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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Krankenlager des Reichskanzlers

K>mer unsrer Mitarbeiter, der sich in die dem Fürsten Bülow in
den letzten Wochen zugcgangnen Kondolenzen und Gratulationen
Einsicht erbeten hat, schreibt uns: Die vier Wochen von seinem
Ohnmachtsanfall im Reichstage bis zu seinem Geburtstage werden
!dem Fürsten Bülow wenigstens aus einem Grunde immer in
freundlicher Erinnerung bleiben. In dieser Zeit der ihm vom Arzt auferlegten
Arbeitsruhe ergoß sich ein unerschöpflicher Strom von Kundgebungen der
Teilnahme, Verehrung, Freundschaft und Anhänglichkeit in das stille Kanzler¬
palais. Aus allen Teilen der Welt, von Stockholm bis Peking, kamen die
Telegramme, in allen Schichten des deutschen Volkes äußerte sich die Be¬
stürzung über das Ereignis, dessen Folgen im ersten Augenblick niemand zu
übersehen vermochte, und die Freude über die schnelle Beseitigung der schlimmen
Besorgnisse, die sich so manchem aufgedrängt hatten. In seiner bescheidnen
Sprache hat wohl am besten ein kleiner Landwirt aus Franken den Gefühlen
Ausdruck gegeben, die seine Kreise bewegten. In einem herzlichen Briefe
an den Kanzler schreibt er, daß es erst durch seine Erkrankung dem Volke
so recht zum Bewußtsein gekommen sei, was es an seinem Kanzler hat. In
den verschiedensten Wendungen kehrt dieser Gedanke in zahlreichen Zuschriften
an den Fürsten wieder, die Teilnahme gilt dem "treuen deutschen Steuer¬
mann", dem "Hüter des Völkerfriedcns", dem "Vertrauensmann der Nation".
"Das Vaterland hat Eure Durchlaucht nötig", heißt es in einer Adresse der
Evangelischen Arbeitervereine; und in der ländlichen Bevölkerung war die
Teilnahme, wie der Rheinische Bauernverein versichert, um so allgemeiner und
lebhafter, als der Reichskanzler "nicht nur die äußere Politik mit sichrer
Hand geleitet, sondern auch und insbesondre eine augenfällige Wandlung in
der innern Wirtschaftspolitik herbeigeführt hat, unter deren früherer Richtung
der Bauernstand schwer gelitten hat". Vom Magistrat der Stadt Bromberg,
deren Ehrenbürger der Reichskanzler ist. kommt der Wunsch, "daß insbesondre
der Ostmark Eurer Durchlaucht bahnbrechende staatsmännische Arbeit und
Initiative, auf die wir mit vollstem Vertrauen blicken, erhalten bleibe". Und


