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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sagen gehabt, was er nicht schon vor dem Lande öffentlich und vielen Abgeordneten
auch privatim wiederholt ausgesprochen hatte, zweitens würde er durch seine Be¬
teiligung die Debatte sofort auf das hochpolitische Gebiet verschoben haben. Die
Ansicht der preußischen Negierung ist aber bekanntlich, daß die Kanalfrage nicht
von dem politischen, sondern ausschließlich von dem wirtschaftlichen Standpunkt aus
behandelt und entschieden werden soll; demgemäß mußte die Vertretung der Vor¬
lage zunächst ausschließlich durch die zuständigen Ressortminister erfolgen. Die Be¬
teiligung des Reichskanzlers vollzieht sich viel sicherer ans dem Wege der persön¬
lichen, nicht der öffentlichen Verhandlung mit den einzelnen Parteien. Wohl ans
diesem Grunde hat Graf Bülow es auch vermieden, im Herrenhause die Kanal¬
frage zu berühren, die ihm im andern Falle recht nahe gelegen haben würde.

Wer diese Rede des Ministerpräsidenten und Reichskanzlers recht aufmerksam
ansieht, wird finden, daß sie den hippokratischen Zug eines zum Verschwinden be¬
reiten Mannes durchaus nicht trägt, wohl aber den eines Ministers, der sich der
schweren Bürde und der schweren Verantwortlichkeiten seines doppelten Amtes sehr
wohl bewußt ist. Von den vielfachen und oft recht ernsten Ansprüchen, die an
ihn herantreten, erfährt die Öffentlichkeit freilich recht wenig, und das mag den
"Organen der öffentlichen Meinung," die über den Reichskanzler und seine Stellung
wie die Blinden von der Farbe reden, ebenfalls zur Entschuldigung dienen. In
späterer Zeit wird man vielleicht erfahren, daß diese Frühlingsmonate des Jahres
1904 für die Leitung unsrer Politik nach innen und nach außen recht schwierig
waren, doppelt erschwert durch eine Reihe von äußern Umständen, und daß Graf
Bülow sich in dieser Zeit manches Verdienst erworben hat, den Staatswagen im
richtigen Gleise zu erhalten. Es hat sich dabei möglicherweise doch um Dinge ge¬
handelt, neben denen z. B. die Aufhebung des Paragraphen 2 überhaupt nicht in
Betracht kommen kann. Verständige Zeitungen könnten durch ein aufmerksameres
Studium der Tagesgeschichte doch zu der Einsicht gelangen, daß der in vielen
Orten Deutschlands noch übliche Nachtwächterspruch: "Bewahrt das Feuer und das
Licht!" auch von der Presse beherzigt werden muß.

In einer Zeit, wo hochwichtige internationale Verhandlungen schweben -- es
genügt an die Verhandlungen wegen der Handelsverträge zu erinnern --, scheint
es wenig zweckmäßig, dein Auslande in grundloser Weise mitzuteilen, daß der
Verantwortliche Träger dieser Verhandlungen hier nnr noch auf Tage und Stunden
"vor der Bresche stehe." Das heißt dein Auslande sagen, beeilt euch nicht mit
Zugeständnissen, es kommt ein andrer Reichskanzler, seht euch den erst einmal an.
Eine solche Politik ist weder national noch ist sie politisch richtig, weil sie die
Stellung Deutschlands schwächt. Welchen Wert das Ausland diesen auffälligen
Erscheinungen in der deutschen Preßpvlitik beilegt, ist im einzelnen Falle von hier
ans nicht immer abzuschätzen. Vielleicht hat man draußen eine zu hohe Meinung
von deutscheu Zeitungen, als daß man ihnen solche Mißgriffe ohne weiteres zu¬
trauen sollte. Das Leipziger Tageblatt stellt sich die spezielle Aufgabe, an dem
Telegramm herumzudeuteu, das der Kaiser seinerzeit an den Kaiser Nikolaus
""läßlich des Untergangs des russische" Panzerschiffs bei Port Arthur gerichtet
h"t. Man hat von diesen Ausführungen den Eindruck, daß sie viel besser für den
Vorwärts als Ergänzung einer Bebelschen Rede als für ein nationalgesinntes
Atmet passen.

Wir können zum Schluß nicht unterlassen, auf deu einen sehr merkwürdigen
Umstand hinzuweisen: Als der Bischof vou Metz den Fmnecker Kirchhof interdiziert
hatte, waren in deu liberale" Vlatteru spalteulange Artikel über deu allerdings
hoch bedauerliche" Vorgang zu lesen; dergleichen sei natürlich nur bei dieser Regierung
möglich usw. Jetzt, wo der Bischof seinen unüberlegten Schritt noch vor dem Ein¬
treffen des Kaisers in Metz rückgängig gemacht hat, nachdem ihm kein Zweifel
darüber gelassen worden war, daß man in Metz keinen Korum gebrauchen könne,
schweigen sich dieselben Blätter völlig aus und begnügen sich damit, die Nachricht


