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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Junge Herzen

engagiert war, auf dem Orchester Platz genommen hatte, fuhren zwei Wagen vor,
denen Fürst und Fürstin Hohenlohe und zwei Begleiter entstiegen. Sie wurden
am Eingange der Menagerie von dem Direktor und dem Geschäftsführer, die zu
diesem Zwecke Frack und Zylinder angelegt hatten, empfangen und in die Bude
geleitet. Der Geschäftsführer machte die Explikation, und darauf erhielten die Tiere
extragroße Fleischporttonen von ganz besonders guter Qualität. Die Dressurnummern
verliefen in der gewohnten Weise, und zum Schluß zeigte Madame dem hohen
Besuche den jungen Löwen. Die Herrschaften sprachen sich sehr anerkennend über
das Geschaute aus und wurden wiederum von dem Direktor bis zum Ausgange
geleitet.

Bald nach diesem Besuche stellte sich Schneewetter und Kälte ein, und wir
bezogen unser Winterquartier in einer großen Remise am Metzgertore.

(Fortsetzung folgt)




Junge Herzen
Lhristoxher Boeck Erzählung von
(Fortsetzung)
i.5. Zwei Ärzte

VSM! oktor der Medizin Wilhelm Holmsted war noch ein jüngerer Manu,
dessenungeachtet hatte er aber schon einen Namen als Arzt, und zwar
einen Namen, der über die Grenzen des Landes hinausreichte.

Er war ein tätiger Vorkämpfer in dem Feldzuge gegen die
Tuberkulose, und er hatte Aufsehen erregt durch sein Kaltwasser-,
iLnft- und Naturheilverfahren.

Als er sich vor einem Jahre als Arzt hier in der Gegend niedergelassen hatte,
hatte er sich bei Madame Grönbaek einquartiert und war an einem Abend spät auf
seinem Rad in seiner neuen Wohnung eingetroffen.

Von ihrem Bett aus glaubte die Madame allerlei Geräusch zu vernehmen,
meinte aber, daß er wohl seinen vor ihm angekommnen Koffer auspackte und die
Möbel ein wenig umstellte. Sie sollte aber eiues andern belehrt werden. Als sie
am nächsten Morgen auf den Gang hinauskam, wäre sie fast über alles das ge¬
fallen, was da stand. Da sah sie, daß das Sofa, die Polsterstühle, die Bilder,
die Gardinen und die Topfpflanzen aus des Doktors Zimmer den Gang versperrten.
Sie klopfte an und fragte erschrocken, ob das alles nicht gut genug sei, da der
Doktor es herausgeworfen habe.

Er antwortete ihr etwas verlegen aber sehr bestimmt: Entschuldigen Sie,
Madame Grönbaek, es sind gewiß alles vorzügliche Sachen, aber es ist mein
Prinzip, daß Licht und Luft die Hauptsache sein sollen, darum: weg mit den Gar¬
dinen! Da ich immer bei geöffnetem Fenster lebe, kann ich auch keine Pflanzen
auf den Fensterbrettern stehn haben. Portieren und Teppiche sammeln nur
Ansteckungsstoffe.

Nein, das tun sie weiß Gott uicht, die sind in einem Ausverkauf in der Stadt
gekauft. Und das, woran Grönbaek gestorben ist, war man, daß er keine Luft hatte.

Ja, da sehen Sie es selber! Und ich sitze nur auf hölzernen Stühlen; die
kommen mit meinem Gepäck, meinem Schreibtisch, Bücherbord und meinen medi¬
zinischen Instrumenten.

Später sah sie, daß er die obern Fenster im Schlafzimmer herausgenommen hatte.


Junge Herzen

engagiert war, auf dem Orchester Platz genommen hatte, fuhren zwei Wagen vor,
denen Fürst und Fürstin Hohenlohe und zwei Begleiter entstiegen. Sie wurden
am Eingange der Menagerie von dem Direktor und dem Geschäftsführer, die zu
diesem Zwecke Frack und Zylinder angelegt hatten, empfangen und in die Bude
geleitet. Der Geschäftsführer machte die Explikation, und darauf erhielten die Tiere
extragroße Fleischporttonen von ganz besonders guter Qualität. Die Dressurnummern
verliefen in der gewohnten Weise, und zum Schluß zeigte Madame dem hohen
Besuche den jungen Löwen. Die Herrschaften sprachen sich sehr anerkennend über
das Geschaute aus und wurden wiederum von dem Direktor bis zum Ausgange
geleitet.

Bald nach diesem Besuche stellte sich Schneewetter und Kälte ein, und wir
bezogen unser Winterquartier in einer großen Remise am Metzgertore.

(Fortsetzung folgt)




Junge Herzen
Lhristoxher Boeck Erzählung von
(Fortsetzung)
i.5. Zwei Ärzte

VSM! oktor der Medizin Wilhelm Holmsted war noch ein jüngerer Manu,
dessenungeachtet hatte er aber schon einen Namen als Arzt, und zwar
einen Namen, der über die Grenzen des Landes hinausreichte.

Er war ein tätiger Vorkämpfer in dem Feldzuge gegen die
Tuberkulose, und er hatte Aufsehen erregt durch sein Kaltwasser-,
iLnft- und Naturheilverfahren.

Als er sich vor einem Jahre als Arzt hier in der Gegend niedergelassen hatte,
hatte er sich bei Madame Grönbaek einquartiert und war an einem Abend spät auf
seinem Rad in seiner neuen Wohnung eingetroffen.

Von ihrem Bett aus glaubte die Madame allerlei Geräusch zu vernehmen,
meinte aber, daß er wohl seinen vor ihm angekommnen Koffer auspackte und die
Möbel ein wenig umstellte. Sie sollte aber eiues andern belehrt werden. Als sie
am nächsten Morgen auf den Gang hinauskam, wäre sie fast über alles das ge¬
fallen, was da stand. Da sah sie, daß das Sofa, die Polsterstühle, die Bilder,
die Gardinen und die Topfpflanzen aus des Doktors Zimmer den Gang versperrten.
Sie klopfte an und fragte erschrocken, ob das alles nicht gut genug sei, da der
Doktor es herausgeworfen habe.

Er antwortete ihr etwas verlegen aber sehr bestimmt: Entschuldigen Sie,
Madame Grönbaek, es sind gewiß alles vorzügliche Sachen, aber es ist mein
Prinzip, daß Licht und Luft die Hauptsache sein sollen, darum: weg mit den Gar¬
dinen! Da ich immer bei geöffnetem Fenster lebe, kann ich auch keine Pflanzen
auf den Fensterbrettern stehn haben. Portieren und Teppiche sammeln nur
Ansteckungsstoffe.

Nein, das tun sie weiß Gott uicht, die sind in einem Ausverkauf in der Stadt
gekauft. Und das, woran Grönbaek gestorben ist, war man, daß er keine Luft hatte.

Ja, da sehen Sie es selber! Und ich sitze nur auf hölzernen Stühlen; die
kommen mit meinem Gepäck, meinem Schreibtisch, Bücherbord und meinen medi¬
zinischen Instrumenten.

Später sah sie, daß er die obern Fenster im Schlafzimmer herausgenommen hatte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/731>, abgerufen am 19.10.2024.