Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

den Schutz des Staates sich in allen Zonen unsers Planeten zu neuen Staats¬
wesen zusmnmenzntun. Man beklagt so oft. daß der Deutsche nicht denselben
Grad des Verantwortlichkeitsbewußtseins besitze wie der Engländer. Aber wie
konnte er wohl zu einem solchen gelangen, wenn er im Grunde eigentlich nichts mit¬
zuentscheiden hat im staatlichen Leben? Für den Briten ist der Staat ein Gemein¬
besitz aller, auf den ein jeder stolz ist, und von dessen Vorteilen auch jeder mit¬
profitiert." Der Staat ist ihm der vommou vealtlr, wie dem Römer sein Staat
die les pudlieg. war. Den Briten braucht niemand zu mahnen: Gedenke, daß du
ein Brite bist! oder: Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an! Er spürt die
materiellen Vorteile, die ihm die kommerzielle und die politische Beherrschung so
großer Gebiete gewährt, hat seinen Anteil an dem Tribut, den die beherrschten
Länder zahlen, und hat, wenn ihn daheim Not bedrängt, die Wahl unter einem
Dutzend Ländern, wohin er ausweichen, und wo er unter Angelsachsen nach
heimischem Brauch leben und seine Muttersprache reden kann. Egoismus und
Gemeinsinn fallen bei ihm zusammen.

Daran, daß es in absehbarer Zeit irgend eine andre Macht mit England zur
See aufnehmen könnte, ist nach Peters nicht zu deuten. Schon darum nicht, weil
England allein an allen Küsten Kohlenstationen besitzt. Dadurch hat es die
Kontrolle aller Fahrstraßen in der Hand. "Von allen Mächten kann nur Gro߬
britannien seine Flotte nach Belieben über die Weltmeere von einem Ende bis
zum andern bewegen; alle andern Völker sind in dieser ersten Voraussetzung einer
großen Weltpolitik von ihm abhängig." Chamberlains Plan scheint dem Verfasser
so natürlich, daß er über kurz oder laug verwirklicht werden müsse; durch seine
Verwirklichung werde das britische Reich Autarkie erlangen, zur Versorgung mit
Gütern keines andern Landes mehr bedürfen. Die Vereinigten Staaten werden
dieses Reich ergänzen. "Gegenüber der drohenden Verwirklichung der angel¬
sächsischen Konföderation wird Europa schließlich nur die zollpolitische Zusammen¬
schließung übrig bleiben."

Keime des Verderbens macheu sich allerdings bemerkbar. Zwar daß die höhern
Stände ein Genuszleben führen, das zu ernster Arbeit unfähig macht, erscheint noch
nicht so gefährlich, weil die Menschen dabei körperlich gesund bleiben, wie über¬
haupt, abgesehen von dem freilich zahlreichen Lumpenproletariat, das ganze Volk,
dank den zur allgemeinen Volkssitte gewordnen Bewegungsspielen im Freien. (Daß
dem vornehmen Engländer immer mehr der Genuß ausschließlicher Lebenszweck
wird, findet auch Hans von Nostitz bedenklich; siehe den 4. Band des Jahrgangs
1900 der Grenzboten Seite 414 und 415.) Nach Peters gehört, wer ums Brot
arbeiten muß, nicht zur "Gesellschaft" -- ganz wie im klassischen Altertum, darf
man hinzufügen --, und mit der Nötigung zur Arbeit verliert sich bekanntlich nur
zu leicht auch die Lust dazu. Übrigens schildert Peters das Gesellschnftsleben der
Aristokratie höchst ergötzlich. Aber auch jeder Arbeiter will Gentleman und jede
Arbeiterin will Lady sein. "Alles strebt über seine natürlichen Verhältnisse hinaus;
die Lust zur bescheidnen Arbeit geht mehr und mehr im englischen Volke verloren.
