Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Die christliche Mystik und die Religion der Zukunft (Fortsetzung) ckhart oder Eckehart aus dem ritterlichen Geschlecht der Hochheim bei Immer und überall stellt Eckhart als das Ziel des Menschenlebens die Die christliche Mystik und die Religion der Zukunft (Fortsetzung) ckhart oder Eckehart aus dem ritterlichen Geschlecht der Hochheim bei Immer und überall stellt Eckhart als das Ziel des Menschenlebens die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0514" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294931"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341879_294416/figures/grenzboten_341879_294416_294931_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die christliche Mystik und die Religion der Zukunft<lb/> (Fortsetzung) </head><lb/> <p xml:id="ID_2274"> ckhart oder Eckehart aus dem ritterlichen Geschlecht der Hochheim bei<lb/> Gotha trat in das Dominikanerkloster zu Erfurt ein, wurde dessen<lb/> Prior, später Prvviuzial der sächsischen Ordensprovinz, erlangte<lb/> in Paris den Magistergrad, lehrte die Theologie zu Paris,<lb/> Straßlmrg und Köln und war als Ordensoberer, als Gelehrter<lb/> und als Prediger hoch angesehen. Die Aufregung, die seine Predigten im Volke<lb/> hervorriefen, und das Wachstum der Begardeusekte, das man damit in Ver¬<lb/> bindung brachte, veranlaßten eine Agitation der Pfarrgeistlichkeit und der Franzis¬<lb/> kaner gegen ihn, die zu einer Anklage vor dem Jnquisitionsgericht führte. Eckehart<lb/> gab am 13. Februar 1327 in der Dominikanerkirche zu Köln eine Erklärung<lb/> ab, die, nach Büttner mit Unrecht, als ein Widerruf gedeutet worden ist. Zwei<lb/> Jahre darauf starb er, ungefähr siebzig Jahre alt (das Geburtsjahr ist nicht<lb/> genau zu ermitteln). Nach seinem Tode erschien eine päpstliche Bulle, worin<lb/> von achtundzwanzig aus seinen Schriften (er hat lateinische Werke verfaßt;<lb/> seine deutschen Predigten sind durch Nachschriften der Zuhörer erhalten worden)<lb/> aufgezognen Sätzen siebzehn als häretisch, die übrigen als übelklingend, ver¬<lb/> wegen und der Häresie verdächtig verurteilt werden. Da fast in jedem länger»<lb/> Abschnitt seiner Predigten alle seine Grundanschauungen ineinander spielen, ist<lb/> es schwierig, eine Stellensammlnng nach den einzelnen Lehren einzuteilen und<lb/> die verschiednen Gruppen streng voneinander zu scheiden. Wir gruppieren die<lb/> aus Büttner ausgewählten Sätze nur ganz oberflächlich, indem wir zuerst die<lb/> hauptsächlich die Seele, dann die Gott betreffenden, dann die sich auf das äußer¬<lb/> liche Leben der Christen beziehenden bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2275" next="#ID_2276"> Immer und überall stellt Eckhart als das Ziel des Menschenlebens die<lb/> Vereinigung mit Gott hin. „So eins wird die Seele mit Gott, daß die Gnade<lb/> sie beengt; sie ist nicht zufrieden mit der Gnade, weil die etwas Kreatürliches<lb/> ist. Es wird die Seele so wunderlich bezaubert, sie weiß nicht, daß sie ist,<lb/> sie wähnt, sie sei Gott; doch, wie weit sie auch aus sich komme, doch besteht<lb/> sie weiter als Kreatur.... Wenn ein Mensch ein Bild in sich aufnimmt, das<lb/> muß notgedrungen von außen, durch die Sinne einkommen. Darum ist der<lb/> Seele kein Ding so unbekannt wie sie sich selber .... Von keinem Dinge weiß<lb/> sie so wenig wie von sich selber, dieses Vermittelnden wegen ppen alles Wissen<lb/> durch Bilder, durch Vorstellungen vermittelt wirdj. Inwendig ist sie frei nud<lb/> ledig von allen Vermittlungen und allen Bildern, und das ist auch der Grund,<lb/> warum sich Gott ohne weiteres mit ihr vereine» kann, ohne Bild oder Gleich¬<lb/> nis." Als den Mittelpunkt der mystischen Theologie Eckharts kann man die<lb/> Geburt des Sohnes Gottes in der Seele bezeichnen. „Wie gebiert Gottvater</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0514]
