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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Glücksinseln und Träume

Platten lagen. Ich feste mich so, daß kein Vorübergehender mich sehen konnte,
während mir der Blick in den Westen offen war, wo eben die Sonne an einem
ganz reinen Horizont Abschied nahm. Nur mildes Gold färbte den Abendhimmel,
es war kein Sonnenuntergang mit Feuerwerk. Und so färbte sich nun auch das
blaue Gewölbe über mir weißlich, und die Wälder und die Felder wurden lang¬
sam blässer und dann schattenhaft und dunkler, ohne daß es doch eigentlich ge¬
dämmert hätte. Es war fast mehr Sonnenaufgangs- als Sonnenuntergcmgs-
stimmung, wie sie eben an schönen Herbstabenden manchmal zu erscheinen pflegt.

Ich wüßte heute nicht zu sagen, was daran mit der Stimmung in meinem
Innern harmonierte. Den heißen Augen und Wangen mag die stille Abendluft
Wohl getan haben, die allmählich kühler wurde, und daß die Nacht so zögerno
kam, mag als Hinausdehnen dieses Tages gefühlt worden sein; denn der morgen
kommende war ja der erste in der Fremde.


2

Der erste Abend in einem fremden Hanse gehört für ein junges Gemüt zu
den geheimnisreichsten Erlebnissen. Was mag alles in diesem Dunkel liegen, das
zuerst aus Büschen und Baumkronen herüberschaut, dann ins Haus kommt, immer
dichter durch Gänge und Türen zieht und durch die offnen Fenster in breiten
Massen aus dem frühen Herbstabend hereinfließt? Wenn dieses junge Gemüt
wund ist, gibt es nichts Lindernderes als den Schleier, in den sich Abends die
fremde Welt hüllt, denn er legt eine Wand um das Gemüt; die Fremde bleibt
draußen, sie berührt mich nicht mehr, sie läßt mich endlich, endlich allein mit mir.
Wie kühlt das die Augen, so weit offen in ein Dunkel zu schauen, wie schwinden
die Entfernungen, die mich von den Lieben trennen, wenn alles das Nächste und
Nahe hinuntergesunken ist, das sich sonst zwischen uns drängt!

Heimweh! Wer dich nicht kennt, wie vermöchte der die Tiefe der Schmerzen
zu erfassen, die du bringst? Unmöglich kann er sich eine Vorstellung von dir
machen, so wenig, wie sich jemand die Liebe "einbilden" kann, der sie nicht er¬
lebt hat. Heute, wo lange, lange mein Heimweh hinter mir liegt, unter soviel
andern Lebenserfahrungen fast begraben, freue ich mich, auch dieses Leiden durch¬
gemacht zu haben. Wohl ist diese Freude keine stolze Freude, denn, um offen zu
sein, besiegt habe ich das Heimweh nicht, es verließ mich einfach eines Tages, als
es meine Seele wie ein Vampir ausgesogen hatte; aber dieser Tag leuchtet wie
ein ewiger Sonnenaufgang in mein Leben, und das frohe Licht seiner Erinnerung
wird mir nie verblassen.

Ich bin niemals tränenreich gewesen, aber weiß der Himmel, wie es kam,
ich hatte damals trocknen Auges beständig das Gefühl zu weinen, doch ging dieses
Weinen nach innen, und mein ganzes Wesen wurde vertraut. Mein Auge blickte
trüb, die Welt lag so sonderbar bläulich, so einförmig und einfarbig vor mir, sie
war mir so gleichgiltig, ich kam mir wie in Wasser gesetzt vor. Wenn ich sprechen
sollte, legte sich mir ein eiserner Ring in die Kehle. Ich konnte jedoch handeln,
und da mich mein junger Beruf dazu zwang, wurde ich glücklicherweise jeden
Augenblick inne, daß ich noch ein Mensch von Fleisch und Bein, kein tränendnrch-
feuchtetes Gespenst sei. Ich richtete nun mein Leben so ein, daß es von Morgen
bis Abend in demselben Rahmen und denselben Zeitabschnitten dahinfloß wie das
metner Lieben in der Heimat. So weit es möglich war, begleitete ich sie im
Geist zu allen Genüssen und Arbeiten des täglichen Lebens, stand mit ihnen auf
und setzte mich mit ihnen zu Tische, weilte in ihren Zimmern und wandelte in
ihrem Garten. Ich begann nichts, ohne sie im Geist zu fragen, und vollendete
nichts, ohne es ihnen in Gedanken vorzustellen und mich ihres Urteils zu freuen.
Wenn etwas von Westen herüberhallte, klang es mir wie ein Gruß, ich horchte
den ganzen Tag in ihrer Richtung hinaus und ließ Gedanken über Gedanken in
Am Abendhimmel steigen. Dabei machte ich eine sonderbare Erfahrung. Ich hatte


