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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Glücksinseln und Träume

Wohl waren tels Lichtblicke, die durch weite Strecken von Routinearbeit ge¬
trennt waren; man stieg bis zur Herstellung einer flüssigen Stiefelwichse hinab,
deren Unzweckmäßigkeit dem kritischen Geiste junger Alchimisten vollständig klar
war, und fabrizierte ein Tintenpulver, vou dem niemand zu sagen wußte, warum
man nicht seine Galläpfel abkochte und seinen Eisenvitriol auflöste, um gleich eine
tüchtige schwarze Tinte daraus zu machen? Da aber das liebe Publikum diese
wie viele andre Produkte unsrer Offizin bereitwillig aufnahm, steigerten alle diese
Quacksalbereien und Pfuschereien nur das Gefühl der Wichtigkeit und Unfehlbarkeit,
womit wir uns zwischen unsern tausend Büchsen und Flaschen bewegten.

Man wird erwarten, daß sich in diesen Verhältnissen, die mir soviel Neues
brachten, ein ungeheuer lebhafter Briefverkehr mit den Meinen entwickelt hatte, aber
dazu kam es merkwürdigerweise nicht; denn zu einem Briefwechsel gehören zwei, und
wenn ich auch schrieb, so nahm sich im Elternhause niemand die Zeit, mir mehr zu
schreiben, als in den normalen Beziehungen zwischen Sohn und Eltern und Bruder
und Geschwistern natürlich und notwendig schien. Damals schrieben sich nur Verliebte
und Geschäftsleute häufig, und die Postkarte war noch nicht erfunden; auch kostete
ein Brief auf eine kleine Entfernung sechs und auf eine größere neun Kreuzer, und
die Groschen und Sechser rollten uicht so leicht und so massenhaft in der Welt
herum wie heutzutage. Gerade begann der Lohn des erwachsnen Arbeiters die
Summe von dreißig Kreuzern zu übersteigen, und ich erinnere mich noch recht
gut, wie Burschen aus unserm Dorf vom Rhein zurückkehrten, wo sie Gold ge¬
waschen hatten; da hörte man, daß der Rheinsand im besten Falle vierundzwanzig
bis dreißig Kreuzer Gold bei angestrengter Tagesarbeit liefere, und daß man nun
mit leichterer Mühe sechsunddreißig durch gewöhnliche Taglöhnerarbeit gewinne.
Sie behaupteten, die Elsässer hätten das Goldwäschen schon viel früher ausgegeben,
und nun drohe außerdem auch noch der Wettbewerb der badischen Regierung, die
in Köln eine Maschine zum Goldwäschen bauen lasse, die unglaubliche Mengen
Sand an einem Tage verarbeiten werde. Ich glaube, das war das Ende des
Goldwaschens in Deutschland überhaupt. Von der badischen Maschine habe ich nie
etwas weiteres gehört, habe aber manchmal an sie gedacht, wenn ich von andern
Leistungen der aufgeklärten Bureaukratie des "Mnsterlnndles" vernahm, die immer
ihrer Zeit so weit voraus war.


4

Es war im" Spätherbst, alle Zugvögel hatten uus verlassen, nur dürre
Blätter flogen am Boden vor den Nvvemberwinden und hoch oben graue Wolken,
deren stürmisches Ziehen tagelang kein Ende nahm. Eine verspätete Biene, ein er¬
starrter Käfer, das waren die Lebensspuren draußen. Um so lebendiger regte es
sich in meinem Innern. Wind und Wetter störten mich nicht in meinen wandernden
Gedanken, stauten sie nur zu größerer Tiefe auf.

Wenn es regnet, "was vom Himmel herunterkann," wenn es "mit Bütten
schüttete," wenn der Witzbold fragte: Ist denn Quatember, daß der liebe Herrgott
alle seine Stockfische wässert?, wenn die Bäche rechts und links vom Hause an¬
schwollen und sich schlammig gelb färbten, wenn ans die Brücke die Bächlein von
der Straße hin und über ihre niedre Mauer weg die Bäche in den Bach stürzten,
wenn sich keine Katze geschweige denn ein Mensch ins Freie wagte und der böseste
Hofhund sein Haus nicht mehr verließ, mochte um ihn passieren, was da wollte, kurz,
wenn eine neue Sündflut einzubrechen drohte, da fühlten wir uns zwar abgeschnitten
von der Welt, da wurden wir zu Insulanern, die ihre wasserumflutete Insula, korwnatg.
in diesem Augenblick um kein Königreich der Welt vertauschen mochten. Da fing
zwar das Leben in und um uns an zu ebbeu, aber durch den dünnen Schleier
der Wirklichkeit, die nur allein noch blieb, schimmerte es jetzt wie von einer andern
Welt, die bisher übersehen, überhört worden war. Es ist so still, die Stürme
haben uns verlassen, die Wolken sind fortgezogen, man hört die Zeit verrinnen, die
Sterne singend ihre Bahn ziehn. Nun kommen die Frusttage, wo es im Straßenkot


