Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten Der Erstgeborne, Herzog Johann Ernst, nachmals der Verbündete des Nur dreien von den neun dem Kindesalter entwachsnen Prinzen war es Das schwärzeste Los aber zog der am 19. September 1600 in Altenburg Grenzboten IV 1LV5 26
Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten Der Erstgeborne, Herzog Johann Ernst, nachmals der Verbündete des Nur dreien von den neun dem Kindesalter entwachsnen Prinzen war es Das schwärzeste Los aber zog der am 19. September 1600 in Altenburg Grenzboten IV 1LV5 26
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Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten
Der Erstgeborne, Herzog Johann Ernst, nachmals der Verbündete des
Böhmenkönigs Friedrich von der Pfalz, dann des Grafen Ernst von Mans-
feld und des Königs Christian von Dänemark, die Seele der Kämpfe gegen
Tilly und Wallenstein, einer der Tapfersten jener waffenstarrenden Zeit, erlag
1626 im Feldlager zu Sankt Marton in Ungarn, dreiunddreißig Jahre alt,
als dänischer Generalfeldobrist dem Typhus. Der ihm sehr nahestehende dritte
Sohn, der lebenslustige und liebenswürdige Prinz Friedrich, fiel 1622 als
Obrist in pfälzischen Diensten im siebenundzwanzigsten Lebensjahre bei Fleury.
Prinz Wilhelm, der fünfte Sohn, wurde in der Schlacht bei Stadtlohn im
Münsterschen 1623 durch einen Schuß in den rechten Arm und in den Leib
schwer verwundet und geriet in die Hände Tillys, der ihn über anderthalb
Jahre gefangen hielt. Bernhard, der elfte und jüngste Sohn, der tatkräftige
Waffengenosse Gustav Adolfs, dem mau wegen seiner Kriegstaten, seines diplo¬
matischen Geschicks und der besonders nach dem Tode des Schwedenkönigs der
Protestantischen Sache geleisteten erfolgreichen Dienste den Beinamen des Großen
beigelegt hat, starb bald nach der ruhmreichen Einnahme von Breisach, fünf¬
unddreißig Jahre alt, 1639 in Neuburg (Rhein) an einer schleichenden, von ihm
selbst auf französisches Gift zurückgeführten Krankheit, vielleicht auch dem Typhus.
Friedrich Wilhelm, der schon als Knabe von sehr zarter Gesundheit gewesen war,
verschied mit sechzehn Jahren in Georgenthal. Binnen elf Jahren nach der
Errichtung lagen schon fünf der fürstlichen Kinder: Johann, Johanna, Friedrich
Wilhelm, Friedrich und Johann Ernst am Fuße des elterlichen Grabdenkmals
in der Gruft der Stndtlirchc. Die Leiche Herzog Bernhards, die 1639 zuerst
in Vreiscich beigesetzt worden war, wurde sechzehn Jahre später noch nachträglich
dorthin übergeführt.
Nur dreien von den neun dem Kindesalter entwachsnen Prinzen war es
vergönnt, die Wirren des Dreißigjährigen Kriegs zu überleben und an der
Heilung der ihren Ländern geschlagner Wunden zu arbeiten: Wilhelm, der
Stifter der Weimarischen Linie, Albrecht, der Begründer der 1751 wieder er¬
löschenden Linie Eisenach-Marksuhl, und Ernst, unter dein Beinamen der Fromme
als der Ahnherr der jetzt noch blühenden Linien Meiningen, Koburg-Gotha und
Altenburg bekannt.
Das schwärzeste Los aber zog der am 19. September 1600 in Altenburg
geborne achte Sohn, Herzog Johann Friedrich. Als sein häufig kränkelnder
Vater nach nur zweijähriger Regierung starb (1605), wurde der Prinz Johann
Friedrich gleich seinen Brüdern unter der Aufsicht seiner selbst außergewöhnlich
unterrichteten, namentlich des Lateinischen und des Hebräischen mächtigen Mutter
zugleich mit zwei Edelknaben, die sein ausschließlicher Umgang waren und ihn
daneben zu bedienen hatten, ans das sorgfältigste erzogen. Während den beiden
ältern Prinzen. Johann Ernst und Friedrich, der berühmte Pädagog Hortlcdcr
"is Lehrer und Mentor diente, leitete die Erziehung Johann Friedrichs und
Albrechts der geniale, aber unzuverlässige und als Abenteurer endende Wolf¬
gang Ratke (Natichius), der durch die neuerdings wieder zu Ehren gekommne
Theorie Aufsehen erregte, daß der grammatikalen Behandlung der Sprachen
ihre praktische Erlernung vorausgehn müsse, daß auch die toten Sprachen nach
Grenzboten IV 1LV5 26
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