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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Island am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts
von F. Uuntze in Iveimar

O Island, du eisiger Fels im Meer,
Steig auf aus nächtiger Ferne,
Steig auf und empfah unser reisig Geschlecht,
Auf geschnäbelten Schissen kommen
Die alten Götter, das alte Recht,
Die alten Nordmänner geschwommen.

is Scheffel diese Worte schrieb, wird er von Island schwerlich
viel mehr gewußt haben, als was man damals auf der Schul¬
bank zu lernen pflegte, und was jeder halbwegs Gebildete damals
wußte. Man hörte von eisigen Gletschern und von Lavafeldern,
von der Hekla und andern Vulkanen, von warmen Quellen und
von den, himmelanstürmenden Springquell des Geysir, von langen Sommertagen
und von langer Winternacht, von der Hauptstadt Reykjavik, von einem Volke,
das vor mehr als tausend Jahren von Norwegen gekommen und den Schatz
seiner alten Lieder und Sagen mitgebracht hatte -- aber gewöhnlich wenigstens
nicht viel mehr.

Heute ist das anders geworden. Nicht nur daß ein Gelehrter wie Konrad
Maurer die Geschichte des fernen Eilandes gründlich erforscht und ihre Kenntnis
in Deutschland verbreitet hat -- heute schwimmen auch alljährlich unzählige
Reisende auf wohnlichen Dampfschiffen über das Meer und durchstreifen die
Insel, und manche von ihnen -- ihre Namen sind bekannt genug -- haben in
ausführlichen Schriften ihre Eindrücke niedergelegt und uns Land und Leute
da droben kennen gelehrt. Andre haben uns durch Übersetzungen ein gutes
Stück der isländischen Literatur erschlossen, und nun nimmt gar ein Isländer
-- Dr. Valttjr Gudhmundsson, Dozent an der Universität Kopenhagen -- das
Wort, um uns über die Fortschritte, die das Volk der ultima Urals in poli¬
tischer und in wirtschaftlicher Hinsicht, in der Erwerbung geistiger wie materieller
Güter während des verflossenen Jahrhunderts gemacht hat, gründlich zu unter¬
richten.*)



*) Das Buch ist in dänischer Sprache erschienen unter dem Titel: Island Ivultur vsck
^ÄrdunlZioässIättvt und ins Deutsche übersetzt von Richard Palleske. Beigegeben sind dem
Werke etliche Proben der neuisländischen Literatur (Poesie und Prosa) in Übertragungen ver-
schiedner Verfasser. Den Anhang bilden ein kurzgefaßter Führer für Jslandreisende und ein
Verzeichnis der in der Neuzeit in Deutschland erschienenen Schriften über Island. Beides vom
Abersetzer. Eine Reihe von Abbildungen dient zur Illustration des Textes. Nachträglich er¬
fahre ich, daß der erste Abschnitt, "Die Natur," den bekannten Geologen Professor or. Thoroddsen
zum Verfasser hat.
Grenzboten I 1905 37


Island am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts
von F. Uuntze in Iveimar

O Island, du eisiger Fels im Meer,
Steig auf aus nächtiger Ferne,
Steig auf und empfah unser reisig Geschlecht,
Auf geschnäbelten Schissen kommen
Die alten Götter, das alte Recht,
Die alten Nordmänner geschwommen.

is Scheffel diese Worte schrieb, wird er von Island schwerlich
viel mehr gewußt haben, als was man damals auf der Schul¬
bank zu lernen pflegte, und was jeder halbwegs Gebildete damals
wußte. Man hörte von eisigen Gletschern und von Lavafeldern,
von der Hekla und andern Vulkanen, von warmen Quellen und
von den, himmelanstürmenden Springquell des Geysir, von langen Sommertagen
und von langer Winternacht, von der Hauptstadt Reykjavik, von einem Volke,
das vor mehr als tausend Jahren von Norwegen gekommen und den Schatz
seiner alten Lieder und Sagen mitgebracht hatte — aber gewöhnlich wenigstens
nicht viel mehr.

