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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Ernstlich wird von einem engern Zusammenschluß dieser Parteien freilich erst
dann die Rede sein können, wenn der Zankapfel der Kanalfrage ans der Welt ge¬
schafft sein wird. Sodann darf man nicht außer acht lassen, daß das Zentrum
heute eine wesentlich andre Stellung zu unseru großen nationalen Fragen einnimmt
als im Jahre 1887. Ein Zusammenschluß der alten Kartellparteien würde deshalb,
sobald er über eine Verständigung von Fall zu Fall hinausgehn soll, so eingerichtet
werden müssen, daß er das Zentrum nicht abstößt, sondern daß diesem namentlich
der Sozialdemokratie gegenüber der Zutritt offen und möglich bleibt. Das allein
genügt aber nicht, in allen großen Fragen der Gesetzgebung können die genannten
Parteien ohne das Zentrum nichts entscheiden. Wir müssen also endlich dahin
gelangen, daß das Zentrum, wenngleich es in konfessionellen Fragen seine eignen
Wege geht, in allen andern eine große nationale Mehrheit bilden hilft. Im prin¬
zipiellen Gegensatz zum Zentrum wird das freilich nie erreicht werden, von beiden
Seiten wird ein gut Stück der bisherigen Gegnerschaft, auch in der Presse, auf¬
gegeben werden müssen. Es ist aber für Deutschland nicht mir notwendig, sondern
auch möglich, daß auf der Basis des in nvcssMriis uniws, in cluoiis liborws! die
Parteien sich zusammenfinden, getrennt marschieren und vereint schlagen, die an der
Erhaltung des Staates und seiner Grundlagen, seiner äußern Macht und seines
innern Friedens schließlich doch ein gemeinsames und zwingendes Interesse haben.


Der Kanzler.

Als ob es im lieben Deutschland an politischem Zündstoff
oder an Sensalionsmaterinl für die geehrten Zeitungsleser fehlte -- brechen einige
Blatter auch noch eine "Kauzlerfrage" vom Zaun, und zwar seltsamerweise solche
Blätter, Organe solcher Parteien, die an einem Kanzlerwechsel nicht das aller¬
geringste Interesse haben können. Die Kölnische Volkszeitung wird schwerlich in
dem Glauben leben, daß ein jetzt für den Grafen Blllow eintretender Nachfolger
dem Zentrum Konzessionen machen würde, die Graf Bülow versagt oder nicht zu
erreichen vermocht hat, und liberale Blätter vom Schlage des Leipziger Tageblattes
bescheinigen ihm, daß er "nur noch pro koring. vor der Bresche stehe," wenn es
auch "Tag und Stunde" noch nicht angeben kann, wo Graf Bülow in der
Versenkung auf der Leipziger Johannisgassc verschwinden und einem Vertrauens¬
mann des nationalliberalen Organs Platz gemacht haben wird. Der Aus¬
gangspunkt der Betrachtung des Leipziger Tageblattes ist die Behauptung, daß
das Abgeordnetenhaus (doch wohl das preußische? d. R.) sehnsüchtig nach ihm
ausgeschaut habe. "Aber Graf Bülow erschien nicht; er nahm Glückwünsche ent¬
gegen, natürlich (!) Glückwünsche zu seinem Geburtstage, nicht z" seiner Politik."
Der arme Reichskanzler! Nicht einmal Geburtstag darf er haben, und wenn er
ihn hat, soll er keine Glückwünsche entgegennehmen, sondern im Abgeordnetenhause
Kanalreden halten. Dieser Artikel des Leipziger Tageblattes ist vom 12. Mai datiert;
Graf Bülows Geburtstag war neun Tage zuvor, am 3. dieses Monats. In diesen
neun Tagen hätte nnn wohl auch die Redaktion des Leipziger Tageblattes aus
irgend einer beliebigen Berliner Zeitung in Erfahrung bringen können, daß Graf
Bülow durch eine längere Konferenz auf dem Schlosse in Anspruch genommen war,
die vor dem Kaiser mit dem Chef des Generalstabs, dem Kriegsminister und dem
Kolonialdirektor stattfand, und der wahrscheinlich auch noch eine Besprechung der
betreffenden Herren vorangegangen ist. Zuvor hatte der Reichskanzler allerdings
den Gratulationsbesuch des Kaisers empfangen, der sich für den Abend auch zuo
Diner beim Grafen Bülow angesagt hatte. Es waren also drei Begegnungen mit
dem Kaiser an dem einen Tage, und da der Reichskanzler wohl auch noch einuze
dringende Geschäfte zu haben pflegt, von denen freilich die Außenwelt nur wenig
erfährt, so glauben wir, daß dieser Tag mich ohne Kanalrede für den Grafen
Bülow ausreichend besetzt war.¬

Außerdem aber dürfte kein ernsthafter Politiker eine Beteiligung des Minister
präsidenten an der Kanaldcbatte erwartet haben. Erstens hätte er kaum etwas zu


