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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Ljeimatklänge

trauet auf Gott und haltet euer Pulver trocken," sagte Oliver Cromwell.
Dem stimmen wir vollkommen zu und knüpfen nur noch die Mahnung an
Leute, deren allzu heißes Blut mit der notwendigen Kühle des Kopfes nicht
vereinbar ist, daran: Bedenket, daß auch Bismarck die Vorsicht nie außer
Augen ließ! Von den kleinen Zänkereien und Stänkereien wollte auch er
nichts wissen.




Heimatklänge
von der böhmisch-bayrisch-sächsischen Grenze
Reinhold Hofmann von

^^?^F-U
-^E?er römische Geschichtschreiber Tacitus glaubt aus der Unwirklich¬
keit des von unsern Vorfahren bewohnten, von unermeßlichen
Wäldern und Sümpfen bedeckten Landes schließen zu müssen, daß
die Germanen Ureinwohner seien, denn "wer möchte wohl, so
meint er in seiner "Germania", ganz abgesehen von den Gefahren
des grausenhaften und unbekannten Meeres, Asien, Afrika oder Italien verlassen
und nach Germanien ziehen, in jenes anmutlose Land von so rauhem Klima
und zum Bewohnen und fürs Auge nur für den nicht traurig, dessen Vater¬
land es ist." Der ausdauernde Fleiß der Bewohner hat die dem Sohne des
heitern Südens einst unheimlichen weiten Gebiete längst zu einem der gesegnetsten
Länder Europas gemacht; sogar in den rauhesten Strichen des Erzgebirges und
des Vogtlands, deren finstre Wälder und schwer zu durchdringendes "Gemörricht"
noch zu der Zeit des Schmalkaldischen Krieges den Spaniern in Kaiser Karls des
Fünften Umgebung das tiefste Mißfallen erregten, hat sich seit langen, eine hohe
und eigentümliche Kultur entwickelt, und auch die ernste Schönheit beider Land¬
schaften, die man noch vor einem halben Jahrhundert mit ungeheuerlicher Über¬
treibung das "sächsische Sibirien" zu nennen liebte, wird mehr und mehr erkannt
und gewürdigt. Und gerade deshalb, weil hier der Boden nur dem liebevollen,
zähen Fleiße seine Schätze bietet, ist dem Vvgtländer und dem Erzgebirger seine
Heimat doppelt ans Herz gewachsen. "Mit meinen Landsleuten, sagt der Vogt-
ländische Dichter Julius Mosen in seinen schönen "Erinnerungen", habe ich
immer die Anhänglichkeit an die heimatliche Erde des Vogtlands gemeinsam
gehabt. Wie es Menschen gibt, von welchen man, hat man sie einmal liebge¬
wonnen, nie wieder lassen kann, so geht es uns auch mit Ortschaften und Gegenden.
Es sind gewöhnlich solche, in welchen sich eine bestimmte Gemütsstimmung aus¬
drückt. Zu diesen gehört das vogtländische Hügelland an der Abdachung des
sächsische" Erzgebirges mit seinen Waldeinsamkeiten, in welche gar schmale Wiesen-
tüler, oft nur wie grüne Streifen, mit hier und dort weit, gar weit auseinander¬
liegenden kleinen verirrten Häusern sich hineinverlieren und stundenweit den Blick
nach sich ziehn, als müßte dort weit hinten in der Ferne unter den harz¬
tropfenden Tannen, dort, wo die Berge terrassenartig in dunkler Bläue empor-


Grenzbotcn III 1905 3
Ljeimatklänge

trauet auf Gott und haltet euer Pulver trocken," sagte Oliver Cromwell.
Dem stimmen wir vollkommen zu und knüpfen nur noch die Mahnung an
Leute, deren allzu heißes Blut mit der notwendigen Kühle des Kopfes nicht
vereinbar ist, daran: Bedenket, daß auch Bismarck die Vorsicht nie außer
Augen ließ! Von den kleinen Zänkereien und Stänkereien wollte auch er
nichts wissen.




Heimatklänge
von der böhmisch-bayrisch-sächsischen Grenze
Reinhold Hofmann von

^^?^F-U
-^E?er römische Geschichtschreiber Tacitus glaubt aus der Unwirklich¬
keit des von unsern Vorfahren bewohnten, von unermeßlichen
Wäldern und Sümpfen bedeckten Landes schließen zu müssen, daß
die Germanen Ureinwohner seien, denn „wer möchte wohl, so
meint er in seiner »Germania«, ganz abgesehen von den Gefahren
des grausenhaften und unbekannten Meeres, Asien, Afrika oder Italien verlassen
und nach Germanien ziehen, in jenes anmutlose Land von so rauhem Klima
und zum Bewohnen und fürs Auge nur für den nicht traurig, dessen Vater¬
land es ist." Der ausdauernde Fleiß der Bewohner hat die dem Sohne des
heitern Südens einst unheimlichen weiten Gebiete längst zu einem der gesegnetsten
Länder Europas gemacht; sogar in den rauhesten Strichen des Erzgebirges und
des Vogtlands, deren finstre Wälder und schwer zu durchdringendes „Gemörricht"
noch zu der Zeit des Schmalkaldischen Krieges den Spaniern in Kaiser Karls des
Fünften Umgebung das tiefste Mißfallen erregten, hat sich seit langen, eine hohe
und eigentümliche Kultur entwickelt, und auch die ernste Schönheit beider Land¬
schaften, die man noch vor einem halben Jahrhundert mit ungeheuerlicher Über¬
treibung das „sächsische Sibirien" zu nennen liebte, wird mehr und mehr erkannt
und gewürdigt. Und gerade deshalb, weil hier der Boden nur dem liebevollen,
zähen Fleiße seine Schätze bietet, ist dem Vvgtländer und dem Erzgebirger seine
Heimat doppelt ans Herz gewachsen. „Mit meinen Landsleuten, sagt der Vogt-
ländische Dichter Julius Mosen in seinen schönen »Erinnerungen«, habe ich
immer die Anhänglichkeit an die heimatliche Erde des Vogtlands gemeinsam
gehabt. Wie es Menschen gibt, von welchen man, hat man sie einmal liebge¬
wonnen, nie wieder lassen kann, so geht es uns auch mit Ortschaften und Gegenden.
Es sind gewöhnlich solche, in welchen sich eine bestimmte Gemütsstimmung aus¬
drückt. Zu diesen gehört das vogtländische Hügelland an der Abdachung des
sächsische» Erzgebirges mit seinen Waldeinsamkeiten, in welche gar schmale Wiesen-
tüler, oft nur wie grüne Streifen, mit hier und dort weit, gar weit auseinander¬
liegenden kleinen verirrten Häusern sich hineinverlieren und stundenweit den Blick
nach sich ziehn, als müßte dort weit hinten in der Ferne unter den harz¬
tropfenden Tannen, dort, wo die Berge terrassenartig in dunkler Bläue empor-


Grenzbotcn III 1905 3
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/25>, abgerufen am 19.10.2024.