Auch der Handwerker verschmäht den kleinen Gewinn; es ist schwer, einen Schneider
zu finden, der uns den Rock flickt, oder einen Schuster, der einen Stiefel befohlen
will. "Dick verdienen" und schnell, ist die Losung; das Erworbne aber wird in
gesteigertem Luxus angelegt." Und da es mit der Arbeit zu langsam geht, ist das
ganze Volk von der Spielwnt besessen. Bis zum wirklichen Proletarier hinunter
beteiligt sich alles an den Wetten, die in England das Lotto vertreten. Diese Ab¬
wendung von der bescheidnen Arbeit führt zunächst dazu, ausländische Einwandrer
herbeizuziehn. Fremde Dienstboten, Handwerker, Kommis müssen immer mehr den
einheimischen Arbeiter ersetzen. (Peters vergißt, den russischen Juden der Schwitz¬
werkstätten zu erwähnen, der ihm wahrscheinlich auch gern den Rock flicken würde.)
"Nicht, weil es an solchen Bevölkerungsklassen hier fehlte, nein, weil der Engländer
niedrige Dienste nicht mehr leisten mag. Er ist der Herr der Erde, er will auch


den Schutz des Staates sich in allen Zonen unsers Planeten zu neuen Staats¬
wesen zusmnmenzntun. Man beklagt so oft. daß der Deutsche nicht denselben
Grad des Verantwortlichkeitsbewußtseins besitze wie der Engländer. Aber wie
konnte er wohl zu einem solchen gelangen, wenn er im Grunde eigentlich nichts mit¬
zuentscheiden hat im staatlichen Leben? Für den Briten ist der Staat ein Gemein¬
besitz aller, auf den ein jeder stolz ist, und von dessen Vorteilen auch jeder mit¬
profitiert." Der Staat ist ihm der vommou vealtlr, wie dem Römer sein Staat
die les pudlieg. war. Den Briten braucht niemand zu mahnen: Gedenke, daß du
ein Brite bist! oder: Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an! Er spürt die
materiellen Vorteile, die ihm die kommerzielle und die politische Beherrschung so
großer Gebiete gewährt, hat seinen Anteil an dem Tribut, den die beherrschten
Länder zahlen, und hat, wenn ihn daheim Not bedrängt, die Wahl unter einem
Dutzend Ländern, wohin er ausweichen, und wo er unter Angelsachsen nach
heimischem Brauch leben und seine Muttersprache reden kann. Egoismus und
Gemeinsinn fallen bei ihm zusammen.

Daran, daß es in absehbarer Zeit irgend eine andre Macht mit England zur
See aufnehmen könnte, ist nach Peters nicht zu deuten. Schon darum nicht, weil
England allein an allen Küsten Kohlenstationen besitzt. Dadurch hat es die
Kontrolle aller Fahrstraßen in der Hand. „Von allen Mächten kann nur Gro߬
britannien seine Flotte nach Belieben über die Weltmeere von einem Ende bis
zum andern bewegen; alle andern Völker sind in dieser ersten Voraussetzung einer
großen Weltpolitik von ihm abhängig." Chamberlains Plan scheint dem Verfasser
so natürlich, daß er über kurz oder laug verwirklicht werden müsse; durch seine
Verwirklichung werde das britische Reich Autarkie erlangen, zur Versorgung mit
Gütern keines andern Landes mehr bedürfen. Die Vereinigten Staaten werden
dieses Reich ergänzen. „Gegenüber der drohenden Verwirklichung der angel¬
sächsischen Konföderation wird Europa schließlich nur die zollpolitische Zusammen¬
schließung übrig bleiben."

Keime des Verderbens macheu sich allerdings bemerkbar. Zwar daß die höhern
Stände ein Genuszleben führen, das zu ernster Arbeit unfähig macht, erscheint noch
nicht so gefährlich, weil die Menschen dabei körperlich gesund bleiben, wie über¬
haupt, abgesehen von dem freilich zahlreichen Lumpenproletariat, das ganze Volk,
dank den zur allgemeinen Volkssitte gewordnen Bewegungsspielen im Freien. (Daß
dem vornehmen Engländer immer mehr der Genuß ausschließlicher Lebenszweck
wird, findet auch Hans von Nostitz bedenklich; siehe den 4. Band des Jahrgangs
1900 der Grenzboten Seite 414 und 415.) Nach Peters gehört, wer ums Brot
arbeiten muß, nicht zur „Gesellschaft" — ganz wie im klassischen Altertum, darf
man hinzufügen —, und mit der Nötigung zur Arbeit verliert sich bekanntlich nur
zu leicht auch die Lust dazu. Übrigens schildert Peters das Gesellschnftsleben der
Aristokratie höchst ergötzlich. Aber auch jeder Arbeiter will Gentleman und jede
Arbeiterin will Lady sein. „Alles strebt über seine natürlichen Verhältnisse hinaus;
die Lust zur bescheidnen Arbeit geht mehr und mehr im englischen Volke verloren.
