Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Mag nun der Gesetzentwurf unverändert angenommen werden oder im vor¬ Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (Schluß, > roeltsch, der den ersten Band geschlossen hat, eröffnet den zweiten, Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Mag nun der Gesetzentwurf unverändert angenommen werden oder im vor¬ Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (Schluß, > roeltsch, der den ersten Band geschlossen hat, eröffnet den zweiten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299357"/> <fw type="header" place="top"> Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft</fw><lb/> <p xml:id="ID_1409"> Mag nun der Gesetzentwurf unverändert angenommen werden oder im vor¬<lb/> stehenden Sinne Abänderungen erleiden, soviel ist sicher, daß er eine bedeutende<lb/> Entlastung des Platten Landes und eine stärkere Belastung der größern Städte<lb/> zur Folge haben und demnach eine im ganzen und großen gerechtere Verteilung<lb/> der Armenlasten herbeiführen wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart<lb/> und Zukunft<lb/> (Schluß, </head><lb/> <p xml:id="ID_1410" next="#ID_1411"> > roeltsch, der den ersten Band geschlossen hat, eröffnet den zweiten,<lb/> der systematischen christlichen Theologie gewidmeten, mit einer<lb/> Abhandlung über das „Wesen der Religion und der Religions¬<lb/> wissenschaft". In der ersten, viel umfangreichern Arbeit hat er<lb/> I uns entzückt als Meister in der Analyse und Verknüpfung kirchen¬<lb/> geschichtlicher Erscheinungen und Vorgänge; die zweite, kleinere befriedigt weniger.<lb/> Das liegt am Stoff, denn hier hatte er es nicht mit Tatsachen zu tun, sondern<lb/> mit schwankenden und streitigen Begriffen, über die eine klare Entscheidung zu<lb/> treffen schwierig und gefährlich ist, nachdem man den festen Boden der kirchlichen<lb/> Autorität verlassen hat. In dem Streit zwischen dem Idealismus und den<lb/> mancherlei Schattierungen des naturwissenschaftlichen Materialismus und Posi¬<lb/> tivismus stellt sich Troeltsch entschieden auf die Seite des ersten. Im Schluß<lb/> wird zugegeben, aber, was ich für einen Fehler halte, nicht ausdrücklich gesagt,<lb/> daß es ohne einige Dogmen eine christliche Religion, die diesen Namen verdient,<lb/> gar nicht geben könne. „Die Religion ist nie bloß die seelische Tätigkeit der<lb/> Hervorbringung und Gestaltung des religiösen Glaubens; sie ist in alledem zu¬<lb/> gleich die Behauptung eines realen Objekts ihres Glaubens, der Gottesidee."<lb/> Kürzer und deutlicher: Ein religiöser Glaube ist entweder Glaube an einen<lb/> persönlichen Gott oder Unsinn. Die Gottesidee nötige den Denkenden, sie<lb/> philosophisch zu behandeln, sodaß die religiösen Probleme immer in die meta¬<lb/> physischen übergehn. „Hierbei wird bei der heutigen Lage der Dinge die Haupt¬<lb/> aufgabe die Behauptung eines die geistigen Vernunftwcrte im Weltgrund ver¬<lb/> ankernden Idealismus gegen die alles verschlingenden naturphilosophischen<lb/> Begriffe sein, die von dem Satze der Erhaltung des Stoffes und der Arbeit<lb/> ster Energie^ als metaphysischer Prinzipien aus dem Idealismus nur übrig<lb/> lassen wollen, was von ihnen aus möglich ist, und das ist bei einer konsequenten<lb/> Durchführung so gut wie nichts. Des weitern wird ihr zweites Hauptproblem<lb/> sein, in dem Verhältnis des Weltgrundes oder absoluten Bewußtseins zu seinen<lb/> Teilinhalten oder den endlichen Geistern die Möglichkeit beständig neuer An¬<lb/> fänge und Wirklichkeiten zu behaupten sdas heißt unphilosophisch gesprochen:<lb/> man muß das Geistige nicht für eine Begleiterscheinung des Nervenlebens,<lb/> sondern hebe Menschenseele für eine dem Leibe zugesellte Neuschöpfung Gottes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Mag nun der Gesetzentwurf unverändert angenommen werden oder im vor¬
stehenden Sinne Abänderungen erleiden, soviel ist sicher, daß er eine bedeutende
Entlastung des Platten Landes und eine stärkere Belastung der größern Städte
zur Folge haben und demnach eine im ganzen und großen gerechtere Verteilung
der Armenlasten herbeiführen wird.
Christentum und Kirche in Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft
(Schluß,
> roeltsch, der den ersten Band geschlossen hat, eröffnet den zweiten,
der systematischen christlichen Theologie gewidmeten, mit einer
Abhandlung über das „Wesen der Religion und der Religions¬
wissenschaft". In der ersten, viel umfangreichern Arbeit hat er
I uns entzückt als Meister in der Analyse und Verknüpfung kirchen¬
geschichtlicher Erscheinungen und Vorgänge; die zweite, kleinere befriedigt weniger.
Das liegt am Stoff, denn hier hatte er es nicht mit Tatsachen zu tun, sondern
mit schwankenden und streitigen Begriffen, über die eine klare Entscheidung zu
treffen schwierig und gefährlich ist, nachdem man den festen Boden der kirchlichen
Autorität verlassen hat. In dem Streit zwischen dem Idealismus und den
mancherlei Schattierungen des naturwissenschaftlichen Materialismus und Posi¬
tivismus stellt sich Troeltsch entschieden auf die Seite des ersten. Im Schluß
wird zugegeben, aber, was ich für einen Fehler halte, nicht ausdrücklich gesagt,
daß es ohne einige Dogmen eine christliche Religion, die diesen Namen verdient,
gar nicht geben könne. „Die Religion ist nie bloß die seelische Tätigkeit der
Hervorbringung und Gestaltung des religiösen Glaubens; sie ist in alledem zu¬
gleich die Behauptung eines realen Objekts ihres Glaubens, der Gottesidee."
Kürzer und deutlicher: Ein religiöser Glaube ist entweder Glaube an einen
persönlichen Gott oder Unsinn. Die Gottesidee nötige den Denkenden, sie
philosophisch zu behandeln, sodaß die religiösen Probleme immer in die meta¬
physischen übergehn. „Hierbei wird bei der heutigen Lage der Dinge die Haupt¬
aufgabe die Behauptung eines die geistigen Vernunftwcrte im Weltgrund ver¬
ankernden Idealismus gegen die alles verschlingenden naturphilosophischen
Begriffe sein, die von dem Satze der Erhaltung des Stoffes und der Arbeit
ster Energie^ als metaphysischer Prinzipien aus dem Idealismus nur übrig
lassen wollen, was von ihnen aus möglich ist, und das ist bei einer konsequenten
Durchführung so gut wie nichts. Des weitern wird ihr zweites Hauptproblem
sein, in dem Verhältnis des Weltgrundes oder absoluten Bewußtseins zu seinen
Teilinhalten oder den endlichen Geistern die Möglichkeit beständig neuer An¬
fänge und Wirklichkeiten zu behaupten sdas heißt unphilosophisch gesprochen:
man muß das Geistige nicht für eine Begleiterscheinung des Nervenlebens,
sondern hebe Menschenseele für eine dem Leibe zugesellte Neuschöpfung Gottes
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