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Ernstlich wird von einem engern Zusammenschluß dieser Parteien freilich erst
dann die Rede sein können, wenn der Zankapfel der Kanalfrage ans der Welt ge¬
schafft sein wird. Sodann darf man nicht außer acht lassen, daß das Zentrum
heute eine wesentlich andre Stellung zu unseru großen nationalen Fragen einnimmt
als im Jahre 1887. Ein Zusammenschluß der alten Kartellparteien würde deshalb,
sobald er über eine Verständigung von Fall zu Fall hinausgehn soll, so eingerichtet
werden müssen, daß er das Zentrum nicht abstößt, sondern daß diesem namentlich
der Sozialdemokratie gegenüber der Zutritt offen und möglich bleibt. Das allein
genügt aber nicht, in allen großen Fragen der Gesetzgebung können die genannten
Parteien ohne das Zentrum nichts entscheiden. Wir müssen also endlich dahin
gelangen, daß das Zentrum, wenngleich es in konfessionellen Fragen seine eignen
Wege geht, in allen andern eine große nationale Mehrheit bilden hilft. Im prin¬
zipiellen Gegensatz zum Zentrum wird das freilich nie erreicht werden, von beiden
Seiten wird ein gut Stück der bisherigen Gegnerschaft, auch in der Presse, auf¬
gegeben werden müssen. Es ist aber für Deutschland nicht mir notwendig, sondern
auch möglich, daß auf der Basis des in nvcssMriis uniws, in cluoiis liborws! die
Parteien sich zusammenfinden, getrennt marschieren und vereint schlagen, die an der
Erhaltung des Staates und seiner Grundlagen, seiner äußern Macht und seines
innern Friedens schließlich doch ein gemeinsames und zwingendes Interesse haben.


Der Kanzler.

Als ob es im lieben Deutschland an politischem Zündstoff
oder an Sensalionsmaterinl für die geehrten Zeitungsleser fehlte — brechen einige
Blatter auch noch eine „Kauzlerfrage" vom Zaun, und zwar seltsamerweise solche
Blätter, Organe solcher Parteien, die an einem Kanzlerwechsel nicht das aller¬
geringste Interesse haben können. Die Kölnische Volkszeitung wird schwerlich in
dem Glauben leben, daß ein jetzt für den Grafen Blllow eintretender Nachfolger
dem Zentrum Konzessionen machen würde, die Graf Bülow versagt oder nicht zu
erreichen vermocht hat, und liberale Blätter vom Schlage des Leipziger Tageblattes
bescheinigen ihm, daß er „nur noch pro koring. vor der Bresche stehe," wenn es
auch „Tag und Stunde" noch nicht angeben kann, wo Graf Bülow in der
Versenkung auf der Leipziger Johannisgassc verschwinden und einem Vertrauens¬
mann des nationalliberalen Organs Platz gemacht haben wird. Der Aus¬
gangspunkt der Betrachtung des Leipziger Tageblattes ist die Behauptung, daß
das Abgeordnetenhaus (doch wohl das preußische? d. R.) sehnsüchtig nach ihm
ausgeschaut habe. „Aber Graf Bülow erschien nicht; er nahm Glückwünsche ent¬
gegen, natürlich (!) Glückwünsche zu seinem Geburtstage, nicht z» seiner Politik."
Der arme Reichskanzler! Nicht einmal Geburtstag darf er haben, und wenn er
ihn hat, soll er keine Glückwünsche entgegennehmen, sondern im Abgeordnetenhause
Kanalreden halten. Dieser Artikel des Leipziger Tageblattes ist vom 12. Mai datiert;
Graf Bülows Geburtstag war neun Tage zuvor, am 3. dieses Monats. In diesen
neun Tagen hätte nnn wohl auch die Redaktion des Leipziger Tageblattes aus
irgend einer beliebigen Berliner Zeitung in Erfahrung bringen können, daß Graf
Bülow durch eine längere Konferenz auf dem Schlosse in Anspruch genommen war,
die vor dem Kaiser mit dem Chef des Generalstabs, dem Kriegsminister und dem
Kolonialdirektor stattfand, und der wahrscheinlich auch noch eine Besprechung der
betreffenden Herren vorangegangen ist. Zuvor hatte der Reichskanzler allerdings
den Gratulationsbesuch des Kaisers empfangen, der sich für den Abend auch zuo
Diner beim Grafen Bülow angesagt hatte. Es waren also drei Begegnungen mit
dem Kaiser an dem einen Tage, und da der Reichskanzler wohl auch noch einuze
dringende Geschäfte zu haben pflegt, von denen freilich die Außenwelt nur wenig
erfährt, so glauben wir, daß dieser Tag mich ohne Kanalrede für den Grafen
Bülow ausreichend besetzt war.¬

Außerdem aber dürfte kein ernsthafter Politiker eine Beteiligung des Minister
präsidenten an der Kanaldcbatte erwartet haben. Erstens hätte er kaum etwas zu


