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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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von" Avancement

seine Politik damals haben durchführen können ohne diesen charakterstarken
König, der unter den schwersten Kämpfen, im Widersprüche mit seiner ganzen
Umgebung und seiner innersten Neigung an dem festhielt, was ihm einmal
als das Richtige erschienen war? Und die schwerern Kämpfe hat damals er
bestanden; er hat sich damals in der Tat als ein "großer Charakter" gezeigt.




Vom Avancement

eun unsre Reichstagsabgeordneten weiter verhindern, daß sich
das Avancement im Landheer in einem schnellern Tempo bewege,
wäre es zum mindesten leichtsinnig, seinen Sohn heutzutage
Offizier werden zu lassen, ihn einer Laufbahn zuzuführen, wo er
nach sechzehn Jahren zum erstenmal in eine verantwortliche Stelle
kommt und nach weitern zwölf harten Jahren vielleicht Stabsoffizier wird mit
der Aussicht, als Bezirkskommandeur sein militärisches Dasein zu beschließen.
Soweit bringt es aber nicht einmal die Hälfte aller Offiziere; die andern
scheiden vorzeitig mehr oder weniger freiwillig aus und tragen wenigstens
auf diese Weise etwas zur Belebung des Avancements bei. Wer in höhere
Stellungen gelangen will, kann es -- wenn er nicht wenigstens einmal wegen
besondrer Leistungen vorpatentiert wird -- nur noch auf dem Wege durch den
Generalstab oder die höhere Adjutantur erreichen; denn diese Offiziere erfreuen
sich bis zum Stabsoffizier der Beförderung außer der Tour. Sonst wären
Majore von achtunddreißig und Obersten von sechsundvierzig Jahren nicht
denkbar. In der großen Tour -- auch Ochsentour genannt -- werden diese
Grade durchschnittlich erst sieben bis acht Jahre später erreicht. Da das Alter
von vierundfünfzig Jahren für einen Regimentskommandeur aber für zu hoch
gilt, als daß er noch Ersprießliches leisten könnte, so erreichen dieses Ziel auch
nur Offiziere, die entweder vorpatentiert sind, oder die in einem sehr jungen
Alter in die Armee getreten sind. Der Grundsatz, möglichst junge Offiziere in
den so überaus wichtigen Regimentskommandeurstellen zu haben, ist gewiß be¬
rechtigt, und wenn dauernd im Frontdienste verwandte Offiziere durch die Ein¬
förmigkeit einer länger als dreißigjährigen Praxis häufig abgestumpft werden,
so können sie nicht immer ideale Regimentskommandeure abgeben; aber viele
sehr rege und strebsame wären wohl dazu befähigt, wenn sie nicht durch die
gesetzlich zwar nicht festgelegten, tatsächlich aber doch bestehenden Altersgrenzen
von einer weitern Beförderung ausgeschlossen wären. So sehr man auch bei
einem Offizier die Jugend und eine längere vielseitig anregende Tätigkeit bei
höhern Behörden schätzen muß, so ist doch auf der andern Seite das Bedenken,
daß solche Herren der Praxis zu früh und zu lange entzogen werden und all¬
mählich die Fühlung mit der Truppe und ihrer Eigentümlichkeit verlieren.

Leider gilt der Frontdienst, namentlich bei der Infanterie, jetzt gar nicht
mehr für tair; es klagen schon junge, kaum fünf Jahre im Dienst stehende


Grenzboten II 1S05 82
von» Avancement

seine Politik damals haben durchführen können ohne diesen charakterstarken
König, der unter den schwersten Kämpfen, im Widersprüche mit seiner ganzen
Umgebung und seiner innersten Neigung an dem festhielt, was ihm einmal
als das Richtige erschienen war? Und die schwerern Kämpfe hat damals er
bestanden; er hat sich damals in der Tat als ein „großer Charakter" gezeigt.