Grenzboten 11 1904 56
Maßgebliches und Unmaßgebliches

sagen gehabt, was er nicht schon vor dem Lande öffentlich und vielen Abgeordneten
auch privatim wiederholt ausgesprochen hatte, zweitens würde er durch seine Be¬
teiligung die Debatte sofort auf das hochpolitische Gebiet verschoben haben. Die
Ansicht der preußischen Negierung ist aber bekanntlich, daß die Kanalfrage nicht
von dem politischen, sondern ausschließlich von dem wirtschaftlichen Standpunkt aus
behandelt und entschieden werden soll; demgemäß mußte die Vertretung der Vor¬
lage zunächst ausschließlich durch die zuständigen Ressortminister erfolgen. Die Be¬
teiligung des Reichskanzlers vollzieht sich viel sicherer ans dem Wege der persön¬
lichen, nicht der öffentlichen Verhandlung mit den einzelnen Parteien. Wohl ans
diesem Grunde hat Graf Bülow es auch vermieden, im Herrenhause die Kanal¬
frage zu berühren, die ihm im andern Falle recht nahe gelegen haben würde.

Wer diese Rede des Ministerpräsidenten und Reichskanzlers recht aufmerksam
ansieht, wird finden, daß sie den hippokratischen Zug eines zum Verschwinden be¬
reiten Mannes durchaus nicht trägt, wohl aber den eines Ministers, der sich der
schweren Bürde und der schweren Verantwortlichkeiten seines doppelten Amtes sehr
wohl bewußt ist. Von den vielfachen und oft recht ernsten Ansprüchen, die an
ihn herantreten, erfährt die Öffentlichkeit freilich recht wenig, und das mag den
„Organen der öffentlichen Meinung," die über den Reichskanzler und seine Stellung
wie die Blinden von der Farbe reden, ebenfalls zur Entschuldigung dienen. In
späterer Zeit wird man vielleicht erfahren, daß diese Frühlingsmonate des Jahres
1904 für die Leitung unsrer Politik nach innen und nach außen recht schwierig
waren, doppelt erschwert durch eine Reihe von äußern Umständen, und daß Graf
Bülow sich in dieser Zeit manches Verdienst erworben hat, den Staatswagen im
richtigen Gleise zu erhalten. Es hat sich dabei möglicherweise doch um Dinge ge¬
handelt, neben denen z. B. die Aufhebung des Paragraphen 2 überhaupt nicht in
Betracht kommen kann. Verständige Zeitungen könnten durch ein aufmerksameres
Studium der Tagesgeschichte doch zu der Einsicht gelangen, daß der in vielen
Orten Deutschlands noch übliche Nachtwächterspruch: „Bewahrt das Feuer und das
Licht!" auch von der Presse beherzigt werden muß.

In einer Zeit, wo hochwichtige internationale Verhandlungen schweben — es
genügt an die Verhandlungen wegen der Handelsverträge zu erinnern —, scheint
es wenig zweckmäßig, dein Auslande in grundloser Weise mitzuteilen, daß der
Verantwortliche Träger dieser Verhandlungen hier nnr noch auf Tage und Stunden
„vor der Bresche stehe." Das heißt dein Auslande sagen, beeilt euch nicht mit
Zugeständnissen, es kommt ein andrer Reichskanzler, seht euch den erst einmal an.
Eine solche Politik ist weder national noch ist sie politisch richtig, weil sie die
Stellung Deutschlands schwächt. Welchen Wert das Ausland diesen auffälligen
Erscheinungen in der deutschen Preßpvlitik beilegt, ist im einzelnen Falle von hier
ans nicht immer abzuschätzen. Vielleicht hat man draußen eine zu hohe Meinung
von deutscheu Zeitungen, als daß man ihnen solche Mißgriffe ohne weiteres zu¬
trauen sollte. Das Leipziger Tageblatt stellt sich die spezielle Aufgabe, an dem
Telegramm herumzudeuteu, das der Kaiser seinerzeit an den Kaiser Nikolaus
"»läßlich des Untergangs des russische» Panzerschiffs bei Port Arthur gerichtet
h"t. Man hat von diesen Ausführungen den Eindruck, daß sie viel besser für den
Vorwärts als Ergänzung einer Bebelschen Rede als für ein nationalgesinntes
Atmet passen.

Wir können zum Schluß nicht unterlassen, auf deu einen sehr merkwürdigen
Umstand hinzuweisen: Als der Bischof vou Metz den Fmnecker Kirchhof interdiziert
hatte, waren in deu liberale» Vlatteru spalteulange Artikel über deu allerdings
hoch bedauerliche» Vorgang zu lesen; dergleichen sei natürlich nur bei dieser Regierung
möglich usw. Jetzt, wo der Bischof seinen unüberlegten Schritt noch vor dem Ein¬
treffen des Kaisers in Metz rückgängig gemacht hat, nachdem ihm kein Zweifel
darüber gelassen worden war, daß man in Metz keinen Korum gebrauchen könne,
schweigen sich dieselben Blätter völlig aus und begnügen sich damit, die Nachricht