Grenzboten II 1906 44


Aus den Krankenlager des Reichskanzlers

K>mer unsrer Mitarbeiter, der sich in die dem Fürsten Bülow in
den letzten Wochen zugcgangnen Kondolenzen und Gratulationen
Einsicht erbeten hat, schreibt uns: Die vier Wochen von seinem
Ohnmachtsanfall im Reichstage bis zu seinem Geburtstage werden
!dem Fürsten Bülow wenigstens aus einem Grunde immer in
freundlicher Erinnerung bleiben. In dieser Zeit der ihm vom Arzt auferlegten
Arbeitsruhe ergoß sich ein unerschöpflicher Strom von Kundgebungen der
Teilnahme, Verehrung, Freundschaft und Anhänglichkeit in das stille Kanzler¬
palais. Aus allen Teilen der Welt, von Stockholm bis Peking, kamen die
Telegramme, in allen Schichten des deutschen Volkes äußerte sich die Be¬
stürzung über das Ereignis, dessen Folgen im ersten Augenblick niemand zu
übersehen vermochte, und die Freude über die schnelle Beseitigung der schlimmen
Besorgnisse, die sich so manchem aufgedrängt hatten. In seiner bescheidnen
Sprache hat wohl am besten ein kleiner Landwirt aus Franken den Gefühlen
Ausdruck gegeben, die seine Kreise bewegten. In einem herzlichen Briefe
an den Kanzler schreibt er, daß es erst durch seine Erkrankung dem Volke
so recht zum Bewußtsein gekommen sei, was es an seinem Kanzler hat. In
den verschiedensten Wendungen kehrt dieser Gedanke in zahlreichen Zuschriften
an den Fürsten wieder, die Teilnahme gilt dem „treuen deutschen Steuer¬
mann", dem „Hüter des Völkerfriedcns", dem „Vertrauensmann der Nation".
»Das Vaterland hat Eure Durchlaucht nötig", heißt es in einer Adresse der
Evangelischen Arbeitervereine; und in der ländlichen Bevölkerung war die
Teilnahme, wie der Rheinische Bauernverein versichert, um so allgemeiner und
lebhafter, als der Reichskanzler „nicht nur die äußere Politik mit sichrer
Hand geleitet, sondern auch und insbesondre eine augenfällige Wandlung in
der innern Wirtschaftspolitik herbeigeführt hat, unter deren früherer Richtung
der Bauernstand schwer gelitten hat". Vom Magistrat der Stadt Bromberg,
deren Ehrenbürger der Reichskanzler ist. kommt der Wunsch, „daß insbesondre
der Ostmark Eurer Durchlaucht bahnbrechende staatsmännische Arbeit und
Initiative, auf die wir mit vollstem Vertrauen blicken, erhalten bleibe". Und


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[0357] [Abbildung] Aus den Krankenlager des Reichskanzlers K>mer unsrer Mitarbeiter, der sich in die dem Fürsten Bülow in den letzten Wochen zugcgangnen Kondolenzen und Gratulationen Einsicht erbeten hat, schreibt uns: Die vier Wochen von seinem Ohnmachtsanfall im Reichstage bis zu seinem Geburtstage werden !dem Fürsten Bülow wenigstens aus einem Grunde immer in freundlicher Erinnerung bleiben. In dieser Zeit der ihm vom Arzt auferlegten Arbeitsruhe ergoß sich ein unerschöpflicher Strom von Kundgebungen der Teilnahme, Verehrung, Freundschaft und Anhänglichkeit in das stille Kanzler¬ palais. Aus allen Teilen der Welt, von Stockholm bis Peking, kamen die Telegramme, in allen Schichten des deutschen Volkes äußerte sich die Be¬ stürzung über das Ereignis, dessen Folgen im ersten Augenblick niemand zu übersehen vermochte, und die Freude über die schnelle Beseitigung der schlimmen Besorgnisse, die sich so manchem aufgedrängt hatten. In seiner bescheidnen Sprache hat wohl am besten ein kleiner Landwirt aus Franken den Gefühlen Ausdruck gegeben, die seine Kreise bewegten. In einem herzlichen Briefe an den Kanzler schreibt er, daß es erst durch seine Erkrankung dem Volke so recht zum Bewußtsein gekommen sei, was es an seinem Kanzler hat. In den verschiedensten Wendungen kehrt dieser Gedanke in zahlreichen Zuschriften an den Fürsten wieder, die Teilnahme gilt dem „treuen deutschen Steuer¬ mann", dem „Hüter des Völkerfriedcns", dem „Vertrauensmann der Nation". »Das Vaterland hat Eure Durchlaucht nötig", heißt es in einer Adresse der Evangelischen Arbeitervereine; und in der ländlichen Bevölkerung war die Teilnahme, wie der Rheinische Bauernverein versichert, um so allgemeiner und lebhafter, als der Reichskanzler „nicht nur die äußere Politik mit sichrer Hand geleitet, sondern auch und insbesondre eine augenfällige Wandlung in der innern Wirtschaftspolitik herbeigeführt hat, unter deren früherer Richtung der Bauernstand schwer gelitten hat". Vom Magistrat der Stadt Bromberg, deren Ehrenbürger der Reichskanzler ist. kommt der Wunsch, „daß insbesondre der Ostmark Eurer Durchlaucht bahnbrechende staatsmännische Arbeit und Initiative, auf die wir mit vollstem Vertrauen blicken, erhalten bleibe". Und Grenzboten II 1906 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/357>, abgerufen am 26.12.2024.