Heute ist das anders geworden. Nicht nur daß ein Gelehrter wie Konrad
Maurer die Geschichte des fernen Eilandes gründlich erforscht und ihre Kenntnis
in Deutschland verbreitet hat — heute schwimmen auch alljährlich unzählige
Reisende auf wohnlichen Dampfschiffen über das Meer und durchstreifen die
Insel, und manche von ihnen — ihre Namen sind bekannt genug — haben in
ausführlichen Schriften ihre Eindrücke niedergelegt und uns Land und Leute
da droben kennen gelehrt. Andre haben uns durch Übersetzungen ein gutes
Stück der isländischen Literatur erschlossen, und nun nimmt gar ein Isländer
— Dr. Valttjr Gudhmundsson, Dozent an der Universität Kopenhagen — das
Wort, um uns über die Fortschritte, die das Volk der ultima Urals in poli¬
tischer und in wirtschaftlicher Hinsicht, in der Erwerbung geistiger wie materieller
Güter während des verflossenen Jahrhunderts gemacht hat, gründlich zu unter¬
richten.*)



*) Das Buch ist in dänischer Sprache erschienen unter dem Titel: Island Ivultur vsck
^ÄrdunlZioässIättvt und ins Deutsche übersetzt von Richard Palleske. Beigegeben sind dem
Werke etliche Proben der neuisländischen Literatur (Poesie und Prosa) in Übertragungen ver-
schiedner Verfasser. Den Anhang bilden ein kurzgefaßter Führer für Jslandreisende und ein
Verzeichnis der in der Neuzeit in Deutschland erschienenen Schriften über Island. Beides vom
Abersetzer. Eine Reihe von Abbildungen dient zur Illustration des Textes. Nachträglich er¬
fahre ich, daß der erste Abschnitt, „Die Natur," den bekannten Geologen Professor or. Thoroddsen
zum Verfasser hat.
Grenzboten I 1905 37
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[0281] [Abbildung] Island am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts von F. Uuntze in Iveimar O Island, du eisiger Fels im Meer, Steig auf aus nächtiger Ferne, Steig auf und empfah unser reisig Geschlecht, Auf geschnäbelten Schissen kommen Die alten Götter, das alte Recht, Die alten Nordmänner geschwommen. is Scheffel diese Worte schrieb, wird er von Island schwerlich viel mehr gewußt haben, als was man damals auf der Schul¬ bank zu lernen pflegte, und was jeder halbwegs Gebildete damals wußte. Man hörte von eisigen Gletschern und von Lavafeldern, von der Hekla und andern Vulkanen, von warmen Quellen und von den, himmelanstürmenden Springquell des Geysir, von langen Sommertagen und von langer Winternacht, von der Hauptstadt Reykjavik, von einem Volke, das vor mehr als tausend Jahren von Norwegen gekommen und den Schatz seiner alten Lieder und Sagen mitgebracht hatte — aber gewöhnlich wenigstens nicht viel mehr. Heute ist das anders geworden. Nicht nur daß ein Gelehrter wie Konrad Maurer die Geschichte des fernen Eilandes gründlich erforscht und ihre Kenntnis in Deutschland verbreitet hat — heute schwimmen auch alljährlich unzählige Reisende auf wohnlichen Dampfschiffen über das Meer und durchstreifen die Insel, und manche von ihnen — ihre Namen sind bekannt genug — haben in ausführlichen Schriften ihre Eindrücke niedergelegt und uns Land und Leute da droben kennen gelehrt. Andre haben uns durch Übersetzungen ein gutes Stück der isländischen Literatur erschlossen, und nun nimmt gar ein Isländer — Dr. Valttjr Gudhmundsson, Dozent an der Universität Kopenhagen — das Wort, um uns über die Fortschritte, die das Volk der ultima Urals in poli¬ tischer und in wirtschaftlicher Hinsicht, in der Erwerbung geistiger wie materieller Güter während des verflossenen Jahrhunderts gemacht hat, gründlich zu unter¬ richten.*) *) Das Buch ist in dänischer Sprache erschienen unter dem Titel: Island Ivultur vsck ^ÄrdunlZioässIättvt und ins Deutsche übersetzt von Richard Palleske. Beigegeben sind dem Werke etliche Proben der neuisländischen Literatur (Poesie und Prosa) in Übertragungen ver- schiedner Verfasser. Den Anhang bilden ein kurzgefaßter Führer für Jslandreisende und ein Verzeichnis der in der Neuzeit in Deutschland erschienenen Schriften über Island. Beides vom Abersetzer. Eine Reihe von Abbildungen dient zur Illustration des Textes. Nachträglich er¬ fahre ich, daß der erste Abschnitt, „Die Natur," den bekannten Geologen Professor or. Thoroddsen zum Verfasser hat. Grenzboten I 1905 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/281>, abgerufen am 03.07.2024.