Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Reinhold Kosers "Friedrich der Große"
Hermann Meyer von(Schluß)

edem positiven Christentum stand der König als Jünger Voltaires
natürlich indifferent gegenüber; deshalb nahmen diese Dinge wohl
seine Politik, aber nicht sein ganzes Herz in Anspruch. Ganz
anders war es mit der Pflege von Kunst und Wissenschaft. Hier
trat sofort 1740 eine gründliche Änderung des Verfahrens der
frühern Negierung ein. Den aus Halle Vertriebnen Philosophen Wolf berief
Friedrich sogleich zurück, am liebsten Hütte er ihn in Berlin an der Spitze der
Akademie gehabt; weil dieser aber sein akademisches Lehramt vorzog, kam er
wieder an seine alte Universität zurück. Zum Wiederhersteller der verfallnen
Berliner Akademie wurde der Franzose Maupertuis ausersehen, dessen Name
durch die Feststellung der Abplattung der Erde Weltruf hatte. Außer ihm
folgte der Mathematiker L. Euler dem Rufe des Königs; jener wurde Präsident,
dieser ebenfalls eine Hauptstütze der wiederhergestellten Akademie. Damit die
Zeitungen auch reger Mitteilungen literarischer und wissenschaftlicher Art brächten,
verfügte der König das Aufhören der Zensur für diese Nachrichten und be¬
gründete die Maßregel mit dem bekannten Satze: "Gazellen, wenn sie interessant
sein sollen, müssen sie nicht geniert werden."

Auch mit Voltaire traf der König schon in seinem ersten Regierungsjahr
zum erstenmal persönlich zusammen. Sie sahen sich am 11. September 1740
in einem kleinen Schlosse bei Kleve. Obwohl der französische Philosoph von
der Reise ermüdet war, machte er doch durch den Vortrag seines Mahomet-
manuskripts und durch den bestrickenden Zauber seines Gesprächs auf den
König und seine Umgebung einen guten Eindruck. Zehn Jahre später, am
10. Juli 1750, traf Voltaire auf Friedrichs dringende Einladung zu längerm
Aufenthalt in Potsdam ein. Er gedachte einige Monate zu bleiben; es wurde
eine Zeit von drei Jahren daraus. Die Persönlichkeit des Königs war es, die
den geistreichen Franzosen fesselte, sein Ruhm ("seine fünf Schlachten"), seine
Vorliebe für die französische Literatur, deren glänzendster Vertreter doch damals
Voltaire war, seine Unterhaltungsgabe, die Freiheit im Verkehr, daneben doch
wohl auch der mit fürstlicher Freigebigkeit zugemessene Ehrensold. Beide waren
in mancher Beziehung, so in der Gabe der schnellen Auffassung, der Schlag¬
fertigkeit, der Neigung zur scharfen Kritik, ja zum Spott in der Tat Wahl-
verwandte. Und so verbrachte man denn Abends in Sanssouci nach dem schweren
Tageswerkc des pflichtgetreuen Königs die heitern Stunden der Tafelrunde, die
durch Menzels Bilder allbekannt geworden sind. Voltaire hat diese "göttlichen"
Soupers in Briefen und Versen gepriesen; bewundernd sagt er vom König:




Reinhold Kosers „Friedrich der Große"
Hermann Meyer von(Schluß)

edem positiven Christentum stand der König als Jünger Voltaires
natürlich indifferent gegenüber; deshalb nahmen diese Dinge wohl
seine Politik, aber nicht sein ganzes Herz in Anspruch. Ganz
anders war es mit der Pflege von Kunst und Wissenschaft. Hier
trat sofort 1740 eine gründliche Änderung des Verfahrens der
frühern Negierung ein. Den aus Halle Vertriebnen Philosophen Wolf berief
Friedrich sogleich zurück, am liebsten Hütte er ihn in Berlin an der Spitze der
Akademie gehabt; weil dieser aber sein akademisches Lehramt vorzog, kam er
wieder an seine alte Universität zurück. Zum Wiederhersteller der verfallnen
Berliner Akademie wurde der Franzose Maupertuis ausersehen, dessen Name
durch die Feststellung der Abplattung der Erde Weltruf hatte. Außer ihm
folgte der Mathematiker L. Euler dem Rufe des Königs; jener wurde Präsident,
dieser ebenfalls eine Hauptstütze der wiederhergestellten Akademie. Damit die
Zeitungen auch reger Mitteilungen literarischer und wissenschaftlicher Art brächten,
verfügte der König das Aufhören der Zensur für diese Nachrichten und be¬
gründete die Maßregel mit dem bekannten Satze: „Gazellen, wenn sie interessant
sein sollen, müssen sie nicht geniert werden."

