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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Romödicmten und wilden Tieren

die Löwin Flora gerufen, die sich zu Buchers Füßen niederlegte, worauf dieser an
ihrer Seite niederkniete, ihren Nachen öffnete, den Unterkiefer mit der rechten Hand
umklammerte und so das Tier zu sich in die Höhe zog, wobei er ihm mit der
Rechten die Schnurrhaare streichelte. Darauf begab sich Flora auf die linke Seite,
Bucher kniete nieder, und die beiden Löwinnen Flora und Verviette kamen von
links und rechts und küßten ihm die Wangen. Endlich ließ der Dompteur den
Löwen Prinz und die drei Löwinnen über eine niedrige Barriere und durch einen
mit buntem Papier beliebten Reifen springen. Hierbei machte die Löwin Flora
den "August," indem sie vor der Barriere stehn blieb, diese mit einem unglaublich
dummen Gesichtsausdruck musterte und bei dem Kommando, anstatt den Sprung
zu wagen, hinter dem Dompteur wegging. In der fünften Abteilung erschien
Madame Nouma Hawa mit dem Berberlöwen "Sultan," der bei einer Vorstellung
in Verviers den Tierbändiger Beruett zerrissen und seine Herrin selbst an Kinn
und Hand schwer verletzt hatte. Wahrend Bucher bei seiner Arbeit eine kurze
pelzbesetzte blaue Schnürenjacke, graue Trikothosen und hohe Lackstiefel trug, erschien
die Prinzipalin in einem phantastischen Kostüm. Sie trug einen fleischfarbnen
seidnen Trikot und darüber ein kurzes Obergewand, das nicht viel weiter als über
die Taille hinabreichte, vorn mit laugen Goldfransen und hinten mit einer statt¬
lichen Schleppe versehen war. Im Haar trug sie ein prächtiges Diadem von acht
Edelsteinen, ebenso an den Händen zahlreiche Brillantringe. Sie wirkte bei dieser
Nummer mehr durch ihre Erscheinung als durch ihre Leistungen. Zum Schluß
der Vorstellung gab es eine Schlangenapotheose, die von Madame Nouma Hawa
auf der am Eingang angebrachten Bühne bei Rotfeuer ausgeführt wurde. Madame
erschien mit drei oder vier Riesenschlangen umwunden, präsentierte sich dem
Publikum, entledigte sich dann der Schlangen und ließ sich einen jungen Löwen
reichen, der in der Menagerie geboren war und immer sechs Wochen alt blieb,
und den sie den Besuchern des ersten Platzes zum Streicheln darbot. Damit war
die Vorstellung beendet, und der Geschäftsführer "rekommnudierte ab," d. h. er
dankte für den Besuch der Vorstellung und machte darauf aufmerksam, daß die
Menagerie nur noch bis zum 16. Dezember zur Schau stünde, und daß am nächsten
Tage um vier und um acht Uhr weitere Vorstellungen stattfinden würden. Als
sich das Publikum verlaufen hatte, wurden die Tiere mit Milch getränkt, die Käsige
mit Stroh versehen und die untern Klappen der Menageriewagen geschlossen. Ich
begab mich, da mein Bett noch nicht hergerichtet war, mit dem Zimmermann in
ein Gasthaus, übernachtete dort und trat am nächsten Morgen, dem 2. Dezember,
meine Stelle an. Man überwies mir zwei Wagen, die die Löwen Sultan und
Cora, die sechs jungen Löwen, die Tigerin und den Eisbär enthielten. Da die
jungen Löwen zahm und zutraulich waren, machte ich mir das Vergnügen, wenn
ich den Käfig reinigte, zu den Tieren hineinzugehn.

An diesem Tage herrschte in der ganzen Menagerie eine freudige Aufregung,
denn man hatte Kenntnis davon erhalten, daß den Tag darauf der Statthalter
Fürst Hohenlohe, der nachmalige Reichskanzler, das Geschäft mit seinem Besuche
beehren wolle. Ein Dekorateur mußte die ganze Bude ausschmücken, über den
schon mit Sägemehl belegten Boden wurde eine weitere Schicht und darüber ein
Teppich ausgebreitet. Die Pfosten wurden mit weißroter Leinwand umzogen und
mit Fahnen, Wappen und Emblemen verziert. Vor dem Zentralkäfig errichtete
der Zimmermann ein Podium, auf dein fünf Plnschsessel ihren Platz fanden. Die
erste Vorstellung an diesem Festtage war die annoncierte Vierührvorstellung, die
diesesmal besonders rasch abgewickelt wurde, und wobei die Fütterung ausfiel. Die
fünf Plüschsessel, die schon für die ExtraVorstellung bereit standen, würden gänzlich
unbenutzt geblieben sein, wenn nicht ein Dienstmädchen ans der Nachbarschaft, das
ein Billett zum ersten Platze hatte, mit edler Dreistigkeit das Podium bestiegen
und sich auf einem der Sessel niedergelassen hätte.