Glücksinseln und Träume

Wohl waren tels Lichtblicke, die durch weite Strecken von Routinearbeit ge¬
trennt waren; man stieg bis zur Herstellung einer flüssigen Stiefelwichse hinab,
deren Unzweckmäßigkeit dem kritischen Geiste junger Alchimisten vollständig klar
war, und fabrizierte ein Tintenpulver, vou dem niemand zu sagen wußte, warum
man nicht seine Galläpfel abkochte und seinen Eisenvitriol auflöste, um gleich eine
tüchtige schwarze Tinte daraus zu machen? Da aber das liebe Publikum diese
wie viele andre Produkte unsrer Offizin bereitwillig aufnahm, steigerten alle diese
Quacksalbereien und Pfuschereien nur das Gefühl der Wichtigkeit und Unfehlbarkeit,
womit wir uns zwischen unsern tausend Büchsen und Flaschen bewegten.

Man wird erwarten, daß sich in diesen Verhältnissen, die mir soviel Neues
brachten, ein ungeheuer lebhafter Briefverkehr mit den Meinen entwickelt hatte, aber
dazu kam es merkwürdigerweise nicht; denn zu einem Briefwechsel gehören zwei, und
wenn ich auch schrieb, so nahm sich im Elternhause niemand die Zeit, mir mehr zu
schreiben, als in den normalen Beziehungen zwischen Sohn und Eltern und Bruder
und Geschwistern natürlich und notwendig schien. Damals schrieben sich nur Verliebte
und Geschäftsleute häufig, und die Postkarte war noch nicht erfunden; auch kostete
ein Brief auf eine kleine Entfernung sechs und auf eine größere neun Kreuzer, und
die Groschen und Sechser rollten uicht so leicht und so massenhaft in der Welt
herum wie heutzutage. Gerade begann der Lohn des erwachsnen Arbeiters die
Summe von dreißig Kreuzern zu übersteigen, und ich erinnere mich noch recht
gut, wie Burschen aus unserm Dorf vom Rhein zurückkehrten, wo sie Gold ge¬
waschen hatten; da hörte man, daß der Rheinsand im besten Falle vierundzwanzig
bis dreißig Kreuzer Gold bei angestrengter Tagesarbeit liefere, und daß man nun
mit leichterer Mühe sechsunddreißig durch gewöhnliche Taglöhnerarbeit gewinne.
Sie behaupteten, die Elsässer hätten das Goldwäschen schon viel früher ausgegeben,
und nun drohe außerdem auch noch der Wettbewerb der badischen Regierung, die
in Köln eine Maschine zum Goldwäschen bauen lasse, die unglaubliche Mengen
Sand an einem Tage verarbeiten werde. Ich glaube, das war das Ende des
Goldwaschens in Deutschland überhaupt. Von der badischen Maschine habe ich nie
etwas weiteres gehört, habe aber manchmal an sie gedacht, wenn ich von andern
Leistungen der aufgeklärten Bureaukratie des „Mnsterlnndles" vernahm, die immer
ihrer Zeit so weit voraus war.


4

Es war im» Spätherbst, alle Zugvögel hatten uus verlassen, nur dürre
Blätter flogen am Boden vor den Nvvemberwinden und hoch oben graue Wolken,
deren stürmisches Ziehen tagelang kein Ende nahm. Eine verspätete Biene, ein er¬
starrter Käfer, das waren die Lebensspuren draußen. Um so lebendiger regte es
sich in meinem Innern. Wind und Wetter störten mich nicht in meinen wandernden
Gedanken, stauten sie nur zu größerer Tiefe auf.

Wenn es regnet, „was vom Himmel herunterkann," wenn es „mit Bütten
schüttete," wenn der Witzbold fragte: Ist denn Quatember, daß der liebe Herrgott
alle seine Stockfische wässert?, wenn die Bäche rechts und links vom Hause an¬
schwollen und sich schlammig gelb färbten, wenn ans die Brücke die Bächlein von
der Straße hin und über ihre niedre Mauer weg die Bäche in den Bach stürzten,
wenn sich keine Katze geschweige denn ein Mensch ins Freie wagte und der böseste
Hofhund sein Haus nicht mehr verließ, mochte um ihn passieren, was da wollte, kurz,
wenn eine neue Sündflut einzubrechen drohte, da fühlten wir uns zwar abgeschnitten
von der Welt, da wurden wir zu Insulanern, die ihre wasserumflutete Insula, korwnatg.
in diesem Augenblick um kein Königreich der Welt vertauschen mochten. Da fing
zwar das Leben in und um uns an zu ebbeu, aber durch den dünnen Schleier
der Wirklichkeit, die nur allein noch blieb, schimmerte es jetzt wie von einer andern
Welt, die bisher übersehen, überhört worden war. Es ist so still, die Stürme
haben uns verlassen, die Wolken sind fortgezogen, man hört die Zeit verrinnen, die
Sterne singend ihre Bahn ziehn. Nun kommen die Frusttage, wo es im Straßenkot