Auch mit Voltaire traf der König schon in seinem ersten Regierungsjahr
zum erstenmal persönlich zusammen. Sie sahen sich am 11. September 1740
in einem kleinen Schlosse bei Kleve. Obwohl der französische Philosoph von
der Reise ermüdet war, machte er doch durch den Vortrag seines Mahomet-
manuskripts und durch den bestrickenden Zauber seines Gesprächs auf den
König und seine Umgebung einen guten Eindruck. Zehn Jahre später, am
10. Juli 1750, traf Voltaire auf Friedrichs dringende Einladung zu längerm
Aufenthalt in Potsdam ein. Er gedachte einige Monate zu bleiben; es wurde
eine Zeit von drei Jahren daraus. Die Persönlichkeit des Königs war es, die
den geistreichen Franzosen fesselte, sein Ruhm („seine fünf Schlachten"), seine
Vorliebe für die französische Literatur, deren glänzendster Vertreter doch damals
Voltaire war, seine Unterhaltungsgabe, die Freiheit im Verkehr, daneben doch
wohl auch der mit fürstlicher Freigebigkeit zugemessene Ehrensold. Beide waren
in mancher Beziehung, so in der Gabe der schnellen Auffassung, der Schlag¬
fertigkeit, der Neigung zur scharfen Kritik, ja zum Spott in der Tat Wahl-
verwandte. Und so verbrachte man denn Abends in Sanssouci nach dem schweren
Tageswerkc des pflichtgetreuen Königs die heitern Stunden der Tafelrunde, die
durch Menzels Bilder allbekannt geworden sind. Voltaire hat diese „göttlichen"
Soupers in Briefen und Versen gepriesen; bewundernd sagt er vom König:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294007"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341879_293618/figures/grenzboten_341879_293618_294007_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Reinhold Kosers &#x201E;Friedrich der Große"<lb/><note type="byline"> Hermann Meyer</note> von(Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1723"> edem positiven Christentum stand der König als Jünger Voltaires<lb/>
natürlich indifferent gegenüber; deshalb nahmen diese Dinge wohl<lb/>
seine Politik, aber nicht sein ganzes Herz in Anspruch. Ganz<lb/>
anders war es mit der Pflege von Kunst und Wissenschaft. Hier<lb/>
trat sofort 1740 eine gründliche Änderung des Verfahrens der<lb/>
frühern Negierung ein. Den aus Halle Vertriebnen Philosophen Wolf berief<lb/>
Friedrich sogleich zurück, am liebsten Hütte er ihn in Berlin an der Spitze der<lb/>
Akademie gehabt; weil dieser aber sein akademisches Lehramt vorzog, kam er<lb/>
wieder an seine alte Universität zurück. Zum Wiederhersteller der verfallnen<lb/>
Berliner Akademie wurde der Franzose Maupertuis ausersehen, dessen Name<lb/>
durch die Feststellung der Abplattung der Erde Weltruf hatte. Außer ihm<lb/>
folgte der Mathematiker L. Euler dem Rufe des Königs; jener wurde Präsident,<lb/>
dieser ebenfalls eine Hauptstütze der wiederhergestellten Akademie. Damit die<lb/>
Zeitungen auch reger Mitteilungen literarischer und wissenschaftlicher Art brächten,<lb/>
verfügte der König das Aufhören der Zensur für diese Nachrichten und be¬<lb/>
gründete die Maßregel mit dem bekannten Satze: &#x201E;Gazellen, wenn sie interessant<lb/>
sein sollen, müssen sie nicht geniert werden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1724"> Auch mit Voltaire traf der König schon in seinem ersten Regierungsjahr<lb/>
zum erstenmal persönlich zusammen. Sie sahen sich am 11. September 1740<lb/>
in einem kleinen Schlosse bei Kleve. Obwohl der französische Philosoph von<lb/>
der Reise ermüdet war, machte er doch durch den Vortrag seines Mahomet-<lb/>
manuskripts und durch den bestrickenden Zauber seines Gesprächs auf den<lb/>
König und seine Umgebung einen guten Eindruck. Zehn Jahre später, am<lb/>
10. Juli 1750, traf Voltaire auf Friedrichs dringende Einladung zu längerm<lb/>
Aufenthalt in Potsdam ein. Er gedachte einige Monate zu bleiben; es wurde<lb/>