Vom Avancement

eun unsre Reichstagsabgeordneten weiter verhindern, daß sich
das Avancement im Landheer in einem schnellern Tempo bewege,
wäre es zum mindesten leichtsinnig, seinen Sohn heutzutage
Offizier werden zu lassen, ihn einer Laufbahn zuzuführen, wo er
nach sechzehn Jahren zum erstenmal in eine verantwortliche Stelle
kommt und nach weitern zwölf harten Jahren vielleicht Stabsoffizier wird mit
der Aussicht, als Bezirkskommandeur sein militärisches Dasein zu beschließen.
Soweit bringt es aber nicht einmal die Hälfte aller Offiziere; die andern
scheiden vorzeitig mehr oder weniger freiwillig aus und tragen wenigstens
auf diese Weise etwas zur Belebung des Avancements bei. Wer in höhere
Stellungen gelangen will, kann es — wenn er nicht wenigstens einmal wegen
besondrer Leistungen vorpatentiert wird — nur noch auf dem Wege durch den
Generalstab oder die höhere Adjutantur erreichen; denn diese Offiziere erfreuen
sich bis zum Stabsoffizier der Beförderung außer der Tour. Sonst wären
Majore von achtunddreißig und Obersten von sechsundvierzig Jahren nicht
denkbar. In der großen Tour — auch Ochsentour genannt — werden diese
Grade durchschnittlich erst sieben bis acht Jahre später erreicht. Da das Alter
von vierundfünfzig Jahren für einen Regimentskommandeur aber für zu hoch
gilt, als daß er noch Ersprießliches leisten könnte, so erreichen dieses Ziel auch
nur Offiziere, die entweder vorpatentiert sind, oder die in einem sehr jungen
Alter in die Armee getreten sind. Der Grundsatz, möglichst junge Offiziere in
den so überaus wichtigen Regimentskommandeurstellen zu haben, ist gewiß be¬
rechtigt, und wenn dauernd im Frontdienste verwandte Offiziere durch die Ein¬
förmigkeit einer länger als dreißigjährigen Praxis häufig abgestumpft werden,
so können sie nicht immer ideale Regimentskommandeure abgeben; aber viele
sehr rege und strebsame wären wohl dazu befähigt, wenn sie nicht durch die
gesetzlich zwar nicht festgelegten, tatsächlich aber doch bestehenden Altersgrenzen
von einer weitern Beförderung ausgeschlossen wären. So sehr man auch bei
einem Offizier die Jugend und eine längere vielseitig anregende Tätigkeit bei
höhern Behörden schätzen muß, so ist doch auf der andern Seite das Bedenken,
daß solche Herren der Praxis zu früh und zu lange entzogen werden und all¬
mählich die Fühlung mit der Truppe und ihrer Eigentümlichkeit verlieren.

Leider gilt der Frontdienst, namentlich bei der Infanterie, jetzt gar nicht
mehr für tair; es klagen schon junge, kaum fünf Jahre im Dienst stehende


Grenzboten II 1S05 82
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[0645] von» Avancement seine Politik damals haben durchführen können ohne diesen charakterstarken König, der unter den schwersten Kämpfen, im Widersprüche mit seiner ganzen Umgebung und seiner innersten Neigung an dem festhielt, was ihm einmal als das Richtige erschienen war? Und die schwerern Kämpfe hat damals er bestanden; er hat sich damals in der Tat als ein „großer Charakter" gezeigt. Vom Avancement eun unsre Reichstagsabgeordneten weiter verhindern, daß sich das Avancement im Landheer in einem schnellern Tempo bewege, wäre es zum mindesten leichtsinnig, seinen Sohn heutzutage Offizier werden zu lassen, ihn einer Laufbahn zuzuführen, wo er nach sechzehn Jahren zum erstenmal in eine verantwortliche Stelle kommt und nach weitern zwölf harten Jahren vielleicht Stabsoffizier wird mit der Aussicht, als Bezirkskommandeur sein militärisches Dasein zu beschließen. Soweit bringt es aber nicht einmal die Hälfte aller Offiziere; die andern scheiden vorzeitig mehr oder weniger freiwillig aus und tragen wenigstens auf diese Weise etwas zur Belebung des Avancements bei. Wer in höhere Stellungen gelangen will, kann es — wenn er nicht wenigstens einmal wegen besondrer Leistungen vorpatentiert wird — nur noch auf dem Wege durch den Generalstab oder die höhere Adjutantur erreichen; denn diese Offiziere erfreuen sich bis zum Stabsoffizier der Beförderung außer der Tour. Sonst wären Majore von achtunddreißig und Obersten von sechsundvierzig Jahren nicht denkbar. In der großen Tour — auch Ochsentour genannt — werden diese Grade durchschnittlich erst sieben bis acht Jahre später erreicht. Da das Alter von vierundfünfzig Jahren für einen Regimentskommandeur aber für zu hoch gilt, als daß er noch Ersprießliches leisten könnte, so erreichen dieses Ziel auch nur Offiziere, die entweder vorpatentiert sind, oder die in einem sehr jungen Alter in die Armee getreten sind. Der Grundsatz, möglichst junge Offiziere in den so überaus wichtigen Regimentskommandeurstellen zu haben, ist gewiß be¬ rechtigt, und wenn dauernd im Frontdienste verwandte Offiziere durch die Ein¬ förmigkeit einer länger als dreißigjährigen Praxis häufig abgestumpft werden, so können sie nicht immer ideale Regimentskommandeure abgeben; aber viele sehr rege und strebsame wären wohl dazu befähigt, wenn sie nicht durch die gesetzlich zwar nicht festgelegten, tatsächlich aber doch bestehenden Altersgrenzen von einer weitern Beförderung ausgeschlossen wären. So sehr man auch bei einem Offizier die Jugend und eine längere vielseitig anregende Tätigkeit bei höhern Behörden schätzen muß, so ist doch auf der andern Seite das Bedenken, daß solche Herren der Praxis zu früh und zu lange entzogen werden und all¬ mählich die Fühlung mit der Truppe und ihrer Eigentümlichkeit verlieren. Leider gilt der Frontdienst, namentlich bei der Infanterie, jetzt gar nicht mehr für tair; es klagen schon junge, kaum fünf Jahre im Dienst stehende Grenzboten II 1S05 82

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/645>, abgerufen am 05.02.2025.