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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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ob die Hofprediger durch andre einflußreiche Kreise, zum Beispiel die Umgebungen
der Kaiserin, ihre politischen und kirchenpolitischen Wünsche nicht doch an den
Kaiser heranzubringen wissen, das ist eine andre Frage.

Stöcker verwahrte sich dagegen, daß er für einseitige Besetzung der kirchen-
regimentlichen Ämter mit Männern seiner Partei (der Positiven Union) sei. Er
wolle, daß im Kirchenregiment alle großen Richtungen der Kirche vertreten seien,
also Konfessionelle, positiv Unierte und Mittelpartei. Ein guter und politisch rich¬
tiger Gedanke, der sich, geschickt und ehrlich gehandhabt, zur Ausführung empfiehlt.

21. Dezember. Graf Stolberg sagte mir heute, Falls Rücktritt werde sich
noch einmal vermeiden lassen. Hat Falk Konzessionen gemacht?

24. Dezember. Amtlich nichts zu tun. Wir haben einen schönen Weihnachts¬
abend gefeiert. Mit den Vorbereitungen zur Bescherung waren wir schon gestern
fertig, und heute Nachmittag konnten wir alle gemeinsam zur Christvesper in die
Zwölfapostelkirche gehn. Als wir zurückkamen, hielten wir Weihnachtsandacht unter
uns und mit unsern beideu Dienstmädchen, dann zündeten wir den Baum an. Er
strahlte so schön wie noch nie. Ein Hauch ewiger Liebe lag über unserm Hause.

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27. Januar. Lange Pause in meinen Notizen. Ich habe Bedenken, ob es
richtig und nützlich ist, die täglichen Erlebnisse, die Eindrücke, für deren Wert man,
solange sie neu sind, selten ein objektives Urteil hat, die Äußerungen andrer, die
unwillkürlich je nach der augenblicklichen Stimmung eine subjektive Färbung an¬
nehmen, so wie bisher niederzuschreiben.

Gestern habe ich (als Nichtneudekorierter) das Ordensfest im Schlosse mit¬
gemacht. Es hat mir einen guten Eindruck gemacht. Daß alle Empfänger von
Orden und Ehrenzeichen, auch die Unterbecmiten, dabei als Gäste des Königs be¬
handelt werden, daß dieser königliche Glanz und die fürstliche Gastlichkeit auch für
sie entfaltet werden, daß sie gerade so aufmerksam bedient werden wie die Minister,
Fürsten, Grafen, Generale und sonst hochgestellte Männer, das macht einen echt
preußischen Eindruck, und es liegt darin ein im besten Sinne demokratischer Zug,
eine Art von Gegenbild zur allgemeinen Wehrpflicht. Es ist der Ausdruck dafür,
daß das Verdienst ohne Rücksicht auf Rang und Stand seine Anerkennung und
seinen Lohn finden soll. Zum Teil sitzen die neu dekorierten Unterbeamten, Gen¬
darmen, Schutzmänner, Feuerwehrleute, Kcmzleidiener, Wachtmeister, Zollbeamte usw.
im Weißen Saale neben ihren höchsten Vorgesetzten. Ein solcher Tag bedeutet für
sie eine stolze Erinnerung für das ganze Leben. Alle sehen fröhlich und gehoben
aus. Beim Braten trinkt der Kaiser auf das Wohl der Neudekorierten, und ein
Generaladjutant geht in die Bildergalerie und bringt auch dort auf Befehl des
Kaisers das gleiche Hoch aus. So etwas gibt es an keinem Hofe der Welt. Auch
der vorhergehende Gottesdienst in der Schloßkapelle, wenn much manchem der Ge-
ladnen durch den ihm ungewohnten Glanz des Hofes und durch die schimmernden
Uniformen und Orden die rechte Sammlung erschwert werden mag, gibt dem
ganzen Ordenswesen, das ja viel eitle Nichtigkeit und Torheit im Gefolge hat,
eine ernste Weihe und soll es unter ernste und ewige Ideen stellen. Kögel pre¬
digte dabei schön und erbaulich über deu Vers aus der Epistel des gestrigen
zweiten Epiphaniassonntags: Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern über¬
winde das Böse mit Gutem. Die Predigt hat mir das Herz bewegt und inner¬
lichen Gewinn gebracht. Bei Tisch saß ich in der Bildergalerie ganz vergnüglich
in guter Gesellschaft, neben mir der Geheime Oberregierungsrat von Löper aus
dem Ministerium! des Königlichen Hauses, der berühmte Goethekenner, auch von
Boetticher aus Schleswig, der zur Zolltarifkommission hier ist und angeblich Reichs-
schcitzsekretär werden soll. Nur mit dem Reden muß man bei solchen Gelegenheiten
vorsichtig sein. Man spricht leicht zu viel und mit unnötiger oder leichtsinniger
Offenheit. Ich mußte daran denken, was Goethe in der 20. Elegie sagt:


Grenzboten II 1904 S4
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ob die Hofprediger durch andre einflußreiche Kreise, zum Beispiel die Umgebungen
der Kaiserin, ihre politischen und kirchenpolitischen Wünsche nicht doch an den
Kaiser heranzubringen wissen, das ist eine andre Frage.