eine Zeit von drei Jahren daraus. Die Persönlichkeit des Königs war es, die<lb/>
den geistreichen Franzosen fesselte, sein Ruhm (&#x201E;seine fünf Schlachten"), seine<lb/>
Vorliebe für die französische Literatur, deren glänzendster Vertreter doch damals<lb/>
Voltaire war, seine Unterhaltungsgabe, die Freiheit im Verkehr, daneben doch<lb/>
wohl auch der mit fürstlicher Freigebigkeit zugemessene Ehrensold. Beide waren<lb/>
in mancher Beziehung, so in der Gabe der schnellen Auffassung, der Schlag¬<lb/>
fertigkeit, der Neigung zur scharfen Kritik, ja zum Spott in der Tat Wahl-<lb/>
verwandte. Und so verbrachte man denn Abends in Sanssouci nach dem schweren<lb/>
Tageswerkc des pflichtgetreuen Königs die heitern Stunden der Tafelrunde, die<lb/>
durch Menzels Bilder allbekannt geworden sind. Voltaire hat diese &#x201E;göttlichen"<lb/>
Soupers in Briefen und Versen gepriesen; bewundernd sagt er vom König:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0388] [Abbildung] Reinhold Kosers „Friedrich der Große" Hermann Meyer von(Schluß) edem positiven Christentum stand der König als Jünger Voltaires natürlich indifferent gegenüber; deshalb nahmen diese Dinge wohl seine Politik, aber nicht sein ganzes Herz in Anspruch. Ganz anders war es mit der Pflege von Kunst und Wissenschaft. Hier trat sofort 1740 eine gründliche Änderung des Verfahrens der frühern Negierung ein. Den aus Halle Vertriebnen Philosophen Wolf berief Friedrich sogleich zurück, am liebsten Hütte er ihn in Berlin an der Spitze der Akademie gehabt; weil dieser aber sein akademisches Lehramt vorzog, kam er wieder an seine alte Universität zurück. Zum Wiederhersteller der verfallnen Berliner Akademie wurde der Franzose Maupertuis ausersehen, dessen Name durch die Feststellung der Abplattung der Erde Weltruf hatte. Außer ihm folgte der Mathematiker L. Euler dem Rufe des Königs; jener wurde Präsident, dieser ebenfalls eine Hauptstütze der wiederhergestellten Akademie. Damit die Zeitungen auch reger Mitteilungen literarischer und wissenschaftlicher Art brächten, verfügte der König das Aufhören der Zensur für diese Nachrichten und be¬ gründete die Maßregel mit dem bekannten Satze: „Gazellen, wenn sie interessant sein sollen, müssen sie nicht geniert werden." Auch mit Voltaire traf der König schon in seinem ersten Regierungsjahr zum erstenmal persönlich zusammen. Sie sahen sich am 11. September 1740 in einem kleinen Schlosse bei Kleve. Obwohl der französische Philosoph von der Reise ermüdet war, machte er doch durch den Vortrag seines Mahomet- manuskripts und durch den bestrickenden Zauber seines Gesprächs auf den König und seine Umgebung einen guten Eindruck. Zehn Jahre später, am 10. Juli 1750, traf Voltaire auf Friedrichs dringende Einladung zu längerm Aufenthalt in Potsdam ein. Er gedachte einige Monate zu bleiben; es wurde eine Zeit von drei Jahren daraus. Die Persönlichkeit des Königs war es, die den geistreichen Franzosen fesselte, sein Ruhm („seine fünf Schlachten"), seine Vorliebe für die französische Literatur, deren glänzendster Vertreter doch damals Voltaire war, seine Unterhaltungsgabe, die Freiheit im Verkehr, daneben doch wohl auch der mit fürstlicher Freigebigkeit zugemessene Ehrensold. Beide waren in mancher Beziehung, so in der Gabe der schnellen Auffassung, der Schlag¬ fertigkeit, der Neigung zur scharfen Kritik, ja zum Spott in der Tat Wahl- verwandte. Und so verbrachte man denn Abends in Sanssouci nach dem schweren Tageswerkc des pflichtgetreuen Königs die heitern Stunden der Tafelrunde, die durch Menzels Bilder allbekannt geworden sind. Voltaire hat diese „göttlichen" Soupers in Briefen und Versen gepriesen; bewundernd sagt er vom König:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/388
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/388>, abgerufen am 28.06.2024.