Glücksinseln und Träume

Platten lagen. Ich feste mich so, daß kein Vorübergehender mich sehen konnte,
während mir der Blick in den Westen offen war, wo eben die Sonne an einem
ganz reinen Horizont Abschied nahm. Nur mildes Gold färbte den Abendhimmel,
es war kein Sonnenuntergang mit Feuerwerk. Und so färbte sich nun auch das
blaue Gewölbe über mir weißlich, und die Wälder und die Felder wurden lang¬
sam blässer und dann schattenhaft und dunkler, ohne daß es doch eigentlich ge¬
dämmert hätte. Es war fast mehr Sonnenaufgangs- als Sonnenuntergcmgs-
stimmung, wie sie eben an schönen Herbstabenden manchmal zu erscheinen pflegt.

Ich wüßte heute nicht zu sagen, was daran mit der Stimmung in meinem
Innern harmonierte. Den heißen Augen und Wangen mag die stille Abendluft
Wohl getan haben, die allmählich kühler wurde, und daß die Nacht so zögerno
kam, mag als Hinausdehnen dieses Tages gefühlt worden sein; denn der morgen
kommende war ja der erste in der Fremde.


2

Der erste Abend in einem fremden Hanse gehört für ein junges Gemüt zu
den geheimnisreichsten Erlebnissen. Was mag alles in diesem Dunkel liegen, das
zuerst aus Büschen und Baumkronen herüberschaut, dann ins Haus kommt, immer
dichter durch Gänge und Türen zieht und durch die offnen Fenster in breiten
Massen aus dem frühen Herbstabend hereinfließt? Wenn dieses junge Gemüt
wund ist, gibt es nichts Lindernderes als den Schleier, in den sich Abends die
fremde Welt hüllt, denn er legt eine Wand um das Gemüt; die Fremde bleibt
draußen, sie berührt mich nicht mehr, sie läßt mich endlich, endlich allein mit mir.
Wie kühlt das die Augen, so weit offen in ein Dunkel zu schauen, wie schwinden
die Entfernungen, die mich von den Lieben trennen, wenn alles das Nächste und
Nahe hinuntergesunken ist, das sich sonst zwischen uns drängt!

Heimweh! Wer dich nicht kennt, wie vermöchte der die Tiefe der Schmerzen
zu erfassen, die du bringst? Unmöglich kann er sich eine Vorstellung von dir
machen, so wenig, wie sich jemand die Liebe „einbilden" kann, der sie nicht er¬
lebt hat. Heute, wo lange, lange mein Heimweh hinter mir liegt, unter soviel
andern Lebenserfahrungen fast begraben, freue ich mich, auch dieses Leiden durch¬
gemacht zu haben. Wohl ist diese Freude keine stolze Freude, denn, um offen zu
sein, besiegt habe ich das Heimweh nicht, es verließ mich einfach eines Tages, als
es meine Seele wie ein Vampir ausgesogen hatte; aber dieser Tag leuchtet wie
ein ewiger Sonnenaufgang in mein Leben, und das frohe Licht seiner Erinnerung
wird mir nie verblassen.

Ich bin niemals tränenreich gewesen, aber weiß der Himmel, wie es kam,
ich hatte damals trocknen Auges beständig das Gefühl zu weinen, doch ging dieses
Weinen nach innen, und mein ganzes Wesen wurde vertraut. Mein Auge blickte
trüb, die Welt lag so sonderbar bläulich, so einförmig und einfarbig vor mir, sie
war mir so gleichgiltig, ich kam mir wie in Wasser gesetzt vor. Wenn ich sprechen
sollte, legte sich mir ein eiserner Ring in die Kehle. Ich konnte jedoch handeln,
und da mich mein junger Beruf dazu zwang, wurde ich glücklicherweise jeden
Augenblick inne, daß ich noch ein Mensch von Fleisch und Bein, kein tränendnrch-
feuchtetes Gespenst sei. Ich richtete nun mein Leben so ein, daß es von Morgen
bis Abend in demselben Rahmen und denselben Zeitabschnitten dahinfloß wie das
metner Lieben in der Heimat. So weit es möglich war, begleitete ich sie im
Geist zu allen Genüssen und Arbeiten des täglichen Lebens, stand mit ihnen auf
und setzte mich mit ihnen zu Tische, weilte in ihren Zimmern und wandelte in
ihrem Garten. Ich begann nichts, ohne sie im Geist zu fragen, und vollendete
nichts, ohne es ihnen in Gedanken vorzustellen und mich ihres Urteils zu freuen.
Wenn etwas von Westen herüberhallte, klang es mir wie ein Gruß, ich horchte
den ganzen Tag in ihrer Richtung hinaus und ließ Gedanken über Gedanken in
Am Abendhimmel steigen. Dabei machte ich eine sonderbare Erfahrung. Ich hatte


