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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Vartholomäus sastrow
F. Rnntze von in
(Fortsetzung)

ur Johannes Sastrow war die Anwesenheit des Kaisers eine
willkommne Gelegenheit, sein Dichtertalent glänzen zu lassen. Er
widmete ihm ein Carmen und wurde dafür zum Dichter gekrönt
und nobilitiert. Das ihm überreichte, in dem pomphaften Latein
! solcher Urkunden abgefaßte Diplom hat der Bruder in seiner
Lebensgeschichte mitgeteilt. Aber ein Geschenk scheint der jugendliche Dichter
nicht erhalten zu haben. Karl der Fünfte war ein sparsamer Herr, und die
Schar der Bewerber um den Ehrensold eines Dichters mutmaßlich überwältigend
groß. Ein gewisser Johannes Stigclius erhielt für die Widmung eines latei¬
nischen Gedichts aus der kaiserlichen Kanzlei folgende höchst charakteristische
Antwort: (bringn viel-ost iwvsrgtori. ?osta pötat c^niet vslit, tmoobit; 8i
vowsrit SWö ncMlis, frit; si pvvw frit la Pioquö; 8sa vSLwiiMi
non xswt, xsLunig.ni non dadsbit. Anders dachte der Truchseß von Waldburg.
Für das e-z-rmou Arg-WI^toriniu, das ihm Johannes Sastrow für seine eben
erfolgte Ernennung zum Bischof von Augsburg übersandt hatte, lohnte er durch
die Verehrung einer goldnen Kette.

Kurz vorher hatte auch Vartholomäus für seine Mühe einen Lohn
empfangen. Durch kaiserliches Patent vom 19. Mai 1544 wurde er zum Notar
ernannt und erhielt damit die Berechtigung, alle notariellen Akte nach dem
geltenden Landesrecht ans sauberm, ungebrauchtem Pergament oder Papier (in
in<zal>i'g.ni8 innnclis xm.t v^xiris, mein ta-usu ong,re.i8 a.drg,si8) vorzunehmen.
Aber in Speyer war wegen der andauernden Unsicherheit der Lage, und da er
die Knechtschaft im Engelhartschen Hause nicht länger ertragen mochte, seines
Bleibens nicht mehr. Er sah sich deswegen nach einem andern Unterkommen
um und fand ein solches in der Kanzlei des Markgrafen Ernst von Baden-
Hochberg, der damals in Pforzheim residierte. Über Heidelberg und Bretheim
(Breiten) -- patria>in?liilixvi -- begibt er sich im Juni 1544 dorthin. Pforz¬
heim gefällt ihm besser als das in der eintönigen Rheinebene liegende Speyer
und süddeutschen Lesern dieser Blätter mag es willkommen sein, zu erfahren,
welchen Eindruck die oberdeutsche Berg- und Waldstadt auf den Sohn des
norddeutschen Flach- und Küstenlandes gemacht hat. "Pforzheim, sagt er, ist
nicht groß, hat nur eine Kirche, ligt gar im Grunde an einer schönen lustigen
Wisen, dardurch laufst ein alares, gesundes Wasser, gibt allerlei wollschmeckende
Fische, daran man des Sommers gar gute Kurtzweile haben kan, zwüschen
überaus hohen Bergen, so mit Holtzungen, einer Wildnussen nicht ungleich, be¬
wachsen, so guts Wildbrets gibt. Das fürstliche Schloß ligt woll niderich,




Vartholomäus sastrow
F. Rnntze von in
(Fortsetzung)

ur Johannes Sastrow war die Anwesenheit des Kaisers eine
willkommne Gelegenheit, sein Dichtertalent glänzen zu lassen. Er
widmete ihm ein Carmen und wurde dafür zum Dichter gekrönt
und nobilitiert. Das ihm überreichte, in dem pomphaften Latein
! solcher Urkunden abgefaßte Diplom hat der Bruder in seiner
Lebensgeschichte mitgeteilt. Aber ein Geschenk scheint der jugendliche Dichter
nicht erhalten zu haben. Karl der Fünfte war ein sparsamer Herr, und die
Schar der Bewerber um den Ehrensold eines Dichters mutmaßlich überwältigend
groß. Ein gewisser Johannes Stigclius erhielt für die Widmung eines latei¬
nischen Gedichts aus der kaiserlichen Kanzlei folgende höchst charakteristische
Antwort: (bringn viel-ost iwvsrgtori. ?osta pötat c^niet vslit, tmoobit; 8i
vowsrit SWö ncMlis, frit; si pvvw frit la Pioquö; 8sa vSLwiiMi
non xswt, xsLunig.ni non dadsbit. Anders dachte der Truchseß von Waldburg.
Für das e-z-rmou Arg-WI^toriniu, das ihm Johannes Sastrow für seine eben
erfolgte Ernennung zum Bischof von Augsburg übersandt hatte, lohnte er durch
die Verehrung einer goldnen Kette.

