Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Aus dem Unglücksjahre ^807 Erlebnisse und Wahrnehmungen eines hohen französischen Offiziers in Gst- und Westpreußen L. Joachim Mitgeteilt von3 B Aus dem Unglücksjahre ^807 Erlebnisse und Wahrnehmungen eines hohen französischen Offiziers in Gst- und Westpreußen L. Joachim Mitgeteilt von3 B <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299531"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341883_299040/figures/grenzboten_341883_299040_299531_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Aus dem Unglücksjahre ^807<lb/> Erlebnisse und Wahrnehmungen eines hohen französischen Offiziers in Gst-<lb/> und Westpreußen<lb/><note type="byline"> L. Joachim</note> Mitgeteilt von3</head><lb/> <p xml:id="ID_2156" next="#ID_2157"> B<lb/> V'>un folgt eine Reihe festlicher Tage in dem sonst so stillen<lb/> Tilsit. Noch am 26. kommt Alexander in die Stadt mit seinem<lb/> Bruder Konstantin und drei Herren vom Gefolge. Ein langes<lb/> Spalier französischer Garden empfängt ihn; Napoleon ist selbst<lb/> I erschienen, um seinen neuen Freund heiter und galant zu be¬<lb/> grüßen. Dann reiten die Monarchen, umgeben von einer glänzenden Suite, zur<lb/> Wohnung des französischen Kaisers, bei dem ein großes Festmahl stattfindet.<lb/> Am 27. Juni ist großes Manöver und Parade der französischen Gardeinfauterie<lb/> vor den beiden Kaisern und dem Großfürsten. Alexander ist entzückt. Es<lb/> herrscht eine große Harmonie unter Franzosen und Russen. Der König von<lb/> Preußen ist krank. Bennigsen und die russischen hohen Offiziere machen keinen<lb/> besondern Eindruck. Am 28. treffen die Offiziere der französischen Garde Vor¬<lb/> bereitungen zu einem großen Verbrüderungsfeste, das sie ihren russischen Kame¬<lb/> raden geben wollen. Napoleon läßt zu diesem Zwecke drei Rationen verteilen.<lb/> Nun kommt auch der König von Preußen (er wohnte in Piktupönen), um<lb/> Napoleon seinen Besuch zu machen; er soll am Ufer empfangen werden, man<lb/> landet ihn jedoch an einer Stelle, wo er nicht erwartet wird, und es verstreichen<lb/> wohl zwanzig Minuten, ehe man ihn begrüßt. Kaiser Alexander ist der erste,<lb/> der erscheint und ihm die Hand reicht. Dann steigen beide zu Pferde und be¬<lb/> geben sich zuerst in das russische Quartier, von dort zu Napoleon, der ihnen<lb/> bis zur Haustür entgegentritt. Der arme Friedrich Wilhelm ist sehr mager;<lb/> er trägt eine blaue Uniform mit silbernen Knöpfen und einen Tschako, nach<lb/> russischer Art mit einem schwarzen Federbusch, der ihn noch länger, oder „wenn<lb/> man will, noch größer" erscheinen läßt. Er sieht traurig und melancholisch aus<lb/> und erregt allgemeines Mitleid. Napoleon behandelt ihn mehr gütig als mit<lb/> Auszeichnung, während man den russischen Kaiser mit zarten Aufmerksamkeiten<lb/> überschüttet; dafür aber — so meint Percy — haben die Preußen nichts als<lb/> Dummheiten begangen. Es findet dann ein Kavalleriemanöver statt, dem die<lb/> drei Monarchen beiwohnen. Es macht den Eindruck, als wage es der preußische<lb/> König nicht, sich zu den Kaisern zu gesellen; er bleibt meist hinter ihnen und<lb/> öffnet die Lippen nicht; doch grüßt man ihn, und die beiden andern behandeln<lb/> ihn höflich. Beim Einmarsch bemerkt Napoleon, zu dessen Linken Alexander<lb/> und Friedrich Wilhelm reiten, unsern biedern Percy und lächelt ihm ein wenig<lb/> schadenfroh zu. Was liegt nicht alles in dieser Miene? meint unser Gewährs-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0490]
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Aus dem Unglücksjahre ^807
Erlebnisse und Wahrnehmungen eines hohen französischen Offiziers in Gst-
und Westpreußen
L. Joachim Mitgeteilt von3
B
V'>un folgt eine Reihe festlicher Tage in dem sonst so stillen
Tilsit. Noch am 26. kommt Alexander in die Stadt mit seinem
Bruder Konstantin und drei Herren vom Gefolge. Ein langes
Spalier französischer Garden empfängt ihn; Napoleon ist selbst
I erschienen, um seinen neuen Freund heiter und galant zu be¬
grüßen. Dann reiten die Monarchen, umgeben von einer glänzenden Suite, zur
Wohnung des französischen Kaisers, bei dem ein großes Festmahl stattfindet.
Am 27. Juni ist großes Manöver und Parade der französischen Gardeinfauterie
vor den beiden Kaisern und dem Großfürsten. Alexander ist entzückt. Es
herrscht eine große Harmonie unter Franzosen und Russen. Der König von
Preußen ist krank. Bennigsen und die russischen hohen Offiziere machen keinen
besondern Eindruck. Am 28. treffen die Offiziere der französischen Garde Vor¬
bereitungen zu einem großen Verbrüderungsfeste, das sie ihren russischen Kame¬
raden geben wollen. Napoleon läßt zu diesem Zwecke drei Rationen verteilen.
Nun kommt auch der König von Preußen (er wohnte in Piktupönen), um
Napoleon seinen Besuch zu machen; er soll am Ufer empfangen werden, man
landet ihn jedoch an einer Stelle, wo er nicht erwartet wird, und es verstreichen
wohl zwanzig Minuten, ehe man ihn begrüßt. Kaiser Alexander ist der erste,
der erscheint und ihm die Hand reicht. Dann steigen beide zu Pferde und be¬
geben sich zuerst in das russische Quartier, von dort zu Napoleon, der ihnen
bis zur Haustür entgegentritt. Der arme Friedrich Wilhelm ist sehr mager;
er trägt eine blaue Uniform mit silbernen Knöpfen und einen Tschako, nach
russischer Art mit einem schwarzen Federbusch, der ihn noch länger, oder „wenn
man will, noch größer" erscheinen läßt. Er sieht traurig und melancholisch aus
und erregt allgemeines Mitleid. Napoleon behandelt ihn mehr gütig als mit
Auszeichnung, während man den russischen Kaiser mit zarten Aufmerksamkeiten
überschüttet; dafür aber — so meint Percy — haben die Preußen nichts als
Dummheiten begangen. Es findet dann ein Kavalleriemanöver statt, dem die
drei Monarchen beiwohnen. Es macht den Eindruck, als wage es der preußische
König nicht, sich zu den Kaisern zu gesellen; er bleibt meist hinter ihnen und
öffnet die Lippen nicht; doch grüßt man ihn, und die beiden andern behandeln
ihn höflich. Beim Einmarsch bemerkt Napoleon, zu dessen Linken Alexander
und Friedrich Wilhelm reiten, unsern biedern Percy und lächelt ihm ein wenig
schadenfroh zu. Was liegt nicht alles in dieser Miene? meint unser Gewährs-
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