Auch der Handwerker verschmäht den kleinen Gewinn; es ist schwer, einen Schneider
zu finden, der uns den Rock flickt, oder einen Schuster, der einen Stiefel befohlen
will. »Dick verdienen« und schnell, ist die Losung; das Erworbne aber wird in
gesteigertem Luxus angelegt." Und da es mit der Arbeit zu langsam geht, ist das
ganze Volk von der Spielwnt besessen. Bis zum wirklichen Proletarier hinunter
beteiligt sich alles an den Wetten, die in England das Lotto vertreten. Diese Ab¬
wendung von der bescheidnen Arbeit führt zunächst dazu, ausländische Einwandrer
herbeizuziehn. Fremde Dienstboten, Handwerker, Kommis müssen immer mehr den
einheimischen Arbeiter ersetzen. (Peters vergißt, den russischen Juden der Schwitz¬
werkstätten zu erwähnen, der ihm wahrscheinlich auch gern den Rock flicken würde.)
»Nicht, weil es an solchen Bevölkerungsklassen hier fehlte, nein, weil der Engländer
niedrige Dienste nicht mehr leisten mag. Er ist der Herr der Erde, er will auch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295574"/>
            <fw type="header" place="top"/><lb/>
            <p xml:id="ID_1734" prev="#ID_1733"> den Schutz des Staates sich in allen Zonen unsers Planeten zu neuen Staats¬<lb/>
wesen zusmnmenzntun. Man beklagt so oft. daß der Deutsche nicht denselben<lb/>
Grad des Verantwortlichkeitsbewußtseins besitze wie der Engländer. Aber wie<lb/>
konnte er wohl zu einem solchen gelangen, wenn er im Grunde eigentlich nichts mit¬<lb/>
zuentscheiden hat im staatlichen Leben? Für den Briten ist der Staat ein Gemein¬<lb/>
besitz aller, auf den ein jeder stolz ist, und von dessen Vorteilen auch jeder mit¬<lb/>
profitiert." Der Staat ist ihm der vommou vealtlr, wie dem Römer sein Staat<lb/>
die les pudlieg. war. Den Briten braucht niemand zu mahnen: Gedenke, daß du<lb/>
ein Brite bist! oder: Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an! Er spürt die<lb/>
materiellen Vorteile, die ihm die kommerzielle und die politische Beherrschung so<lb/>
großer Gebiete gewährt, hat seinen Anteil an dem Tribut, den die beherrschten<lb/>
Länder zahlen, und hat, wenn ihn daheim Not bedrängt, die Wahl unter einem<lb/>
Dutzend Ländern, wohin er ausweichen, und wo er unter Angelsachsen nach<lb/>
heimischem Brauch leben und seine Muttersprache reden kann. Egoismus und<lb/>
Gemeinsinn fallen bei ihm zusammen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1735"> Daran, daß es in absehbarer Zeit irgend eine andre Macht mit England zur<lb/>
See aufnehmen könnte, ist nach Peters nicht zu deuten. Schon darum nicht, weil<lb/>
England allein an allen Küsten Kohlenstationen besitzt. Dadurch hat es die<lb/>
Kontrolle aller Fahrstraßen in der Hand. &#x201E;Von allen Mächten kann nur Gro߬<lb/>
britannien seine Flotte nach Belieben über die Weltmeere von einem Ende bis<lb/>
zum andern bewegen; alle andern Völker sind in dieser ersten Voraussetzung einer<lb/>
großen Weltpolitik von ihm abhängig." Chamberlains Plan scheint dem Verfasser<lb/>
so natürlich, daß er über kurz oder laug verwirklicht werden müsse; durch seine<lb/>
Verwirklichung werde das britische Reich Autarkie erlangen, zur Versorgung mit<lb/>
Gütern keines andern Landes mehr bedürfen. Die Vereinigten Staaten werden<lb/>
dieses Reich ergänzen. &#x201E;Gegenüber der drohenden Verwirklichung der angel¬<lb/>
sächsischen Konföderation wird Europa schließlich nur die zollpolitische Zusammen¬<lb/>
