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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Die ersten Vorboten des Krieges 1,370

rühmte Naleigh an Lord Burleigh, den großen Kanzler der Königin Elisabeth:
"Die Ncufundlandfischerei ist die Hauptstütze der westlichen Grafschaften. Wenn
der Fischerflotte dort ein Unfall passieren sollte, so wäre dies das größte
Unglück, das England befallen könnte." Setzt man anstatt westliche Grafschaften
Kanada, so mag der Ausspruch auch noch für das heutige England Geltung
Walther, Fregatten-Kapitän z. D. haben.




Die ersten Vorboten des Krieges ^870
Karl v. Bruchhäuser, Major a. D. von

?/>in Grunde genommen beginnt die Vorgeschichte des deutsch-fran¬
zösischen Krieges mit dem 5. Juli 1866, dem Tage, wo der
erste französische Vermittlungsantrag im preußischen Großen Haupt¬
quartier zu Nikolsburg einlief; oder eigentlich schon zwei Tage
I früher, mit der Schlacht bei Königgrätz. Diesseits wie jenseits
der Vogesen flammte blitzartig die Erkenntnis auf, daß es nun auch zu einer
ernsten Auseinandersetzung zwischen dem kaiserlichen Frankreich und dem sieg¬
gestärkten Preußen kommen werde. Wie man in dem noch nicht abgeschlossenen
französischen Generalstabswcrk lesen kann, schrieb General Ducrot unmittelbar
nach dem Eintreffen der Nachricht von dein preußischen Siege: "Wenn wir die
Stellung, die uns in Europa gebührt, wieder einnehmen wollen, muß ein
fürchterlicher Kampf mit dem von ganz Deutschland und vielleicht auch von
Österreich unterstützten Preußen durchgekämpft werden. Das wird eine schwere
Aufgabe sein; um sie zu lösen, muß man von langer Hand ein starkes Heer
vorbereiten." Immerhin spricht sich in den letzten Worten eine vernünftigere Auf¬
fassung aus, als sie der sofort auftauchende Ruf: L-svanolis xour 8g.äovg,! verriet.

Auf preußischer Seite äußerte sich die Stimmung selbstverständlich weniger
lärmend, ganz und gar nicht übermütig. Wie man an leitender Stelle und im
Heere gleich uach Königgrätz über einen Krieg mit Frankreich dachte, darüber
-- wie über die Vorgeschichte des Krieges 1866 -- gibt ein soeben erschienenes,
von dem Verfasser dieser Zeilen übersetztes Buch: General Govone, die
italienisch-preußischen Beziehungen und die Schlacht bei Cnstoza
18 66*) mancherlei interessante Auskunft.

Der italienische General Govone war schon im Frühjahr 1866 zur Teil¬
nahme an den Bündnisverhandlungen beinahe drei Monate in Berlin gewesen
und erschien am 20. Juli wieder im Großen Hauptquartier zu Nikolsburg, um
womöglich einen Aufschub des zwischen Preußen und Österreich angebahnten
Waffenstillstandes zu erlangen. Seine Mission blieb vergeblich, aber der scharf
beobachtende, damals erst vierzigjährige General (er starb mit 46 Jahren) fühlte
den weltgeschichtlichen Begebenheiten gleichsam an den Puls; er sah mancherlei
bemerkenswerte Dinge und zeichnete sie, was besonders wichtig erscheint, jedcs-



Herausgegeben von seinem Sohn U. Govone. Berlin, Vossische Buchhandlung.
Die ersten Vorboten des Krieges 1,370

rühmte Naleigh an Lord Burleigh, den großen Kanzler der Königin Elisabeth:
„Die Ncufundlandfischerei ist die Hauptstütze der westlichen Grafschaften. Wenn
der Fischerflotte dort ein Unfall passieren sollte, so wäre dies das größte
Unglück, das England befallen könnte." Setzt man anstatt westliche Grafschaften
Kanada, so mag der Ausspruch auch noch für das heutige England Geltung
Walther, Fregatten-Kapitän z. D. haben.




Die ersten Vorboten des Krieges ^870
Karl v. Bruchhäuser, Major a. D. von

?/>in Grunde genommen beginnt die Vorgeschichte des deutsch-fran¬
zösischen Krieges mit dem 5. Juli 1866, dem Tage, wo der
erste französische Vermittlungsantrag im preußischen Großen Haupt¬
quartier zu Nikolsburg einlief; oder eigentlich schon zwei Tage
I früher, mit der Schlacht bei Königgrätz. Diesseits wie jenseits
der Vogesen flammte blitzartig die Erkenntnis auf, daß es nun auch zu einer
ernsten Auseinandersetzung zwischen dem kaiserlichen Frankreich und dem sieg¬
gestärkten Preußen kommen werde. Wie man in dem noch nicht abgeschlossenen
französischen Generalstabswcrk lesen kann, schrieb General Ducrot unmittelbar
nach dem Eintreffen der Nachricht von dein preußischen Siege: „Wenn wir die
Stellung, die uns in Europa gebührt, wieder einnehmen wollen, muß ein
fürchterlicher Kampf mit dem von ganz Deutschland und vielleicht auch von
Österreich unterstützten Preußen durchgekämpft werden. Das wird eine schwere
Aufgabe sein; um sie zu lösen, muß man von langer Hand ein starkes Heer
vorbereiten." Immerhin spricht sich in den letzten Worten eine vernünftigere Auf¬
fassung aus, als sie der sofort auftauchende Ruf: L-svanolis xour 8g.äovg,! verriet.

