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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Friedrich Wilhelms des Vierten wiederholt die Kriegsbeteiligung herangetreten war.
Nicht nur ist der Interessenkreis des Deutschen Reiches heute sehr viel größer und
empfindlicher, sondern die gesamten Verhältnisse in Europa sowohl als in Asien
und Amerika sind so ganz anders geworden, daß unsre Diplomatie nicht wachsam
genug, unsre Wehrkraft zu Laude und zur See nicht bereit genug sein kann.




Ein neues Buch über England.

Dr. Karl Peters hat (bei C. A.
Schwetschke und Sohn in Berlin, 1904) ein sehr hübsches Buch herausgegeben:
England und die Engländer. Es ist im unterhaltenden Plaudertone ge¬
schrieben, aber von der Wärme belebt, die aus zehnjähriger Beobachtung von
Dingen strömt, die den Verfasser im höchsten Grade interessiert haben, und es ent¬
behrt nicht der Grundlage ernster Studien, die sich in vielen statistischen Nach¬
weisen bemerkbar machen. Die Kapitelüberschriften lauten: Das Land; London
und die Themse; die City; der englische Vvlkshanshalt; Politik und Presse; Heer
und Flotte; englische Erziehung; englisches Volksleben; die englische Gesellschaft;
die Briten und ihr Weltreich. Das kleine Buch bereichert unsre Kenntnis des
gegenwärtigen Englands mit manchen nicht ganz unwichtigen Angaben. So zum
Beispiel erfahren wir zu unsrer Beruhigung, daß die Engländer doch noch nicht
so ganz die vollendeten Muster der Mäßigkeit und Enthaltsamkeit sind, wie sie
nus zu unsrer Beschämung von manchen Abstinenten vorgehalten werden. Zwei
Millionen Personen beschäftigen sich bei ihnen mit der Herstellung und der Ver¬
teilung alkoholischer Getränke, und im Biertrinken übertreffen sie alle Völker der
Erde: es kommen 30,2 Gallonen zu je 4,54 Lidern auf den Kopf gegen
27,3 Gallonen in Deutschland. Überhaupt zeichnen sich die Engländer, wie' auch
wir öfter hervorgehoben haben, weder durch Mäßigkeit, uoch durch Sparsamkeit,
noch dnrch Wirtschaftlichkeit ans. So kennt die Frau aus dem Volke uicht das
Zusammenhalten, das Benutzen aller Reste und Abfälle, worin die deutsche Haus¬
frau Virtuosin ist. (In Nordamerika hat man ein hübsches Sprüchlein: Die
Deutsche stopft und funkelt fleißig, die zweite Sorge ist der Dreck; die Jankeefrcm
ist weniger fleißig, ist was zerrissen, schmeißt sich weg.) Infolgedessen lebt die
englische Arbeiterfamilie trotz höherm Dnrchschnittslvhn und wohlfeilern Lebens¬
mitteln in mancher Beziehung weniger behaglich als die deutsche. Dafür wird
freilich in andrer Beziehung ihr Behagen erhöht durch das Einfamilienhaus mit
Garten, dessen sich die meisten bessern Arbeiter erfreuen, und durch die kurze
Arbeitzeit, die allen ein ordentliches Familienleben ermöglicht; namentlich die all¬
gemein durchgeführte Svnntagrnhe -- auch die Eisenbahn und die Post ruhen --
und der Schluß aller Arbeitstätten am frühen Nachmittag des Sonnabends wirken
ungemein wohltätig. Bekannte Charakterzüge des englischen Lebens werden mit
dem ihrer Wichtigkeit entsprechenden Nachdruck hervorgehoben. So die Bedeutung
des Parlamentarismus und der unbeschränkten Öffentlichkeit des politischen Lebens.
Absolutistische Staaten wie Rußland genössen im diplomatischen Spiel der Minen
und der Gegenminen gewisse Vorteile. Dafür gewähre aber die Öffentlichkeit die
Bürgschaft einer gesunden Kontrolle, und sie sei das Ventil, durch das Mi߬
stimmung und Unzufriedenheit abströmen, ohne die Gefahr von Explosionen zu er¬
zeugen. Was in England naturwüchsig geworden sei, könne natürlich anderwärts
nicht einfach nachgeahmt werden. "Wir Deutschen sind keine politische, sondern
eine militärische Nation, und die gemäßigte Militärdiktatur der Hohenzollern ist
augenscheinlich die uns angemessenste Staatsform." Aber nur bei der englischen
Regierungsform sei die Gründung des kolonialen Weltreichs möglich gewesen.
Gerade weil diese Regierungsform "immerfort an die Mitentscheidung jedes
Individuums appelliert, demnach in jedem Briten das Gefühl der Mitverantwort¬
lichkeit für den Gang der öffentlichen Angelegenheiten entwickelt, fördert es die
männlichen Eigenschaften, die den Angelsachsen befähigen, ohne die Initiative und


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Friedrich Wilhelms des Vierten wiederholt die Kriegsbeteiligung herangetreten war.
Nicht nur ist der Interessenkreis des Deutschen Reiches heute sehr viel größer und
empfindlicher, sondern die gesamten Verhältnisse in Europa sowohl als in Asien
und Amerika sind so ganz anders geworden, daß unsre Diplomatie nicht wachsam
genug, unsre Wehrkraft zu Laude und zur See nicht bereit genug sein kann.