schließung übrig bleiben."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1736" next="#ID_1737"> Keime des Verderbens macheu sich allerdings bemerkbar. Zwar daß die höhern<lb/>
Stände ein Genuszleben führen, das zu ernster Arbeit unfähig macht, erscheint noch<lb/>
nicht so gefährlich, weil die Menschen dabei körperlich gesund bleiben, wie über¬<lb/>
haupt, abgesehen von dem freilich zahlreichen Lumpenproletariat, das ganze Volk,<lb/>
dank den zur allgemeinen Volkssitte gewordnen Bewegungsspielen im Freien. (Daß<lb/>
dem vornehmen Engländer immer mehr der Genuß ausschließlicher Lebenszweck<lb/>
wird, findet auch Hans von Nostitz bedenklich; siehe den 4. Band des Jahrgangs<lb/>
1900 der Grenzboten Seite 414 und 415.) Nach Peters gehört, wer ums Brot<lb/>
arbeiten muß, nicht zur &#x201E;Gesellschaft" &#x2014; ganz wie im klassischen Altertum, darf<lb/>
man hinzufügen &#x2014;, und mit der Nötigung zur Arbeit verliert sich bekanntlich nur<lb/>
zu leicht auch die Lust dazu. Übrigens schildert Peters das Gesellschnftsleben der<lb/>
Aristokratie höchst ergötzlich. Aber auch jeder Arbeiter will Gentleman und jede<lb/>
Arbeiterin will Lady sein. &#x201E;Alles strebt über seine natürlichen Verhältnisse hinaus;<lb/>
die Lust zur bescheidnen Arbeit geht mehr und mehr im englischen Volke verloren.<lb/>
Auch der Handwerker verschmäht den kleinen Gewinn; es ist schwer, einen Schneider<lb/>
zu finden, der uns den Rock flickt, oder einen Schuster, der einen Stiefel befohlen<lb/>
will. »Dick verdienen« und schnell, ist die Losung; das Erworbne aber wird in<lb/>
gesteigertem Luxus angelegt." Und da es mit der Arbeit zu langsam geht, ist das<lb/>
ganze Volk von der Spielwnt besessen. Bis zum wirklichen Proletarier hinunter<lb/>
beteiligt sich alles an den Wetten, die in England das Lotto vertreten. Diese Ab¬<lb/>
wendung von der bescheidnen Arbeit führt zunächst dazu, ausländische Einwandrer<lb/>
herbeizuziehn. Fremde Dienstboten, Handwerker, Kommis müssen immer mehr den<lb/>
einheimischen Arbeiter ersetzen. (Peters vergißt, den russischen Juden der Schwitz¬<lb/>
werkstätten zu erwähnen, der ihm wahrscheinlich auch gern den Rock flicken würde.)<lb/>
»Nicht, weil es an solchen Bevölkerungsklassen hier fehlte, nein, weil der Engländer<lb/>
niedrige Dienste nicht mehr leisten mag. Er ist der Herr der Erde, er will auch</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0355] den Schutz des Staates sich in allen Zonen unsers Planeten zu neuen Staats¬ wesen zusmnmenzntun. Man beklagt so oft. daß der Deutsche nicht denselben Grad des Verantwortlichkeitsbewußtseins besitze wie der Engländer. Aber wie konnte er wohl zu einem solchen gelangen, wenn er im Grunde eigentlich nichts mit¬ zuentscheiden hat im staatlichen Leben? Für den Briten ist der Staat ein Gemein¬ besitz aller, auf den ein jeder stolz ist, und von dessen Vorteilen auch jeder mit¬ profitiert." Der Staat ist ihm der vommou vealtlr, wie dem Römer sein Staat die les pudlieg. war. Den Briten braucht niemand zu mahnen: Gedenke, daß du ein Brite bist! oder: Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an! Er spürt die materiellen Vorteile, die ihm die kommerzielle und die politische Beherrschung so großer Gebiete gewährt, hat seinen Anteil an dem Tribut, den die beherrschten Länder zahlen, und hat, wenn ihn daheim Not bedrängt, die Wahl unter