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[0166] Glücksinseln und Träume Wohl waren tels Lichtblicke, die durch weite Strecken von Routinearbeit ge¬ trennt waren; man stieg bis zur Herstellung einer flüssigen Stiefelwichse hinab, deren Unzweckmäßigkeit dem kritischen Geiste junger Alchimisten vollständig klar war, und fabrizierte ein Tintenpulver, vou dem niemand zu sagen wußte, warum man nicht seine Galläpfel abkochte und seinen Eisenvitriol auflöste, um gleich eine tüchtige schwarze Tinte daraus zu machen? Da aber das liebe Publikum diese wie viele andre Produkte unsrer Offizin bereitwillig aufnahm, steigerten alle diese Quacksalbereien und Pfuschereien nur das Gefühl der Wichtigkeit und Unfehlbarkeit, womit wir uns zwischen unsern tausend Büchsen und Flaschen bewegten. Man wird erwarten, daß sich in diesen Verhältnissen, die mir soviel Neues brachten, ein ungeheuer lebhafter Briefverkehr mit den Meinen entwickelt hatte, aber dazu kam es merkwürdigerweise nicht; denn zu einem Briefwechsel gehören zwei, und wenn ich auch schrieb, so nahm sich im Elternhause niemand die Zeit, mir mehr zu schreiben, als in den normalen Beziehungen zwischen Sohn und Eltern und Bruder und Geschwistern natürlich und notwendig schien. Damals schrieben sich nur Verliebte und Geschäftsleute häufig, und die Postkarte war noch nicht erfunden; auch kostete ein Brief auf eine kleine Entfernung sechs und auf eine größere neun Kreuzer, und die Groschen und Sechser rollten uicht so leicht und so massenhaft in der Welt herum wie heutzutage. Gerade begann der Lohn des erwachsnen Arbeiters die Summe von dreißig Kreuzern zu übersteigen, und ich erinnere mich noch recht gut, wie Burschen aus unserm Dorf vom Rhein zurückkehrten, wo sie Gold ge¬ waschen hatten; da hörte man, daß der Rheinsand im besten Falle vierundzwanzig bis dreißig Kreuzer Gold bei angestrengter Tagesarbeit liefere, und daß man nun mit leichterer Mühe sechsunddreißig durch gewöhnliche Taglöhnerarbeit gewinne. Sie behaupteten, die Elsässer hätten das Goldwäschen schon viel früher ausgegeben, und nun drohe außerdem auch noch der Wettbewerb der badischen Regierung, die in Köln eine Maschine zum Goldwäschen bauen lasse, die unglaubliche Mengen Sand an einem Tage verarbeiten werde. Ich glaube, das war das Ende des Goldwaschens in Deutschland überhaupt. Von der badischen Maschine habe ich nie etwas weiteres gehört, habe aber manchmal an sie gedacht, wenn ich von andern Leistungen der aufgeklärten Bureaukratie des „Mnsterlnndles" vernahm, die immer ihrer Zeit so weit voraus war. 4 Es war im» Spätherbst, alle Zugvögel hatten uus verlassen, nur dürre Blätter flogen am Boden vor den Nvvemberwinden und hoch oben graue Wolken, deren stürmisches Ziehen tagelang kein Ende nahm. Eine verspätete Biene, ein er¬ starrter Käfer, das waren die Lebensspuren draußen. Um so lebendiger regte es sich in meinem Innern. Wind und Wetter störten mich nicht in meinen wandernden Gedanken, stauten sie nur zu größerer Tiefe auf. Wenn es regnet, „was vom Himmel herunterkann," wenn es „mit Bütten schüttete," wenn der Witzbold fragte: Ist denn Quatember, daß der liebe Herrgott alle seine Stockfische wässert?, wenn die Bäche rechts und links vom Hause an¬ schwollen und sich schlammig gelb färbten, wenn ans die Brücke die Bächlein von der Straße hin und über ihre niedre Mauer weg die Bäche in den Bach stürzten, wenn sich keine Katze geschweige denn ein Mensch ins Freie wagte und der böseste Hofhund sein Haus nicht mehr verließ, mochte um ihn passieren, was da wollte, kurz, wenn eine neue Sündflut einzubrechen drohte, da fühlten wir uns zwar abgeschnitten von der Welt, da wurden wir zu Insulanern, die ihre wasserumflutete Insula, korwnatg. in diesem Augenblick um kein Königreich der Welt vertauschen mochten. Da fing zwar das Leben in und um uns an zu ebbeu, aber durch den dünnen Schleier der Wirklichkeit, die nur allein noch blieb, schimmerte es jetzt wie von einer andern Welt, die bisher übersehen, überhört worden war. Es ist so still, die Stürme haben uns verlassen, die Wolken sind fortgezogen, man hört die Zeit verrinnen, die Sterne singend ihre Bahn ziehn. Nun kommen die Frusttage, wo es im Straßenkot

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/166>, abgerufen am 26.06.2024.