen haben, als die Franzosen erklärten, sie<lb/> wollten den künftigen Polizeiinspekteur nicht zum Hafenkommandanten von Casa-<lb/> bianca haben, oder als die entstellte russische Note im Pariser rswxs erschien, so<lb/> entwertet das Spiel mit Worten die Heiligkeit eines solchen Gedankens. Casabianca<lb/> War für Deutschland keine Prinzipienfrage, und eine Konferenz, zumal eine solche,<lb/> die nicht auf der Unterlage einer militärischen Entscheidung zusammentritt, kann zu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Das hat Tante Fritze getan!
Anneli fühlte eine dumpfe Wut in sich aufsteigen, aber sie antwortete einiger¬
maßen ruhig.
Wer ist Taute Fritze? fragte die andre, und Christel übernahm die Antwort.
Sie war heute besonders übermütig und wollte zeigen, wie „erwachsen" sie schon
sprechen konnte.
Hast du die alte Pankow noch nicht gesehen, Rita? Sie kommt doch auch
zum Bürgermeister und trinkt hundert Tassen Kaffee. Papn sagt, daß sie bald
abrutschen wird, weil sie etwas am Herzen hat. Das tut auch nichts, sie ist ein
alter Drache, und die Tiere auf Aureus Kleid sind Photographien von ihr, nicht
wahr, Anneli?
Abrutschen? wiederholte diese verwirrt, und die größern Mädchen lachten
wieder, weil die Kleine nicht wußte, daß Abrutschen sterben bedeutet. Christel lachte
am lautesten. Neulich schon hatte sie Anneli erzählen wollen, daß Tante Fritzcs
Tage gezählt wären. Ihr Papa hatte es beim Essen zu ihrer Mutter gesagt.
Ärzte können sich auch irren! schob des Pastors Röschen ein, die Mitleid mit
Aureus verstörtem Gesicht zu haben schien, aber Anneli dachte wenig an Tante
Fritze, sondern nur daran, daß die ältern Mädchen nicht so nett waren, wie sie es
erwartet hatte.
(Fortsetzung folgt)
Maßgebliches und Unmaßgebliches
(Die Presse an Bismarcks Geburtstag. Das Hafenkommando
Rcichsspiegel.
von Casablcmcci. Bismarck und Algeciras. „Die Finanzreform.")
Der erste April ist auch diesesmal, wie alljährlich, von einer größern Anzahl
deutscher Zeitungen mit einem dankbaren Gedenken an Bismarcks Geburtstag be¬
gangen worden. Es ist das eine hochcrfreuliche Erscheinung, denn — wie Kaiser
Wilhelm der Erste einst seinem Kanzler zum siebzigsten Geburtstage geschrieben: „Es
ziert die Nation in der Gegenwart, und es stärkt die Hoffnung ans ihre Zukunft,
wenn sie ihre hochverdienten Männer feiert und ehrt." Der Name Bismarck wird
hoch in Ehren fortklingen, solange es ein Deutschland und Deutsche gibt. Jüngere
Geschlechter, die von den Streitigkeiten unsrer Tage unberührt sind, werden in
staunender Ehrfurcht die Generation beneiden, in deren Mitte der Riese gelebt und
gewirkt hat, mit der er im Gigantentritt durch seiue Zeit geschritten und mit unbeug¬
samen Armen das Reich gebaut, des Reiches Geguer gebeugt oder gebrochen hat.
So selten aber große weltbeherrschende Gestalten in der Geschichte sind, so wenig
erscheint es zulässig, den Maßstab, den man an sie anlegen durfte, auf ihre Nachfolger
anzuwenden. Daß die Frage dereinst kommen würde: Ist kein Bismarck da? — ist
nach 1890, zu seinen Lebzeiten, oft genug ausgesprochen worden, und die Zeiten
der Not werden dereinst vielleicht nicht ausbleiben, die zu eiuer solchen Frage be¬
rechtigen. Um so vorsichtiger aber sollte man damit umgehn. Wenn jetzt zum
Beispiel die Berliner Volkszeitung fragte: Ist kein Bismarck da? weil wir in
Algeciras nicht die Konferenz abgebrochen haben, als die Franzosen erklärten, sie
wollten den künftigen Polizeiinspekteur nicht zum Hafenkommandanten von Casa-
bianca haben, oder als die entstellte russische Note im Pariser rswxs erschien, so
entwertet das Spiel mit Worten die Heiligkeit eines solchen Gedankens. Casabianca
War für Deutschland keine Prinzipienfrage, und eine Konferenz, zumal eine solche,
die nicht auf der Unterlage einer militärischen Entscheidung zusammentritt, kann zu
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