Auf preußischer Seite äußerte sich die Stimmung selbstverständlich weniger
lärmend, ganz und gar nicht übermütig. Wie man an leitender Stelle und im
Heere gleich uach Königgrätz über einen Krieg mit Frankreich dachte, darüber
— wie über die Vorgeschichte des Krieges 1866 — gibt ein soeben erschienenes,
von dem Verfasser dieser Zeilen übersetztes Buch: General Govone, die
italienisch-preußischen Beziehungen und die Schlacht bei Cnstoza
18 66*) mancherlei interessante Auskunft.

Der italienische General Govone war schon im Frühjahr 1866 zur Teil¬
nahme an den Bündnisverhandlungen beinahe drei Monate in Berlin gewesen
und erschien am 20. Juli wieder im Großen Hauptquartier zu Nikolsburg, um
womöglich einen Aufschub des zwischen Preußen und Österreich angebahnten
Waffenstillstandes zu erlangen. Seine Mission blieb vergeblich, aber der scharf
beobachtende, damals erst vierzigjährige General (er starb mit 46 Jahren) fühlte
den weltgeschichtlichen Begebenheiten gleichsam an den Puls; er sah mancherlei
bemerkenswerte Dinge und zeichnete sie, was besonders wichtig erscheint, jedcs-



Herausgegeben von seinem Sohn U. Govone. Berlin, Vossische Buchhandlung.
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[0747] Die ersten Vorboten des Krieges 1,370 rühmte Naleigh an Lord Burleigh, den großen Kanzler der Königin Elisabeth: „Die Ncufundlandfischerei ist die Hauptstütze der westlichen Grafschaften. Wenn der Fischerflotte dort ein Unfall passieren sollte, so wäre dies das größte Unglück, das England befallen könnte." Setzt man anstatt westliche Grafschaften Kanada, so mag der Ausspruch auch noch für das heutige England Geltung Walther, Fregatten-Kapitän z. D. haben. Die ersten Vorboten des Krieges ^870 Karl v. Bruchhäuser, Major a. D. von ?/>in Grunde genommen beginnt die Vorgeschichte des deutsch-fran¬ zösischen Krieges mit dem 5. Juli 1866, dem Tage, wo der erste französische Vermittlungsantrag im preußischen Großen Haupt¬ quartier zu Nikolsburg einlief; oder eigentlich schon zwei Tage I früher, mit der Schlacht bei Königgrätz. Diesseits wie jenseits der Vogesen flammte blitzartig die Erkenntnis auf, daß es nun auch zu einer ernsten Auseinandersetzung zwischen dem kaiserlichen Frankreich und dem sieg¬ gestärkten Preußen kommen werde. Wie man in dem noch nicht abgeschlossenen französischen Generalstabswcrk lesen kann, schrieb General Ducrot unmittelbar nach dem Eintreffen der Nachricht von dein preußischen Siege: „Wenn wir die Stellung, die uns in Europa gebührt, wieder einnehmen wollen, muß ein fürchterlicher Kampf mit dem von ganz Deutschland und vielleicht auch von Österreich unterstützten Preußen durchgekämpft werden. Das wird eine schwere Aufgabe sein; um sie zu lösen, muß man von langer Hand ein starkes Heer vorbereiten." Immerhin spricht sich in den letzten Worten eine vernünftigere Auf¬ fassung aus, als sie der sofort auftauchende Ruf: L-svanolis xour 8g.äovg,! verriet. Auf preußischer Seite äußerte sich die Stimmung selbstverständlich weniger lärmend, ganz und gar nicht übermütig. Wie man an leitender Stelle und im Heere gleich uach Königgrätz über einen Krieg mit Frankreich dachte, darüber — wie über die Vorgeschichte des Krieges 1866 — gibt ein soeben erschienenes, von dem Verfasser dieser Zeilen übersetztes Buch: General Govone, die italienisch-preußischen Beziehungen und die Schlacht bei Cnstoza 18 66*) mancherlei interessante Auskunft. Der italienische General Govone war schon im Frühjahr 1866 zur Teil¬ nahme an den Bündnisverhandlungen beinahe drei Monate in Berlin gewesen und erschien am 20. Juli wieder im Großen Hauptquartier zu Nikolsburg, um womöglich einen Aufschub des zwischen Preußen und Österreich angebahnten Waffenstillstandes zu erlangen. Seine Mission blieb vergeblich, aber der scharf beobachtende, damals erst vierzigjährige General (er starb mit 46 Jahren) fühlte den weltgeschichtlichen Begebenheiten gleichsam an den Puls; er sah mancherlei bemerkenswerte Dinge und zeichnete sie, was besonders wichtig erscheint, jedcs- Herausgegeben von seinem Sohn U. Govone. Berlin, Vossische Buchhandlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/747>, abgerufen am 28.06.2024.