Stöcker verwahrte sich dagegen, daß er für einseitige Besetzung der kirchen-
regimentlichen Ämter mit Männern seiner Partei (der Positiven Union) sei. Er
wolle, daß im Kirchenregiment alle großen Richtungen der Kirche vertreten seien,
also Konfessionelle, positiv Unierte und Mittelpartei. Ein guter und politisch rich¬
tiger Gedanke, der sich, geschickt und ehrlich gehandhabt, zur Ausführung empfiehlt.

21. Dezember. Graf Stolberg sagte mir heute, Falls Rücktritt werde sich
noch einmal vermeiden lassen. Hat Falk Konzessionen gemacht?

24. Dezember. Amtlich nichts zu tun. Wir haben einen schönen Weihnachts¬
abend gefeiert. Mit den Vorbereitungen zur Bescherung waren wir schon gestern
fertig, und heute Nachmittag konnten wir alle gemeinsam zur Christvesper in die
Zwölfapostelkirche gehn. Als wir zurückkamen, hielten wir Weihnachtsandacht unter
uns und mit unsern beideu Dienstmädchen, dann zündeten wir den Baum an. Er
strahlte so schön wie noch nie. Ein Hauch ewiger Liebe lag über unserm Hause.

^879

27. Januar. Lange Pause in meinen Notizen. Ich habe Bedenken, ob es
richtig und nützlich ist, die täglichen Erlebnisse, die Eindrücke, für deren Wert man,
solange sie neu sind, selten ein objektives Urteil hat, die Äußerungen andrer, die
unwillkürlich je nach der augenblicklichen Stimmung eine subjektive Färbung an¬
nehmen, so wie bisher niederzuschreiben.

Gestern habe ich (als Nichtneudekorierter) das Ordensfest im Schlosse mit¬
gemacht. Es hat mir einen guten Eindruck gemacht. Daß alle Empfänger von
Orden und Ehrenzeichen, auch die Unterbecmiten, dabei als Gäste des Königs be¬
handelt werden, daß dieser königliche Glanz und die fürstliche Gastlichkeit auch für
sie entfaltet werden, daß sie gerade so aufmerksam bedient werden wie die Minister,
Fürsten, Grafen, Generale und sonst hochgestellte Männer, das macht einen echt
preußischen Eindruck, und es liegt darin ein im besten Sinne demokratischer Zug,
eine Art von Gegenbild zur allgemeinen Wehrpflicht. Es ist der Ausdruck dafür,
daß das Verdienst ohne Rücksicht auf Rang und Stand seine Anerkennung und
seinen Lohn finden soll. Zum Teil sitzen die neu dekorierten Unterbeamten, Gen¬
darmen, Schutzmänner, Feuerwehrleute, Kcmzleidiener, Wachtmeister, Zollbeamte usw.
im Weißen Saale neben ihren höchsten Vorgesetzten. Ein solcher Tag bedeutet für
sie eine stolze Erinnerung für das ganze Leben. Alle sehen fröhlich und gehoben
aus. Beim Braten trinkt der Kaiser auf das Wohl der Neudekorierten, und ein
Generaladjutant geht in die Bildergalerie und bringt auch dort auf Befehl des
Kaisers das gleiche Hoch aus. So etwas gibt es an keinem Hofe der Welt. Auch
der vorhergehende Gottesdienst in der Schloßkapelle, wenn much manchem der Ge-
ladnen durch den ihm ungewohnten Glanz des Hofes und durch die schimmernden
Uniformen und Orden die rechte Sammlung erschwert werden mag, gibt dem
ganzen Ordenswesen, das ja viel eitle Nichtigkeit und Torheit im Gefolge hat,
eine ernste Weihe und soll es unter ernste und ewige Ideen stellen. Kögel pre¬
digte dabei schön und erbaulich über deu Vers aus der Epistel des gestrigen
zweiten Epiphaniassonntags: Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern über¬
winde das Böse mit Gutem. Die Predigt hat mir das Herz bewegt und inner¬
lichen Gewinn gebracht. Bei Tisch saß ich in der Bildergalerie ganz vergnüglich
in guter Gesellschaft, neben mir der Geheime Oberregierungsrat von Löper aus
dem Ministerium! des Königlichen Hauses, der berühmte Goethekenner, auch von
Boetticher aus Schleswig, der zur Zolltarifkommission hier ist und angeblich Reichs-
schcitzsekretär werden soll. Nur mit dem Reden muß man bei solchen Gelegenheiten
vorsichtig sein. Man spricht leicht zu viel und mit unnötiger oder leichtsinniger
Offenheit. Ich mußte daran denken, was Goethe in der 20. Elegie sagt:


