Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten

werden bedeutet leine bequeme und sichre Versorgung. Der Erfolg hängt von
vielen unberechenbaren Dingen ab. Manche der Zöglinge sind gleich gut an¬
gekommen^ manche, besonders in Südwestafrika, müssen ans einen Mißerfolg
zurücksehen. In Südwestafrika stehn sechs Zöglinge vor dem Feinde und hoffen,
daß ihnen vom Reiche ersetzt werde, was ihnen Hereros und Hottentotten ge¬
nommen haben. Andre sind schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt, aber
sie werden nicht daheim bleiben, sondern wieder hinausgehn. Wir müssen uns
freuen, daß wir solche junge Leute haben, die etwas wagen, und die die schöne
Kunst gelernt haben, immer auf die Füße zu fallen. Wir müssen unsrer
heimischen Jugend beibringen, daß sie lernt die Philistermütze abzusetzen und
der Mutter Schürzenband loszulassen. Herr Regierungsrat Wohltmann warf
am Schlüsse der Rede, die er bei der Einweihungsfeier hielt, die Frage auf,
was deun die Anstalt, ihre Ziele erweiternd, in Zukunft tun sollte, und dachte
an Tropenmuseen und wissenschaftliche Aufgaben. Ich denke an ein Erholungs¬
in. A. und Feierabendhaus für invalide Kulturpioniere.


Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten
zur Zeit des Dreißigjährigen Arieges

>n der Nordwand des Chors der Stndtkirche zu Weimar erhebt
sich, bis in den Scheitel des Spitzbogengewölbes emporragend,
das Grabdenkmal für den in der Bulle des Mannesalters mit
sechsunddreißig Jahren gestorbnen Herzog Johann den Dritten
!von Sachsen und seiner Gemahlin, Dorothea Marie von Anhalt,
die Stammeltern der Ernestiner. Die Bilder der Eltern sind von denen ihrer
zwölf Kinder umgeben. Vor dem Herzog in der linken Seitennische kniet der
Liebling der Mutter, der Prinz Wilhelm, vor der Herzogin in der rechten
Seitcnnische das nachgeborne, früh verstorbne einzige Töchterlein, Prinzessin
Johanna; vorn auf dem weit ausladenden Fußgesims knien hintereinander, nach
dem Alter geordnet, die Prinzen: Johann Ernst, Friedrich, Johann, Wilhelm,
Albrecht, Johann Friedrich, Ernst, Friedrich Wilhelm und Bernhard. Neben
dem Bilde Johann Friedrichs ist das des bald nach der Geburt gestorbnen
Zwillingbruders Wilhelms, neben dem Bilde Johann Ernsts das eines schon
im ersten Lebensjahr abgeschiednen Prinzen Johann Wilhelm wiedergegeben.

Mit hohem mütterlichem Stolze wird die Herzogin, die das schon von
ihrem Gemahl geplante Denkmal noch zu ihren Lebzeiten beginnen ließ, ihr
Auge auf der langen Reihe der auf das sorgfältigste erzognen, zu den besten
Erwartungen berechtigenden, damals noch lebenden neun Söhne haben ruhen
lassen, nicht ahnend, daß der ein Jahr nach Vollendung des Denkmals (1617)
ausbrechende unheilvolle Dreißigjährige Krieg auch in das Geschick dieser
ihrer Kinder mit rauher Hand eingreifen, auch uuter ihnen schwere Opfer
fordern werde.


Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten

werden bedeutet leine bequeme und sichre Versorgung. Der Erfolg hängt von
vielen unberechenbaren Dingen ab. Manche der Zöglinge sind gleich gut an¬
gekommen^ manche, besonders in Südwestafrika, müssen ans einen Mißerfolg
zurücksehen. In Südwestafrika stehn sechs Zöglinge vor dem Feinde und hoffen,
daß ihnen vom Reiche ersetzt werde, was ihnen Hereros und Hottentotten ge¬
nommen haben. Andre sind schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt, aber
sie werden nicht daheim bleiben, sondern wieder hinausgehn. Wir müssen uns
freuen, daß wir solche junge Leute haben, die etwas wagen, und die die schöne
Kunst gelernt haben, immer auf die Füße zu fallen. Wir müssen unsrer
heimischen Jugend beibringen, daß sie lernt die Philistermütze abzusetzen und
der Mutter Schürzenband loszulassen. Herr Regierungsrat Wohltmann warf
am Schlüsse der Rede, die er bei der Einweihungsfeier hielt, die Frage auf,
was deun die Anstalt, ihre Ziele erweiternd, in Zukunft tun sollte, und dachte
an Tropenmuseen und wissenschaftliche Aufgaben. Ich denke an ein Erholungs¬
in. A. und Feierabendhaus für invalide Kulturpioniere.


Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten
zur Zeit des Dreißigjährigen Arieges

>n der Nordwand des Chors der Stndtkirche zu Weimar erhebt
sich, bis in den Scheitel des Spitzbogengewölbes emporragend,
das Grabdenkmal für den in der Bulle des Mannesalters mit
sechsunddreißig Jahren gestorbnen Herzog Johann den Dritten
!von Sachsen und seiner Gemahlin, Dorothea Marie von Anhalt,
die Stammeltern der Ernestiner. Die Bilder der Eltern sind von denen ihrer
zwölf Kinder umgeben. Vor dem Herzog in der linken Seitennische kniet der
Liebling der Mutter, der Prinz Wilhelm, vor der Herzogin in der rechten
Seitcnnische das nachgeborne, früh verstorbne einzige Töchterlein, Prinzessin
Johanna; vorn auf dem weit ausladenden Fußgesims knien hintereinander, nach
dem Alter geordnet, die Prinzen: Johann Ernst, Friedrich, Johann, Wilhelm,
Albrecht, Johann Friedrich, Ernst, Friedrich Wilhelm und Bernhard. Neben
dem Bilde Johann Friedrichs ist das des bald nach der Geburt gestorbnen
Zwillingbruders Wilhelms, neben dem Bilde Johann Ernsts das eines schon
im ersten Lebensjahr abgeschiednen Prinzen Johann Wilhelm wiedergegeben.