einem Dutzend Ländern, wohin er ausweichen, und wo er unter Angelsachsen nach heimischem Brauch leben und seine Muttersprache reden kann. Egoismus und Gemeinsinn fallen bei ihm zusammen. Daran, daß es in absehbarer Zeit irgend eine andre Macht mit England zur See aufnehmen könnte, ist nach Peters nicht zu deuten. Schon darum nicht, weil England allein an allen Küsten Kohlenstationen besitzt. Dadurch hat es die Kontrolle aller Fahrstraßen in der Hand. „Von allen Mächten kann nur Gro߬ britannien seine Flotte nach Belieben über die Weltmeere von einem Ende bis zum andern bewegen; alle andern Völker sind in dieser ersten Voraussetzung einer großen Weltpolitik von ihm abhängig." Chamberlains Plan scheint dem Verfasser so natürlich, daß er über kurz oder laug verwirklicht werden müsse; durch seine Verwirklichung werde das britische Reich Autarkie erlangen, zur Versorgung mit Gütern keines andern Landes mehr bedürfen. Die Vereinigten Staaten werden dieses Reich ergänzen. „Gegenüber der drohenden Verwirklichung der angel¬ sächsischen Konföderation wird Europa schließlich nur die zollpolitische Zusammen¬ schließung übrig bleiben." Keime des Verderbens macheu sich allerdings bemerkbar. Zwar daß die höhern Stände ein Genuszleben führen, das zu ernster Arbeit unfähig macht, erscheint noch nicht so gefährlich, weil die Menschen dabei körperlich gesund bleiben, wie über¬ haupt, abgesehen von dem freilich zahlreichen Lumpenproletariat, das ganze Volk, dank den zur allgemeinen Volkssitte gewordnen Bewegungsspielen im Freien. (Daß dem vornehmen Engländer immer mehr der Genuß ausschließlicher Lebenszweck wird, findet auch Hans von Nostitz bedenklich; siehe den 4. Band des Jahrgangs 1900 der Grenzboten Seite 414 und 415.) Nach Peters gehört, wer ums Brot arbeiten muß, nicht zur „Gesellschaft" — ganz wie im klassischen Altertum, darf man hinzufügen —, und mit der Nötigung zur Arbeit verliert sich bekanntlich nur zu leicht auch die Lust dazu. Übrigens schildert Peters das Gesellschnftsleben der Aristokratie höchst ergötzlich. Aber auch jeder Arbeiter will Gentleman und jede Arbeiterin will Lady sein. „Alles strebt über seine natürlichen Verhältnisse hinaus; die Lust zur bescheidnen Arbeit geht mehr und mehr im englischen Volke verloren. Auch der Handwerker verschmäht den kleinen Gewinn; es ist schwer, einen Schneider zu finden, der uns den Rock flickt, oder einen Schuster, der einen Stiefel befohlen will. »Dick verdienen« und schnell, ist die Losung; das Erworbne aber wird in gesteigertem Luxus angelegt." Und da es mit der Arbeit zu langsam geht, ist das ganze Volk von der Spielwnt besessen. Bis zum wirklichen Proletarier hinunter beteiligt sich alles an den Wetten, die in England das Lotto vertreten. Diese Ab¬ wendung von der bescheidnen Arbeit führt zunächst dazu, ausländische Einwandrer herbeizuziehn. Fremde Dienstboten, Handwerker, Kommis müssen immer mehr den einheimischen Arbeiter ersetzen. (Peters vergißt, den russischen Juden der Schwitz¬ werkstätten zu erwähnen, der ihm wahrscheinlich auch gern den Rock flicken würde.) »Nicht, weil es an solchen Bevölkerungsklassen hier fehlte, nein, weil der Engländer niedrige Dienste nicht mehr leisten mag. Er ist der Herr der Erde, er will auch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/355
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/355>, abgerufen am 23.07.2024.