Ein neues Buch über England.

Dr. Karl Peters hat (bei C. A.
Schwetschke und Sohn in Berlin, 1904) ein sehr hübsches Buch herausgegeben:
England und die Engländer. Es ist im unterhaltenden Plaudertone ge¬
schrieben, aber von der Wärme belebt, die aus zehnjähriger Beobachtung von
Dingen strömt, die den Verfasser im höchsten Grade interessiert haben, und es ent¬
behrt nicht der Grundlage ernster Studien, die sich in vielen statistischen Nach¬
weisen bemerkbar machen. Die Kapitelüberschriften lauten: Das Land; London
und die Themse; die City; der englische Vvlkshanshalt; Politik und Presse; Heer
und Flotte; englische Erziehung; englisches Volksleben; die englische Gesellschaft;
die Briten und ihr Weltreich. Das kleine Buch bereichert unsre Kenntnis des
gegenwärtigen Englands mit manchen nicht ganz unwichtigen Angaben. So zum
Beispiel erfahren wir zu unsrer Beruhigung, daß die Engländer doch noch nicht
so ganz die vollendeten Muster der Mäßigkeit und Enthaltsamkeit sind, wie sie
nus zu unsrer Beschämung von manchen Abstinenten vorgehalten werden. Zwei
Millionen Personen beschäftigen sich bei ihnen mit der Herstellung und der Ver¬
teilung alkoholischer Getränke, und im Biertrinken übertreffen sie alle Völker der
Erde: es kommen 30,2 Gallonen zu je 4,54 Lidern auf den Kopf gegen
27,3 Gallonen in Deutschland. Überhaupt zeichnen sich die Engländer, wie' auch
wir öfter hervorgehoben haben, weder durch Mäßigkeit, uoch durch Sparsamkeit,
noch dnrch Wirtschaftlichkeit ans. So kennt die Frau aus dem Volke uicht das
Zusammenhalten, das Benutzen aller Reste und Abfälle, worin die deutsche Haus¬
frau Virtuosin ist. (In Nordamerika hat man ein hübsches Sprüchlein: Die
Deutsche stopft und funkelt fleißig, die zweite Sorge ist der Dreck; die Jankeefrcm
ist weniger fleißig, ist was zerrissen, schmeißt sich weg.) Infolgedessen lebt die
englische Arbeiterfamilie trotz höherm Dnrchschnittslvhn und wohlfeilern Lebens¬
mitteln in mancher Beziehung weniger behaglich als die deutsche. Dafür wird
freilich in andrer Beziehung ihr Behagen erhöht durch das Einfamilienhaus mit
Garten, dessen sich die meisten bessern Arbeiter erfreuen, und durch die kurze
Arbeitzeit, die allen ein ordentliches Familienleben ermöglicht; namentlich die all¬
gemein durchgeführte Svnntagrnhe — auch die Eisenbahn und die Post ruhen —
und der Schluß aller Arbeitstätten am frühen Nachmittag des Sonnabends wirken
ungemein wohltätig. Bekannte Charakterzüge des englischen Lebens werden mit
dem ihrer Wichtigkeit entsprechenden Nachdruck hervorgehoben. So die Bedeutung
des Parlamentarismus und der unbeschränkten Öffentlichkeit des politischen Lebens.
Absolutistische Staaten wie Rußland genössen im diplomatischen Spiel der Minen
und der Gegenminen gewisse Vorteile. Dafür gewähre aber die Öffentlichkeit die
Bürgschaft einer gesunden Kontrolle, und sie sei das Ventil, durch das Mi߬
stimmung und Unzufriedenheit abströmen, ohne die Gefahr von Explosionen zu er¬
zeugen. Was in England naturwüchsig geworden sei, könne natürlich anderwärts
nicht einfach nachgeahmt werden. „Wir Deutschen sind keine politische, sondern
eine militärische Nation, und die gemäßigte Militärdiktatur der Hohenzollern ist
augenscheinlich die uns angemessenste Staatsform." Aber nur bei der englischen
Regierungsform sei die Gründung des kolonialen Weltreichs möglich gewesen.
Gerade weil diese Regierungsform „immerfort an die Mitentscheidung jedes
Individuums appelliert, demnach in jedem Briten das Gefühl der Mitverantwort¬
lichkeit für den Gang der öffentlichen Angelegenheiten entwickelt, fördert es die
männlichen Eigenschaften, die den Angelsachsen befähigen, ohne die Initiative und