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[0162] Glücksinseln und Träume Platten lagen. Ich feste mich so, daß kein Vorübergehender mich sehen konnte, während mir der Blick in den Westen offen war, wo eben die Sonne an einem ganz reinen Horizont Abschied nahm. Nur mildes Gold färbte den Abendhimmel, es war kein Sonnenuntergang mit Feuerwerk. Und so färbte sich nun auch das blaue Gewölbe über mir weißlich, und die Wälder und die Felder wurden lang¬ sam blässer und dann schattenhaft und dunkler, ohne daß es doch eigentlich ge¬ dämmert hätte. Es war fast mehr Sonnenaufgangs- als Sonnenuntergcmgs- stimmung, wie sie eben an schönen Herbstabenden manchmal zu erscheinen pflegt. Ich wüßte heute nicht zu sagen, was daran mit der Stimmung in meinem Innern harmonierte. Den heißen Augen und Wangen mag die stille Abendluft Wohl getan haben, die allmählich kühler wurde, und daß die Nacht so zögerno kam, mag als Hinausdehnen dieses Tages gefühlt worden sein; denn der morgen kommende war ja der erste in der Fremde. 2 Der erste Abend in einem fremden Hanse gehört für ein junges Gemüt zu den geheimnisreichsten Erlebnissen. Was mag alles in diesem Dunkel liegen, das zuerst aus Büschen und Baumkronen herüberschaut, dann ins Haus kommt, immer dichter durch Gänge und Türen zieht und durch die offnen Fenster in breiten Massen aus dem frühen Herbstabend hereinfließt? Wenn dieses junge Gemüt wund ist, gibt es nichts Lindernderes als den Schleier, in den sich Abends die fremde Welt hüllt, denn er legt eine Wand um das Gemüt; die Fremde bleibt draußen, sie berührt mich nicht mehr, sie läßt mich endlich, endlich allein mit mir. Wie kühlt das die Augen, so weit offen in ein Dunkel zu schauen, wie schwinden die Entfernungen, die mich von den Lieben trennen, wenn alles das Nächste und Nahe hinuntergesunken ist, das sich sonst zwischen uns drängt! Heimweh! Wer dich nicht kennt, wie vermöchte der die Tiefe der Schmerzen zu erfassen, die du bringst? Unmöglich kann er sich eine Vorstellung von dir machen, so wenig, wie sich jemand die Liebe „einbilden" kann, der sie nicht er¬ lebt hat. Heute, wo lange, lange mein Heimweh hinter mir liegt, unter soviel andern Lebenserfahrungen fast begraben, freue ich mich, auch dieses Leiden durch¬ gemacht zu haben. Wohl ist diese Freude keine stolze Freude, denn, um offen zu sein, besiegt habe ich das Heimweh nicht, es verließ mich einfach eines Tages, als es meine Seele wie ein Vampir ausgesogen hatte; aber dieser Tag leuchtet wie ein ewiger Sonnenaufgang in mein Leben, und das frohe Licht seiner Erinnerung wird mir nie verblassen. Ich bin niemals tränenreich gewesen, aber weiß der Himmel, wie es kam, ich hatte damals trocknen Auges beständig das Gefühl zu weinen, doch ging dieses Weinen nach innen, und mein ganzes Wesen wurde vertraut. Mein Auge blickte trüb, die Welt lag so sonderbar bläulich, so einförmig und einfarbig vor mir, sie war mir so gleichgiltig, ich kam mir wie in Wasser gesetzt vor. Wenn ich sprechen sollte, legte sich mir ein eiserner Ring in die Kehle. Ich konnte jedoch handeln, und da mich mein junger Beruf dazu zwang, wurde ich glücklicherweise jeden Augenblick inne, daß ich noch ein Mensch von Fleisch und Bein, kein tränendnrch- feuchtetes Gespenst sei. Ich richtete nun mein Leben so ein, daß es von Morgen bis Abend in demselben Rahmen und denselben Zeitabschnitten dahinfloß wie das metner Lieben in der Heimat. So weit es möglich war, begleitete ich sie im Geist zu allen Genüssen und Arbeiten des täglichen Lebens, stand mit ihnen auf und setzte mich mit ihnen zu Tische, weilte in ihren Zimmern und wandelte in ihrem Garten. Ich begann nichts, ohne sie im Geist zu fragen, und vollendete nichts, ohne es ihnen in Gedanken vorzustellen und mich ihres Urteils zu freuen. Wenn etwas von Westen herüberhallte, klang es mir wie ein Gruß, ich horchte den ganzen Tag in ihrer Richtung hinaus und ließ Gedanken über Gedanken in Am Abendhimmel steigen. Dabei machte ich eine sonderbare Erfahrung. Ich hatte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/162>, abgerufen am 26.06.2024.