Genau um fünf Uhr, kurz nachdem die Militärmusik, die zu dieser Vorstellung


Unter Kunden, Romödicmten und wilden Tieren

die Löwin Flora gerufen, die sich zu Buchers Füßen niederlegte, worauf dieser an
ihrer Seite niederkniete, ihren Nachen öffnete, den Unterkiefer mit der rechten Hand
umklammerte und so das Tier zu sich in die Höhe zog, wobei er ihm mit der
Rechten die Schnurrhaare streichelte. Darauf begab sich Flora auf die linke Seite,
Bucher kniete nieder, und die beiden Löwinnen Flora und Verviette kamen von
links und rechts und küßten ihm die Wangen. Endlich ließ der Dompteur den
Löwen Prinz und die drei Löwinnen über eine niedrige Barriere und durch einen
mit buntem Papier beliebten Reifen springen. Hierbei machte die Löwin Flora
den „August," indem sie vor der Barriere stehn blieb, diese mit einem unglaublich
dummen Gesichtsausdruck musterte und bei dem Kommando, anstatt den Sprung
zu wagen, hinter dem Dompteur wegging. In der fünften Abteilung erschien
Madame Nouma Hawa mit dem Berberlöwen „Sultan," der bei einer Vorstellung
in Verviers den Tierbändiger Beruett zerrissen und seine Herrin selbst an Kinn
und Hand schwer verletzt hatte. Wahrend Bucher bei seiner Arbeit eine kurze
pelzbesetzte blaue Schnürenjacke, graue Trikothosen und hohe Lackstiefel trug, erschien
die Prinzipalin in einem phantastischen Kostüm. Sie trug einen fleischfarbnen
seidnen Trikot und darüber ein kurzes Obergewand, das nicht viel weiter als über
die Taille hinabreichte, vorn mit laugen Goldfransen und hinten mit einer statt¬
lichen Schleppe versehen war. Im Haar trug sie ein prächtiges Diadem von acht
Edelsteinen, ebenso an den Händen zahlreiche Brillantringe. Sie wirkte bei dieser
Nummer mehr durch ihre Erscheinung als durch ihre Leistungen. Zum Schluß
der Vorstellung gab es eine Schlangenapotheose, die von Madame Nouma Hawa
auf der am Eingang angebrachten Bühne bei Rotfeuer ausgeführt wurde. Madame
erschien mit drei oder vier Riesenschlangen umwunden, präsentierte sich dem
Publikum, entledigte sich dann der Schlangen und ließ sich einen jungen Löwen
reichen, der in der Menagerie geboren war und immer sechs Wochen alt blieb,
und den sie den Besuchern des ersten Platzes zum Streicheln darbot. Damit war
die Vorstellung beendet, und der Geschäftsführer „rekommnudierte ab," d. h. er
dankte für den Besuch der Vorstellung und machte darauf aufmerksam, daß die
Menagerie nur noch bis zum 16. Dezember zur Schau stünde, und daß am nächsten
Tage um vier und um acht Uhr weitere Vorstellungen stattfinden würden. Als
sich das Publikum verlaufen hatte, wurden die Tiere mit Milch getränkt, die Käsige
mit Stroh versehen und die untern Klappen der Menageriewagen geschlossen. Ich
begab mich, da mein Bett noch nicht hergerichtet war, mit dem Zimmermann in
ein Gasthaus, übernachtete dort und trat am nächsten Morgen, dem 2. Dezember,
meine Stelle an. Man überwies mir zwei Wagen, die die Löwen Sultan und
Cora, die sechs jungen Löwen, die Tigerin und den Eisbär enthielten. Da die
jungen Löwen zahm und zutraulich waren, machte ich mir das Vergnügen, wenn
ich den Käfig reinigte, zu den Tieren hineinzugehn.

An diesem Tage herrschte in der ganzen Menagerie eine freudige Aufregung,
denn man hatte Kenntnis davon erhalten, daß den Tag darauf der Statthalter
Fürst Hohenlohe, der nachmalige Reichskanzler, das Geschäft mit seinem Besuche
beehren wolle. Ein Dekorateur mußte die ganze Bude ausschmücken, über den
schon mit Sägemehl belegten Boden wurde eine weitere Schicht und darüber ein
Teppich ausgebreitet. Die Pfosten wurden mit weißroter Leinwand umzogen und
mit Fahnen, Wappen und Emblemen verziert. Vor dem Zentralkäfig errichtete
der Zimmermann ein Podium, auf dein fünf Plnschsessel ihren Platz fanden. Die
erste Vorstellung an diesem Festtage war die annoncierte Vierührvorstellung, die
diesesmal besonders rasch abgewickelt wurde, und wobei die Fütterung ausfiel. Die
fünf Plüschsessel, die schon für die ExtraVorstellung bereit standen, würden gänzlich
unbenutzt geblieben sein, wenn nicht ein Dienstmädchen ans der Nachbarschaft, das
ein Billett zum ersten Platze hatte, mit edler Dreistigkeit das Podium bestiegen
und sich auf einem der Sessel niedergelassen hätte.