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[0428] Maßgebliches und Unmaßgebliches Ernstlich wird von einem engern Zusammenschluß dieser Parteien freilich erst dann die Rede sein können, wenn der Zankapfel der Kanalfrage ans der Welt ge¬ schafft sein wird. Sodann darf man nicht außer acht lassen, daß das Zentrum heute eine wesentlich andre Stellung zu unseru großen nationalen Fragen einnimmt als im Jahre 1887. Ein Zusammenschluß der alten Kartellparteien würde deshalb, sobald er über eine Verständigung von Fall zu Fall hinausgehn soll, so eingerichtet werden müssen, daß er das Zentrum nicht abstößt, sondern daß diesem namentlich der Sozialdemokratie gegenüber der Zutritt offen und möglich bleibt. Das allein genügt aber nicht, in allen großen Fragen der Gesetzgebung können die genannten Parteien ohne das Zentrum nichts entscheiden. Wir müssen also endlich dahin gelangen, daß das Zentrum, wenngleich es in konfessionellen Fragen seine eignen Wege geht, in allen andern eine große nationale Mehrheit bilden hilft. Im prin¬ zipiellen Gegensatz zum Zentrum wird das freilich nie erreicht werden, von beiden Seiten wird ein gut Stück der bisherigen Gegnerschaft, auch in der Presse, auf¬ gegeben werden müssen. Es ist aber für Deutschland nicht mir notwendig, sondern auch möglich, daß auf der Basis des in nvcssMriis uniws, in cluoiis liborws! die Parteien sich zusammenfinden, getrennt marschieren und vereint schlagen, die an der Erhaltung des Staates und seiner Grundlagen, seiner äußern Macht und seines innern Friedens schließlich doch ein gemeinsames und zwingendes Interesse haben. Der Kanzler. Als ob es im lieben Deutschland an politischem Zündstoff oder an Sensalionsmaterinl für die geehrten Zeitungsleser fehlte — brechen einige Blatter auch noch eine „Kauzlerfrage" vom Zaun, und zwar seltsamerweise solche Blätter, Organe solcher Parteien, die an einem Kanzlerwechsel nicht das aller¬ geringste Interesse haben können. Die Kölnische Volkszeitung wird schwerlich in dem Glauben leben, daß ein jetzt für den Grafen Blllow eintretender Nachfolger dem Zentrum Konzessionen machen würde, die Graf Bülow versagt oder nicht zu erreichen vermocht hat, und liberale Blätter vom Schlage des Leipziger Tageblattes bescheinigen ihm, daß er „nur noch pro koring. vor der Bresche stehe," wenn es auch „Tag und Stunde" noch nicht angeben kann, wo Graf Bülow in der Versenkung auf der Leipziger Johannisgassc verschwinden und einem Vertrauens¬ mann des nationalliberalen Organs Platz gemacht haben wird. Der Aus¬ gangspunkt der Betrachtung des Leipziger Tageblattes ist die Behauptung, daß das Abgeordnetenhaus (doch wohl das preußische? d. R.) sehnsüchtig nach ihm ausgeschaut habe. „Aber Graf Bülow erschien nicht; er nahm Glückwünsche ent¬ gegen, natürlich (!) Glückwünsche zu seinem Geburtstage, nicht z» seiner Politik." Der arme Reichskanzler! Nicht einmal Geburtstag darf er haben, und wenn er ihn hat, soll er keine Glückwünsche entgegennehmen, sondern im Abgeordnetenhause Kanalreden halten. Dieser Artikel des Leipziger Tageblattes ist vom 12. Mai datiert; Graf Bülows Geburtstag war neun Tage zuvor, am 3. dieses Monats. In diesen neun Tagen hätte nnn wohl auch die Redaktion des Leipziger Tageblattes aus irgend einer beliebigen Berliner Zeitung in Erfahrung bringen können, daß Graf Bülow durch eine längere Konferenz auf dem Schlosse in Anspruch genommen war, die vor dem Kaiser mit dem Chef des Generalstabs, dem Kriegsminister und dem Kolonialdirektor stattfand, und der wahrscheinlich auch noch eine Besprechung der betreffenden Herren vorangegangen ist. Zuvor hatte der Reichskanzler allerdings den Gratulationsbesuch des Kaisers empfangen, der sich für den Abend auch zuo Diner beim Grafen Bülow angesagt hatte. Es waren also drei Begegnungen mit dem Kaiser an dem einen Tage, und da der Reichskanzler wohl auch noch einuze dringende Geschäfte zu haben pflegt, von denen freilich die Außenwelt nur wenig erfährt, so glauben wir, daß dieser Tag mich ohne Kanalrede für den Grafen Bülow ausreichend besetzt war.¬ Außerdem aber dürfte kein ernsthafter Politiker eine Beteiligung des Minister präsidenten an der Kanaldcbatte erwartet haben. Erstens hätte er kaum etwas zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/428>, abgerufen am 28.06.2024.