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Die christliche Mystik und die Religion der Zukunft
(Fortsetzung)
ckhart oder Eckehart aus dem ritterlichen Geschlecht der Hochheim bei
Gotha trat in das Dominikanerkloster zu Erfurt ein, wurde dessen
Prior, später Prvviuzial der sächsischen Ordensprovinz, erlangte
in Paris den Magistergrad, lehrte die Theologie zu Paris,
Straßlmrg und Köln und war als Ordensoberer, als Gelehrter
und als Prediger hoch angesehen. Die Aufregung, die seine Predigten im Volke
hervorriefen, und das Wachstum der Begardeusekte, das man damit in Ver¬
bindung brachte, veranlaßten eine Agitation der Pfarrgeistlichkeit und der Franzis¬
kaner gegen ihn, die zu einer Anklage vor dem Jnquisitionsgericht führte. Eckehart
gab am 13. Februar 1327 in der Dominikanerkirche zu Köln eine Erklärung
ab, die, nach Büttner mit Unrecht, als ein Widerruf gedeutet worden ist. Zwei
Jahre darauf starb er, ungefähr siebzig Jahre alt (das Geburtsjahr ist nicht
genau zu ermitteln). Nach seinem Tode erschien eine päpstliche Bulle, worin
von achtundzwanzig aus seinen Schriften (er hat lateinische Werke verfaßt;
seine deutschen Predigten sind durch Nachschriften der Zuhörer erhalten worden)
aufgezognen Sätzen siebzehn als häretisch, die übrigen als übelklingend, ver¬
wegen und der Häresie verdächtig verurteilt werden. Da fast in jedem länger»
Abschnitt seiner Predigten alle seine Grundanschauungen ineinander spielen, ist
es schwierig, eine Stellensammlnng nach den einzelnen Lehren einzuteilen und
die verschiednen Gruppen streng voneinander zu scheiden. Wir gruppieren die
aus Büttner ausgewählten Sätze nur ganz oberflächlich, indem wir zuerst die
hauptsächlich die Seele, dann die Gott betreffenden, dann die sich auf das äußer¬
liche Leben der Christen beziehenden bringen.
Immer und überall stellt Eckhart als das Ziel des Menschenlebens die
Vereinigung mit Gott hin. „So eins wird die Seele mit Gott, daß die Gnade
sie beengt; sie ist nicht zufrieden mit der Gnade, weil die etwas Kreatürliches
ist. Es wird die Seele so wunderlich bezaubert, sie weiß nicht, daß sie ist,
sie wähnt, sie sei Gott; doch, wie weit sie auch aus sich komme, doch besteht
sie weiter als Kreatur.... Wenn ein Mensch ein Bild in sich aufnimmt, das
muß notgedrungen von außen, durch die Sinne einkommen. Darum ist der
Seele kein Ding so unbekannt wie sie sich selber .... Von keinem Dinge weiß
sie so wenig wie von sich selber, dieses Vermittelnden wegen ppen alles Wissen
durch Bilder, durch Vorstellungen vermittelt wirdj. Inwendig ist sie frei nud
ledig von allen Vermittlungen und allen Bildern, und das ist auch der Grund,
warum sich Gott ohne weiteres mit ihr vereine» kann, ohne Bild oder Gleich¬
nis." Als den Mittelpunkt der mystischen Theologie Eckharts kann man die
Geburt des Sohnes Gottes in der Seele bezeichnen. „Wie gebiert Gottvater
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