Mit hohem mütterlichem Stolze wird die Herzogin, die das schon von
ihrem Gemahl geplante Denkmal noch zu ihren Lebzeiten beginnen ließ, ihr
Auge auf der langen Reihe der auf das sorgfältigste erzognen, zu den besten
Erwartungen berechtigenden, damals noch lebenden neun Söhne haben ruhen
lassen, nicht ahnend, daß der ein Jahr nach Vollendung des Denkmals (1617)
ausbrechende unheilvolle Dreißigjährige Krieg auch in das Geschick dieser
ihrer Kinder mit rauher Hand eingreifen, auch uuter ihnen schwere Opfer
fordern werde.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296213"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1162" prev="#ID_1161"> werden bedeutet leine bequeme und sichre Versorgung. Der Erfolg hängt von<lb/>
vielen unberechenbaren Dingen ab. Manche der Zöglinge sind gleich gut an¬<lb/>
gekommen^ manche, besonders in Südwestafrika, müssen ans einen Mißerfolg<lb/>
zurücksehen. In Südwestafrika stehn sechs Zöglinge vor dem Feinde und hoffen,<lb/>
daß ihnen vom Reiche ersetzt werde, was ihnen Hereros und Hottentotten ge¬<lb/>
nommen haben. Andre sind schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt, aber<lb/>
sie werden nicht daheim bleiben, sondern wieder hinausgehn. Wir müssen uns<lb/>
freuen, daß wir solche junge Leute haben, die etwas wagen, und die die schöne<lb/>
Kunst gelernt haben, immer auf die Füße zu fallen. Wir müssen unsrer<lb/>
heimischen Jugend beibringen, daß sie lernt die Philistermütze abzusetzen und<lb/>
der Mutter Schürzenband loszulassen. Herr Regierungsrat Wohltmann warf<lb/>
am Schlüsse der Rede, die er bei der Einweihungsfeier hielt, die Frage auf,<lb/>
was deun die Anstalt, ihre Ziele erweiternd, in Zukunft tun sollte, und dachte<lb/>
an Tropenmuseen und wissenschaftliche Aufgaben. Ich denke an ein Erholungs¬<lb/><note type="byline"> in. A.</note> und Feierabendhaus für invalide Kulturpioniere. </p><lb/>
          <note type="byline"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten<lb/>
zur Zeit des Dreißigjährigen Arieges</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1163"> &gt;n der Nordwand des Chors der Stndtkirche zu Weimar erhebt<lb/>
sich, bis in den Scheitel des Spitzbogengewölbes emporragend,<lb/>
das Grabdenkmal für den in der Bulle des Mannesalters mit<lb/>
sechsunddreißig Jahren gestorbnen Herzog Johann den Dritten<lb/>
!von Sachsen und seiner Gemahlin, Dorothea Marie von Anhalt,<lb/>
die Stammeltern der Ernestiner. Die Bilder der Eltern sind von denen ihrer<lb/>
zwölf Kinder umgeben. Vor dem Herzog in der linken Seitennische kniet der<lb/>
Liebling der Mutter, der Prinz Wilhelm, vor der Herzogin in der rechten<lb/>
Seitcnnische das nachgeborne, früh verstorbne einzige Töchterlein, Prinzessin<lb/>
Johanna; vorn auf dem weit ausladenden Fußgesims knien hintereinander, nach<lb/>
dem Alter geordnet, die Prinzen: Johann Ernst, Friedrich, Johann, Wilhelm,<lb/>
Albrecht, Johann Friedrich, Ernst, Friedrich Wilhelm und Bernhard. Neben<lb/>
dem Bilde Johann Friedrichs ist das des bald nach der Geburt gestorbnen<lb/>
Zwillingbruders Wilhelms, neben dem Bilde Johann Ernsts das eines schon<lb/>
im ersten Lebensjahr abgeschiednen Prinzen Johann Wilhelm wiedergegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1164"> Mit hohem mütterlichem Stolze wird die Herzogin, die das schon von<lb/>
ihrem Gemahl geplante Denkmal noch zu ihren Lebzeiten beginnen ließ, ihr<lb/>
Auge auf der langen Reihe der auf das sorgfältigste erzognen, zu den besten<lb/>
Erwartungen berechtigenden, damals noch lebenden neun Söhne haben ruhen<lb/>
lassen, nicht ahnend, daß der ein Jahr nach Vollendung des Denkmals (1617)<lb/>
ausbrechende unheilvolle Dreißigjährige Krieg auch in das Geschick dieser<lb/>
ihrer Kinder mit rauher Hand eingreifen, auch uuter ihnen schwere Opfer<lb/>
fordern werde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0202] Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten werden bedeutet leine bequeme und sichre Versorgung. Der Erfolg hängt von vielen unberechenbaren Dingen ab. Manche der Zöglinge sind gleich gut an¬ gekommen^ manche, besonders in Südwestafrika, müssen ans einen Mißerfolg zurücksehen. In Südwestafrika stehn sechs Zöglinge vor dem Feinde und hoffen, daß ihnen vom Reiche ersetzt werde, was ihnen Hereros und Hottentotten ge¬ nommen haben. Andre sind schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt, aber sie werden nicht daheim bleiben, sondern wieder hinausgehn. Wir müssen uns freuen, daß wir solche junge Leute haben, die etwas wagen, und die die schöne Kunst gelernt haben, immer auf die Füße zu fallen. Wir müssen unsrer heimischen Jugend beibringen, daß sie lernt die Philistermütze abzusetzen und der Mutter Schürzenband loszulassen. Herr Regierungsrat Wohltmann warf am Schlüsse der Rede, die er bei der Einweihungsfeier hielt, die Frage auf, was deun die Anstalt, ihre Ziele erweiternd, in Zukunft tun sollte, und dachte an Tropenmuseen und wissenschaftliche Aufgaben. Ich denke an ein Erholungs¬ in. A. und Feierabendhaus für invalide Kulturpioniere. Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten zur Zeit des Dreißigjährigen Arieges >n der Nordwand des Chors der Stndtkirche zu Weimar erhebt sich, bis in den Scheitel des Spitzbogengewölbes emporragend, das Grabdenkmal für den in der Bulle des Mannesalters mit sechsunddreißig Jahren gestorbnen Herzog Johann den Dritten !von Sachsen und seiner Gemahlin, Dorothea Marie von Anhalt, die Stammeltern der Ernestiner. Die Bilder der Eltern sind von denen ihrer zwölf Kinder umgeben. Vor dem Herzog in der linken Seitennische kniet der Liebling der Mutter, der Prinz Wilhelm, vor der Herzogin in der rechten Seitcnnische das nachgeborne, früh verstorbne einzige Töchterlein, Prinzessin Johanna; vorn auf dem weit ausladenden Fußgesims knien hintereinander, nach dem Alter geordnet, die Prinzen: Johann Ernst, Friedrich, Johann, Wilhelm, Albrecht, Johann Friedrich, Ernst, Friedrich Wilhelm und Bernhard. Neben dem Bilde Johann Friedrichs ist das des bald nach der Geburt gestorbnen Zwillingbruders Wilhelms, neben dem Bilde Johann Ernsts das eines schon im ersten Lebensjahr abgeschiednen Prinzen Johann Wilhelm wiedergegeben. Mit hohem mütterlichem Stolze wird die Herzogin, die das schon von ihrem Gemahl geplante Denkmal noch zu ihren Lebzeiten beginnen ließ, ihr Auge auf der langen Reihe der auf das sorgfältigste erzognen, zu den besten Erwartungen berechtigenden, damals noch lebenden neun Söhne haben ruhen lassen, nicht ahnend, daß der ein Jahr nach Vollendung des Denkmals (1617) ausbrechende unheilvolle Dreißigjährige Krieg auch in das Geschick dieser ihrer Kinder mit rauher Hand eingreifen, auch uuter ihnen schwere Opfer fordern werde.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/202
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/202>, abgerufen am 15.01.2025.