Grenzboten II 1904 S4
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[0413] Lrinnerungeii ob die Hofprediger durch andre einflußreiche Kreise, zum Beispiel die Umgebungen der Kaiserin, ihre politischen und kirchenpolitischen Wünsche nicht doch an den Kaiser heranzubringen wissen, das ist eine andre Frage. Stöcker verwahrte sich dagegen, daß er für einseitige Besetzung der kirchen- regimentlichen Ämter mit Männern seiner Partei (der Positiven Union) sei. Er wolle, daß im Kirchenregiment alle großen Richtungen der Kirche vertreten seien, also Konfessionelle, positiv Unierte und Mittelpartei. Ein guter und politisch rich¬ tiger Gedanke, der sich, geschickt und ehrlich gehandhabt, zur Ausführung empfiehlt. 21. Dezember. Graf Stolberg sagte mir heute, Falls Rücktritt werde sich noch einmal vermeiden lassen. Hat Falk Konzessionen gemacht? 24. Dezember. Amtlich nichts zu tun. Wir haben einen schönen Weihnachts¬ abend gefeiert. Mit den Vorbereitungen zur Bescherung waren wir schon gestern fertig, und heute Nachmittag konnten wir alle gemeinsam zur Christvesper in die Zwölfapostelkirche gehn. Als wir zurückkamen, hielten wir Weihnachtsandacht unter uns und mit unsern beideu Dienstmädchen, dann zündeten wir den Baum an. Er strahlte so schön wie noch nie. Ein Hauch ewiger Liebe lag über unserm Hause. ^879 27. Januar. Lange Pause in meinen Notizen. Ich habe Bedenken, ob es richtig und nützlich ist, die täglichen Erlebnisse, die Eindrücke, für deren Wert man, solange sie neu sind, selten ein objektives Urteil hat, die Äußerungen andrer, die unwillkürlich je nach der augenblicklichen Stimmung eine subjektive Färbung an¬ nehmen, so wie bisher niederzuschreiben. Gestern habe ich (als Nichtneudekorierter) das Ordensfest im Schlosse mit¬ gemacht. Es hat mir einen guten Eindruck gemacht. Daß alle Empfänger von Orden und Ehrenzeichen, auch die Unterbecmiten, dabei als Gäste des Königs be¬ handelt werden, daß dieser königliche Glanz und die fürstliche Gastlichkeit auch für sie entfaltet werden, daß sie gerade so aufmerksam bedient werden wie die Minister, Fürsten, Grafen, Generale und sonst hochgestellte Männer, das macht einen echt preußischen Eindruck, und es liegt darin ein im besten Sinne demokratischer Zug, eine Art von Gegenbild zur allgemeinen Wehrpflicht. Es ist der Ausdruck dafür, daß das Verdienst ohne Rücksicht auf Rang und Stand seine Anerkennung und seinen Lohn finden soll. Zum Teil sitzen die neu dekorierten Unterbeamten, Gen¬ darmen, Schutzmänner, Feuerwehrleute, Kcmzleidiener, Wachtmeister, Zollbeamte usw. im Weißen Saale neben ihren höchsten Vorgesetzten. Ein solcher Tag bedeutet für sie eine stolze Erinnerung für das ganze Leben. Alle sehen fröhlich und gehoben aus. Beim Braten trinkt der Kaiser auf das Wohl der Neudekorierten, und ein Generaladjutant geht in die Bildergalerie und bringt auch dort auf Befehl des Kaisers das gleiche Hoch aus. So etwas gibt es an keinem Hofe der Welt. Auch der vorhergehende Gottesdienst in der Schloßkapelle, wenn much manchem der Ge- ladnen durch den ihm ungewohnten Glanz des Hofes und durch die schimmernden Uniformen und Orden die rechte Sammlung erschwert werden mag, gibt dem ganzen Ordenswesen, das ja viel eitle Nichtigkeit und Torheit im Gefolge hat, eine ernste Weihe und soll es unter ernste und ewige Ideen stellen. Kögel pre¬ digte dabei schön und erbaulich über deu Vers aus der Epistel des gestrigen zweiten Epiphaniassonntags: Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern über¬ winde das Böse mit Gutem. Die Predigt hat mir das Herz bewegt und inner¬ lichen Gewinn gebracht. Bei Tisch saß ich in der Bildergalerie ganz vergnüglich in guter Gesellschaft, neben mir der Geheime Oberregierungsrat von Löper aus dem Ministerium! des Königlichen Hauses, der berühmte Goethekenner, auch von Boetticher aus Schleswig, der zur Zolltarifkommission hier ist und angeblich Reichs- schcitzsekretär werden soll. Nur mit dem Reden muß man bei solchen Gelegenheiten vorsichtig sein. Man spricht leicht zu viel und mit unnötiger oder leichtsinniger Offenheit. Ich mußte daran denken, was Goethe in der 20. Elegie sagt: Grenzboten II 1904 S4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/413>, abgerufen am 28.06.2024.