Grenzboten 11 1904 56
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[0429] Maßgebliches und Unmaßgebliches sagen gehabt, was er nicht schon vor dem Lande öffentlich und vielen Abgeordneten auch privatim wiederholt ausgesprochen hatte, zweitens würde er durch seine Be¬ teiligung die Debatte sofort auf das hochpolitische Gebiet verschoben haben. Die Ansicht der preußischen Negierung ist aber bekanntlich, daß die Kanalfrage nicht von dem politischen, sondern ausschließlich von dem wirtschaftlichen Standpunkt aus behandelt und entschieden werden soll; demgemäß mußte die Vertretung der Vor¬ lage zunächst ausschließlich durch die zuständigen Ressortminister erfolgen. Die Be¬ teiligung des Reichskanzlers vollzieht sich viel sicherer ans dem Wege der persön¬ lichen, nicht der öffentlichen Verhandlung mit den einzelnen Parteien. Wohl ans diesem Grunde hat Graf Bülow es auch vermieden, im Herrenhause die Kanal¬ frage zu berühren, die ihm im andern Falle recht nahe gelegen haben würde. Wer diese Rede des Ministerpräsidenten und Reichskanzlers recht aufmerksam ansieht, wird finden, daß sie den hippokratischen Zug eines zum Verschwinden be¬ reiten Mannes durchaus nicht trägt, wohl aber den eines Ministers, der sich der schweren Bürde und der schweren Verantwortlichkeiten seines doppelten Amtes sehr wohl bewußt ist. Von den vielfachen und oft recht ernsten Ansprüchen, die an ihn herantreten, erfährt die Öffentlichkeit freilich recht wenig, und das mag den „Organen der öffentlichen Meinung," die über den Reichskanzler und seine Stellung wie die Blinden von der Farbe reden, ebenfalls zur Entschuldigung dienen. In späterer Zeit wird man vielleicht erfahren, daß diese Frühlingsmonate des Jahres 1904 für die Leitung unsrer Politik nach innen und nach außen recht schwierig waren, doppelt erschwert durch eine Reihe von äußern Umständen, und daß Graf Bülow sich in dieser Zeit manches Verdienst erworben hat, den Staatswagen im richtigen Gleise zu erhalten. Es hat sich dabei möglicherweise doch um Dinge ge¬ handelt, neben denen z. B. die Aufhebung des Paragraphen 2 überhaupt nicht in Betracht kommen kann. Verständige Zeitungen könnten durch ein aufmerksameres Studium der Tagesgeschichte doch zu der Einsicht gelangen, daß der in vielen Orten Deutschlands noch übliche Nachtwächterspruch: „Bewahrt das Feuer und das Licht!" auch von der Presse beherzigt werden muß. In einer Zeit, wo hochwichtige internationale Verhandlungen schweben — es genügt an die Verhandlungen wegen der Handelsverträge zu erinnern —, scheint es wenig zweckmäßig, dein Auslande in grundloser Weise mitzuteilen, daß der Verantwortliche Träger dieser Verhandlungen hier nnr noch auf Tage und Stunden „vor der Bresche stehe." Das heißt dein Auslande sagen, beeilt euch nicht mit Zugeständnissen, es kommt ein andrer Reichskanzler, seht euch den erst einmal an. Eine solche Politik ist weder national noch ist sie politisch richtig, weil sie die Stellung Deutschlands schwächt. Welchen Wert das Ausland diesen auffälligen Erscheinungen in der deutschen Preßpvlitik beilegt, ist im einzelnen Falle von hier ans nicht immer abzuschätzen. Vielleicht hat man draußen eine zu hohe Meinung von deutscheu Zeitungen, als daß man ihnen solche Mißgriffe ohne weiteres zu¬ trauen sollte. Das Leipziger Tageblatt stellt sich die spezielle Aufgabe, an dem Telegramm herumzudeuteu, das der Kaiser seinerzeit an den Kaiser Nikolaus "»läßlich des Untergangs des russische» Panzerschiffs bei Port Arthur gerichtet h"t. Man hat von diesen Ausführungen den Eindruck, daß sie viel besser für den Vorwärts als Ergänzung einer Bebelschen Rede als für ein nationalgesinntes Atmet passen. Wir können zum Schluß nicht unterlassen, auf deu einen sehr merkwürdigen Umstand hinzuweisen: Als der Bischof vou Metz den Fmnecker Kirchhof interdiziert hatte, waren in deu liberale» Vlatteru spalteulange Artikel über deu allerdings hoch bedauerliche» Vorgang zu lesen; dergleichen sei natürlich nur bei dieser Regierung möglich usw. Jetzt, wo der Bischof seinen unüberlegten Schritt noch vor dem Ein¬ treffen des Kaisers in Metz rückgängig gemacht hat, nachdem ihm kein Zweifel darüber gelassen worden war, daß man in Metz keinen Korum gebrauchen könne, schweigen sich dieselben Blätter völlig aus und begnügen sich damit, die Nachricht Grenzboten 11 1904 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/429>, abgerufen am 30.06.2024.