Kurz vorher hatte auch Vartholomäus für seine Mühe einen Lohn
empfangen. Durch kaiserliches Patent vom 19. Mai 1544 wurde er zum Notar
ernannt und erhielt damit die Berechtigung, alle notariellen Akte nach dem
geltenden Landesrecht ans sauberm, ungebrauchtem Pergament oder Papier (in
in<zal>i'g.ni8 innnclis xm.t v^xiris, mein ta-usu ong,re.i8 a.drg,si8) vorzunehmen.
Aber in Speyer war wegen der andauernden Unsicherheit der Lage, und da er
die Knechtschaft im Engelhartschen Hause nicht länger ertragen mochte, seines
Bleibens nicht mehr. Er sah sich deswegen nach einem andern Unterkommen
um und fand ein solches in der Kanzlei des Markgrafen Ernst von Baden-
Hochberg, der damals in Pforzheim residierte. Über Heidelberg und Bretheim
(Breiten) — patria>in?liilixvi — begibt er sich im Juni 1544 dorthin. Pforz¬
heim gefällt ihm besser als das in der eintönigen Rheinebene liegende Speyer
und süddeutschen Lesern dieser Blätter mag es willkommen sein, zu erfahren,
welchen Eindruck die oberdeutsche Berg- und Waldstadt auf den Sohn des
norddeutschen Flach- und Küstenlandes gemacht hat. „Pforzheim, sagt er, ist
nicht groß, hat nur eine Kirche, ligt gar im Grunde an einer schönen lustigen
Wisen, dardurch laufst ein alares, gesundes Wasser, gibt allerlei wollschmeckende
Fische, daran man des Sommers gar gute Kurtzweile haben kan, zwüschen
überaus hohen Bergen, so mit Holtzungen, einer Wildnussen nicht ungleich, be¬
wachsen, so guts Wildbrets gibt. Das fürstliche Schloß ligt woll niderich,


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[0092] [Abbildung] Vartholomäus sastrow F. Rnntze von in (Fortsetzung) ur Johannes Sastrow war die Anwesenheit des Kaisers eine willkommne Gelegenheit, sein Dichtertalent glänzen zu lassen. Er widmete ihm ein Carmen und wurde dafür zum Dichter gekrönt und nobilitiert. Das ihm überreichte, in dem pomphaften Latein ! solcher Urkunden abgefaßte Diplom hat der Bruder in seiner Lebensgeschichte mitgeteilt. Aber ein Geschenk scheint der jugendliche Dichter nicht erhalten zu haben. Karl der Fünfte war ein sparsamer Herr, und die Schar der Bewerber um den Ehrensold eines Dichters mutmaßlich überwältigend groß. Ein gewisser Johannes Stigclius erhielt für die Widmung eines latei¬ nischen Gedichts aus der kaiserlichen Kanzlei folgende höchst charakteristische Antwort: (bringn viel-ost iwvsrgtori. ?osta pötat c^niet vslit, tmoobit; 8i vowsrit SWö ncMlis, frit; si pvvw frit la Pioquö; 8sa vSLwiiMi non xswt, xsLunig.ni non dadsbit. Anders dachte der Truchseß von Waldburg. Für das e-z-rmou Arg-WI^toriniu, das ihm Johannes Sastrow für seine eben erfolgte Ernennung zum Bischof von Augsburg übersandt hatte, lohnte er durch die Verehrung einer goldnen Kette. Kurz vorher hatte auch Vartholomäus für seine Mühe einen Lohn empfangen. Durch kaiserliches Patent vom 19. Mai 1544 wurde er zum Notar ernannt und erhielt damit die Berechtigung, alle notariellen Akte nach dem geltenden Landesrecht ans sauberm, ungebrauchtem Pergament oder Papier (in in<zal>i'g.ni8 innnclis xm.t v^xiris, mein ta-usu ong,re.i8 a.drg,si8) vorzunehmen. Aber in Speyer war wegen der andauernden Unsicherheit der Lage, und da er die Knechtschaft im Engelhartschen Hause nicht länger ertragen mochte, seines Bleibens nicht mehr. Er sah sich deswegen nach einem andern Unterkommen um und fand ein solches in der Kanzlei des Markgrafen Ernst von Baden- Hochberg, der damals in Pforzheim residierte. Über Heidelberg und Bretheim (Breiten) — patria>in?liilixvi — begibt er sich im Juni 1544 dorthin. Pforz¬ heim gefällt ihm besser als das in der eintönigen Rheinebene liegende Speyer und süddeutschen Lesern dieser Blätter mag es willkommen sein, zu erfahren, welchen Eindruck die oberdeutsche Berg- und Waldstadt auf den Sohn des norddeutschen Flach- und Küstenlandes gemacht hat. „Pforzheim, sagt er, ist nicht groß, hat nur eine Kirche, ligt gar im Grunde an einer schönen lustigen Wisen, dardurch laufst ein alares, gesundes Wasser, gibt allerlei wollschmeckende Fische, daran man des Sommers gar gute Kurtzweile haben kan, zwüschen überaus hohen Bergen, so mit Holtzungen, einer Wildnussen nicht ungleich, be¬ wachsen, so guts Wildbrets gibt. Das fürstliche Schloß ligt woll niderich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/92>, abgerufen am 26.06.2024.