Genau um fünf Uhr, kurz nachdem die Militärmusik, die zu dieser Vorstellung


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[0730] Unter Kunden, Romödicmten und wilden Tieren die Löwin Flora gerufen, die sich zu Buchers Füßen niederlegte, worauf dieser an ihrer Seite niederkniete, ihren Nachen öffnete, den Unterkiefer mit der rechten Hand umklammerte und so das Tier zu sich in die Höhe zog, wobei er ihm mit der Rechten die Schnurrhaare streichelte. Darauf begab sich Flora auf die linke Seite, Bucher kniete nieder, und die beiden Löwinnen Flora und Verviette kamen von links und rechts und küßten ihm die Wangen. Endlich ließ der Dompteur den Löwen Prinz und die drei Löwinnen über eine niedrige Barriere und durch einen mit buntem Papier beliebten Reifen springen. Hierbei machte die Löwin Flora den „August," indem sie vor der Barriere stehn blieb, diese mit einem unglaublich dummen Gesichtsausdruck musterte und bei dem Kommando, anstatt den Sprung zu wagen, hinter dem Dompteur wegging. In der fünften Abteilung erschien Madame Nouma Hawa mit dem Berberlöwen „Sultan," der bei einer Vorstellung in Verviers den Tierbändiger Beruett zerrissen und seine Herrin selbst an Kinn und Hand schwer verletzt hatte. Wahrend Bucher bei seiner Arbeit eine kurze pelzbesetzte blaue Schnürenjacke, graue Trikothosen und hohe Lackstiefel trug, erschien die Prinzipalin in einem phantastischen Kostüm. Sie trug einen fleischfarbnen seidnen Trikot und darüber ein kurzes Obergewand, das nicht viel weiter als über die Taille hinabreichte, vorn mit laugen Goldfransen und hinten mit einer statt¬ lichen Schleppe versehen war. Im Haar trug sie ein prächtiges Diadem von acht Edelsteinen, ebenso an den Händen zahlreiche Brillantringe. Sie wirkte bei dieser Nummer mehr durch ihre Erscheinung als durch ihre Leistungen. Zum Schluß der Vorstellung gab es eine Schlangenapotheose, die von Madame Nouma Hawa auf der am Eingang angebrachten Bühne bei Rotfeuer ausgeführt wurde. Madame erschien mit drei oder vier Riesenschlangen umwunden, präsentierte sich dem Publikum, entledigte sich dann der Schlangen und ließ sich einen jungen Löwen reichen, der in der Menagerie geboren war und immer sechs Wochen alt blieb, und den sie den Besuchern des ersten Platzes zum Streicheln darbot. Damit war die Vorstellung beendet, und der Geschäftsführer „rekommnudierte ab," d. h. er dankte für den Besuch der Vorstellung und machte darauf aufmerksam, daß die Menagerie nur noch bis zum 16. Dezember zur Schau stünde, und daß am nächsten Tage um vier und um acht Uhr weitere Vorstellungen stattfinden würden. Als sich das Publikum verlaufen hatte, wurden die Tiere mit Milch getränkt, die Käsige mit Stroh versehen und die untern Klappen der Menageriewagen geschlossen. Ich begab mich, da mein Bett noch nicht hergerichtet war, mit dem Zimmermann in ein Gasthaus, übernachtete dort und trat am nächsten Morgen, dem 2. Dezember, meine Stelle an. Man überwies mir zwei Wagen, die die Löwen Sultan und Cora, die sechs jungen Löwen, die Tigerin und den Eisbär enthielten. Da die jungen Löwen zahm und zutraulich waren, machte ich mir das Vergnügen, wenn ich den Käfig reinigte, zu den Tieren hineinzugehn. An diesem Tage herrschte in der ganzen Menagerie eine freudige Aufregung, denn man hatte Kenntnis davon erhalten, daß den Tag darauf der Statthalter Fürst Hohenlohe, der nachmalige Reichskanzler, das Geschäft mit seinem Besuche beehren wolle. Ein Dekorateur mußte die ganze Bude ausschmücken, über den schon mit Sägemehl belegten Boden wurde eine weitere Schicht und darüber ein Teppich ausgebreitet. Die Pfosten wurden mit weißroter Leinwand umzogen und mit Fahnen, Wappen und Emblemen verziert. Vor dem Zentralkäfig errichtete der Zimmermann ein Podium, auf dein fünf Plnschsessel ihren Platz fanden. Die erste Vorstellung an diesem Festtage war die annoncierte Vierührvorstellung, die diesesmal besonders rasch abgewickelt wurde, und wobei die Fütterung ausfiel. Die fünf Plüschsessel, die schon für die ExtraVorstellung bereit standen, würden gänzlich unbenutzt geblieben sein, wenn nicht ein Dienstmädchen ans der Nachbarschaft, das ein Billett zum ersten Platze hatte, mit edler Dreistigkeit das Podium bestiegen und sich auf einem der Sessel niedergelassen hätte. Genau um fünf Uhr, kurz nachdem die Militärmusik, die zu dieser Vorstellung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/730>, abgerufen am 19.10.2024.