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[0354] Maßgebliches und Unmaßgebliches Friedrich Wilhelms des Vierten wiederholt die Kriegsbeteiligung herangetreten war. Nicht nur ist der Interessenkreis des Deutschen Reiches heute sehr viel größer und empfindlicher, sondern die gesamten Verhältnisse in Europa sowohl als in Asien und Amerika sind so ganz anders geworden, daß unsre Diplomatie nicht wachsam genug, unsre Wehrkraft zu Laude und zur See nicht bereit genug sein kann. Ein neues Buch über England. Dr. Karl Peters hat (bei C. A. Schwetschke und Sohn in Berlin, 1904) ein sehr hübsches Buch herausgegeben: England und die Engländer. Es ist im unterhaltenden Plaudertone ge¬ schrieben, aber von der Wärme belebt, die aus zehnjähriger Beobachtung von Dingen strömt, die den Verfasser im höchsten Grade interessiert haben, und es ent¬ behrt nicht der Grundlage ernster Studien, die sich in vielen statistischen Nach¬ weisen bemerkbar machen. Die Kapitelüberschriften lauten: Das Land; London und die Themse; die City; der englische Vvlkshanshalt; Politik und Presse; Heer und Flotte; englische Erziehung; englisches Volksleben; die englische Gesellschaft; die Briten und ihr Weltreich. Das kleine Buch bereichert unsre Kenntnis des gegenwärtigen Englands mit manchen nicht ganz unwichtigen Angaben. So zum Beispiel erfahren wir zu unsrer Beruhigung, daß die Engländer doch noch nicht so ganz die vollendeten Muster der Mäßigkeit und Enthaltsamkeit sind, wie sie nus zu unsrer Beschämung von manchen Abstinenten vorgehalten werden. Zwei Millionen Personen beschäftigen sich bei ihnen mit der Herstellung und der Ver¬ teilung alkoholischer Getränke, und im Biertrinken übertreffen sie alle Völker der Erde: es kommen 30,2 Gallonen zu je 4,54 Lidern auf den Kopf gegen 27,3 Gallonen in Deutschland. Überhaupt zeichnen sich die Engländer, wie' auch wir öfter hervorgehoben haben, weder durch Mäßigkeit, uoch durch Sparsamkeit, noch dnrch Wirtschaftlichkeit ans. So kennt die Frau aus dem Volke uicht das Zusammenhalten, das Benutzen aller Reste und Abfälle, worin die deutsche Haus¬ frau Virtuosin ist. (In Nordamerika hat man ein hübsches Sprüchlein: Die Deutsche stopft und funkelt fleißig, die zweite Sorge ist der Dreck; die Jankeefrcm ist weniger fleißig, ist was zerrissen, schmeißt sich weg.) Infolgedessen lebt die englische Arbeiterfamilie trotz höherm Dnrchschnittslvhn und wohlfeilern Lebens¬ mitteln in mancher Beziehung weniger behaglich als die deutsche. Dafür wird freilich in andrer Beziehung ihr Behagen erhöht durch das Einfamilienhaus mit Garten, dessen sich die meisten bessern Arbeiter erfreuen, und durch die kurze Arbeitzeit, die allen ein ordentliches Familienleben ermöglicht; namentlich die all¬ gemein durchgeführte Svnntagrnhe — auch die Eisenbahn und die Post ruhen — und der Schluß aller Arbeitstätten am frühen Nachmittag des Sonnabends wirken ungemein wohltätig. Bekannte Charakterzüge des englischen Lebens werden mit dem ihrer Wichtigkeit entsprechenden Nachdruck hervorgehoben. So die Bedeutung des Parlamentarismus und der unbeschränkten Öffentlichkeit des politischen Lebens. Absolutistische Staaten wie Rußland genössen im diplomatischen Spiel der Minen und der Gegenminen gewisse Vorteile. Dafür gewähre aber die Öffentlichkeit die Bürgschaft einer gesunden Kontrolle, und sie sei das Ventil, durch das Mi߬ stimmung und Unzufriedenheit abströmen, ohne die Gefahr von Explosionen zu er¬ zeugen. Was in England naturwüchsig geworden sei, könne natürlich anderwärts nicht einfach nachgeahmt werden. „Wir Deutschen sind keine politische, sondern eine militärische Nation, und die gemäßigte Militärdiktatur der Hohenzollern ist augenscheinlich die uns angemessenste Staatsform." Aber nur bei der englischen Regierungsform sei die Gründung des kolonialen Weltreichs möglich gewesen. Gerade weil diese Regierungsform „immerfort an die Mitentscheidung jedes Individuums appelliert, demnach in jedem Briten das Gefühl der Mitverantwort¬ lichkeit für den Gang der öffentlichen Angelegenheiten entwickelt, fördert es die männlichen Eigenschaften, die den Angelsachsen befähigen, ohne die Initiative und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/354>, abgerufen am 26.06.2024.